Der Nutzer als Jurist: Twitter rollt Meldesystem für das NetzDG aus

Als erstes soziales Netzwerk hat Twitter ein speziell für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz angepasstes Beschwerdesystem ausgerollt. Das System des Kurznachrichtendienstes verlangt eine juristische Einordnung der gemeldeten Inhalte durch die Nutzer.

In Twitters Meldesystem müssen Nutzerinnen und Nutzer die Beschwerden jetzt selbst juristisch einordnen. (Symbolbild / Originaltitel: Deutsche Gesetze) CC-BY-NC 2.0 FotoDB.de / Tim Reckmann

Die großen Plattformen müssen ein Beschwerdesystem für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bis zum 1. Januar vorlegen. Twitter hat ein solches nun ausgerollt.

Im Meldesystem des Kurznachrichtendienstes erhalten Nutzerinnen und Nutzer nun die Auswahlfläche „Fällt unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz“:

Ein Klick darauf bietet dann weitere Auswahlmöglichkeiten wie „Hass schürende / verfassungswidrige Inhalte“, „Beleidigung“ oder „Fälschung“:

Beleidigung: Üble Nachrede oder Verleumdung?

Wählt der User auf dieser Ebene etwas aus, erscheinen die jeweiligen Paragrafen, die unter das NetzDG fallen. Hier wird es für juristische Laien dann schon etwas schwieriger. Wählt jemand zum Beispiel „Beleidigung“ aus, bekommt er vier Paragrafen genannt, aus denen er dann wieder auswählen muss. Es ist davon auszugehen, dass für viele der Unterschied von Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede nicht eindeutig ist.

Gesetz bleibt umstritten

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz steht wegen möglicher Beschränkungen der Meinungsfreiheit in der Kritik. Schon der Entstehungsprozess war von Protesten und breiter zivilgesellschaftlicher Gegenwehr begleitet. Diese Woche forderten gleich drei Parteien mit eigenen Gesetzesentwürfen das Ende des Gesetzes.

Alle Auswahlfelder des Beschwerdesystems als Galerie:

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6 Ergänzungen

  1. Leider mussten wir den Artikel auf Twitter melden, da er oppositionelle Potenziale ansprechen könnte. Bitte konsultieren Sie zukünftig das Ministerium für illegale Ideen, um Ihre Artikel zuvor auf Friedenskonformität prüfen zu lassen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Joseph Maas

  2. Ich vermute, dass dieses Verfahren nicht mit § 3 Abs. 1 NetzDG vereinbar ist und damit die zuständige Aufsichtsbehörde (Bundesamt für Justiz) das so nicht akzeptieren wird.

    Aber man kann es ja mal versuchen.

  3. Am Rande: das NetzDG ist ein schöne Beispiel, wie aus antiamerikanischem Hass auf Facebook durch die SPD der Rechtsstaat abgebaut wird:
    – Im StGB ist nach §185 die Beleidigung strafbar.
    – Allerdings ist die Beleidigung nach §194 StGB ein Antragsdelikt: der angeblich Beleidigte muss die Strafverfolgung selbst beantragen.

    Die Facebookhasser von der SPD haben das NetzDG aber am Rechtsstaat und dem StGB vor ei geschrieben. Nach NetzDG wird die Beleidigung zum Offizialdelikt. Der juristische Laie von Avarto muss bei seiner Rechtssprechung, was eine Beleidigung ist, auf den §194 StGB spucken. Er muss auf rechtliches Gehör spucken. Er muss auf einen ordentlichen Richter spucken. Er muss selbst entscheiden, was den Straftatsbestand erfüllt und dann gnadenlos löschen. Löscht er nicht, drohen Facebook wegen der Facebookhasser hohe Geldstrafen.
    Früher hätte man wegen so einer eklatanten Missachtung unserer FDGO die SPD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestellt. Aber in der Regierung beugt die SPD das Recht, „wie es ihr gefällt“. Wie wir schon bei Steinmeier gesehen haben, der das Verfassungs-Gesetz dahingehend missachtet hat, dass er rechtswidrige Unterlassung der Spionageabwehr gegen fremde Mächte angeordnet hat.
    Der Rechtsstaat wird nicht vom rechten Rand demontiert sondern von der ehemaligen Mitte.

  4. In der letzten Bundestagsdebatte über das NetzDG hat ein Poltiker (erinnere mich leider nichtmehr an den Namen, ich glaube es war einer von der CDU) demletzt das Argument gebracht: Die Anwendung des NetzDG wird von vielen Social-Media Anbietern in Zukunft in der Weise umgesetzt wie es seit Jahren in Computerspielen Praxis ist umgesetzt. Also dass im Prinzip die User sich gegenseitig selbst regulieren. Daran erinnert mich das Konzept von twitter auch. Da dachte ich mir erstmal, das ist ja eigentlich eine gute Idee.. Aber ist es nicht, denn es gibt bei PC-Games die Regel(!), dass man Spieler nur für ihr unangebrachtes Verhalten melden kann, wenn man mit diesen auch gerade spielt oder direkt im Nachgang, nachdem man ein Spiel mit oder gegen diese gespielt hat. Da kann nicht jeder jeden einfach so melden. Und das ist das Problem
    Beim Systems von twitter. Jeder kann jeden Beitrag melden. D.h. finden bspw. AfD-Anhänger einen Beitrag eines linken Aktivisten doof, können diese mehrere Gleichgesinnte dazu auffordern den Beitrag zu melden. Somit bekommt er vermutlich eine größere Aufmerksamkeit bei denjenigen twitter-Mitarbeitern die die Vorwürfe überprüfen müssen. Könnte mir gut vorstellen, dass so auch eher und öfter Beiträge verschwinden, die eigentlich von der Meinungsfreiheit gedeckt wären.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.