Netzpolitischer Wochenrückblick KW 50: Das Ende der Netzneutralität in den USA

Die FCC schafft die Netzneutralität in den USA ab. Auch in Deutschland wird uns dieses Thema in Zukunft mehr beschäftigten. Der BND hat vor Gericht verloren und wir haben einen Haufen interner Akten des Bundesinnenministeriums zur Videoüberwachung am Bahnhof Südkreuz ausgewertet. Außerdem hat Twitter auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz reagiert. Die Themen der Woche im Rückblick.

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Das dominierende Thema der Woche war eindeutig die Netzneutralität. In den USA ist sie gestern trotz massiver Proteste abgeschafft worden. Diese Deregulierung der Netzbetreiber ist ein großer Schritt weg vom offenen Internet hin zum kommerzialisierten Netz der Internetmonopolisten.

Die bedauerliche Entscheidung der Federal Communications Commission (FCC) ist allerdings keine Überraschung. Tomas Rudl fasst zusammen, welche absehbaren Folgen das Ende der Netzneutralität hat. Markus Beckedahl hat die Entscheidung beim NDR kommentiert. Für das offene Internet, kleinere Unternehmen und den einzelnen Internetnutzer sieht es schlecht aus, die dominanten Netzbetreiber freuen sich hingegen über die freie Bahn für neue Wertschöpfungsmodelle. Der verantwortliche FCC-Chef Ajit Pai umgibt sich für ein Werbevideo nicht nur mit Verschwörungstheoretikern, sondern scheint auch die Kritik an der Entscheidung seiner Behörde nicht wirklich zu verstehen.

Deutschland: Netzneutralität ist auch hier bedroht, Telekom muss StreamOn nachbessern

Das Thema Netzneutralität ist auch für uns wichtiger, als man auf den ersten Blick glaubt. Vodafone und die Telekom strecken bereits ihre Fühler aus, indem sie mit Vodafone Pass und StreamOn Zero Rating anbieten. Die Strategie ist geschickt: Bestimmte Dienste ohne Verbrauch des Datenvolumens nutzen zu können, scheint harmlos und nutzerfreundlich. Die Auswirkungen auf das offene Netz sind im Vergleich so abstrakt, dass selbst die Stiftung Warentest auf das Marketing der Telkos hereinfällt. Auf Twitter versprach die Stiftung in Reaktion auf unsere von vielen Lesern geteilte Kritik immerhin, demnächst kritisch auf das Thema einzugehen.

Dass die Bundesnetzagentur die Netzneutralitätsverletzung durch die Telekom durchaus auf dem Schirm hat, zeigte sie an diesem Freitag: In einer lange erwarteten Entscheidung verdonnerte sie den Telekommunikationskonzern, bei seinem StreamOn-Angebot zumindest etwas nachzubessern. Das skandalisierte der Ex-Monopolist in einem Blog-Post.

Auch interessant: Twitter hat als erstes soziales Netzwerk ein speziell für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) angepasstes Beschwerdesystem ausgerollt. Nutzer sollen auswählen, gegen welchen Paragraphen gemeldete Inhalte genau verstoßen, und werden damit wahrscheinlich überfordert sein, weil sie das dafür nötige juristische Fachwissen nicht haben.

Smart-TVs und das Märchen vom Tod des Internet durch Datenschutz

Auf europäischer Ebene wird mit der ePrivacy-Reform momentan eines der umkämpftesten netzpolitischen Themen verhandelt. Mit einer neuen Verordnung sollen der Schutz der Privatsphäre in der vernetzten Gesellschaft und die Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation gestärkt werden. Unter anderem soll es Nutzern einfacher möglich sein, sich gegen Tracking zu wehren. Dass dies erhebliche Lobby-Aktivitäten auslöst, hatten wir schon häufiger berichtet. Werbeverbände sprechen gar vom Ende des Internets. Verbraucherschützer Florian Glatzner räumt im Interview mit den gröbsten PR-Mythen gegen die Verordnung auf.

Für Verbraucherschützer lohnt auch die Beschäftigung mit datenschutzrechtlich bedenklichen Smart-Home-Geräten. Das Bundeskartellamt kündigte diese Woche eine Untersuchung des Smart-TV-Marktes an. Die Geräte erheben eine Vielzahl von Daten, ob die Nutzer darüber überhaupt richtig informiert werden und wie die Hersteller diese Daten weiter verwenden, soll jetzt genauer unter die Lupe genommen werden. Auch wenn es zu begrüßen ist, dass das Kartellamt sich einem der weiter verbreiteten Smart-Home-Geräte zuwendet, läuft der Prozess äußerst gemächlich an: Anfang 2018 sollen zunächst einmal Fragebögen an die Hersteller versendet werden. Deren Beantwortung soll zeigen, ob es Schwachstellen bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Datenschutz und Datensicherheit gibt.

Staatliche Überwachung: Schlappe für den BND, Videoüberwachung weiter auf dem Vormarsch

Der BND darf in seiner Datenbank VerAS nicht einfach Kommunikationsmetadaten speichern und verwenden, weil dafür die Rechtsgrundlage fehle, urteilt das Bundesverwaltungsgericht. VerAS, kurz für Verkehrsanalysesystem, ist eine der großen Datenbanken des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND. In ihr sammelt der Dienst Kommunikationsmetadaten aus Telefongesprächen mit dem Ausland – etwa wer mit wem wie lange telefoniert – und betreibt damit eine eigene Vorratsdatenspeicherung. Trotz des Urteils muss der BND VerAS vorerst nicht komplett abschaffen. Die Entscheidung gilt erst einmal nur für die Kläger von Reporter ohne Grenzen.

Am heutigen Freitag besucht Innenminister Thomas de Maizière den Berliner Bahnhof Südkreuz, vorher sollen keine Zahlen über Erfolg oder Misserfolg des Biometrie-Tests veröffentlicht werden. Das geschah dann auch bei dem Termin nicht wirklich – stattdessen kündigte de Maiziére an, dass der Test um sechs Monate verlängert werde. Durch eine Informationsfreiheitsanfrage haben wir immerhin fünf große Aktenordner erhalten, die einiges über die Entstehung des Projekts verraten.

Auch an anderen Orten in Deutschland diskutiert man über Videoüberwachung. Die Kasseler SPD fordert eine Ausweitung der Videoüberwachung und verspricht sich davon ein „noch besseres Sicherheitsgefühl“. Eine ordentliche Rechtsgrundlage gibt es dafür nicht, wie eine Recherche von Hannah Grün zeigt. Die schwarz-grüne Koalition will die Videoüberwachung auf Landesebene durch neue Gesetze zusätzlich erleichtern.

Internationales: NATO will Cyberwaffen offensiv einsetzen

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat verkündet, dass die NATO Cyberwaffen nicht mehr nur defensiv verwenden möchte, sondern auch offensiv. Die Entscheidung geschieht mit Blick auf Russland und wirft grundlegende ethische sowie strategische Fragen bei der Benutzung dieser neuen Waffen auf. In einer Fragerunde mit Journalisten nach der Pressekonferenz ergaben sich vorerst keine konkreten Pläne, aber schon die Absichtserklärung ist ein entscheidender Richtungswechsel.

Das Europäische Parlament hat sich zur Netzpolitik in Freihandelsabkommen positioniert und fordert, Prinzipien von Datenschutz, Netzneutralität und Verschlüsselung in neue Verträge aufzunehmen. Damit könnten Digital Rights auf bilateraler und internationaler Ebene verankert werden.

Der 34c3 rückt näher!

Gute Nachrichten zum Schluss: Das Programm für den diesjährigen CCC-Kongress ist seit gestern Nacht online. Die Tickets für mehr als 13.000 erwartete Teilnehmende sind zwar schon ausverkauft, aber alle Vorträge werden auch als Livestream übertragen. Wir werden in den kommenden Tagen noch Veranstaltungstipps veröffentlichen, bevor es in Leipzig am 27. Dezember losgeht.

Und: Unser Transparenzbericht für den letzten Monat ist da. Im November haben wir zwar ein wenig Plus gemacht, sind aber für das Jahr 2017 immer noch im Minus. Wir freuen uns deswegen nicht nur über Eure Spenden, sondern sind auch auf Eure Gründe gespannt!

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