Netzpolitischer Wochenrückblick KW 49: Gute Digitalisierung, schlechte Digitalisierung

Die Themen, die uns diese Woche beschäftigten, könnten bunter nicht sein: Von Killerrobotern über Youtube-Algorithmen bis zum stagnierenden Breitbandausbau war alles dabei. Doch neben all den Sorgenthemen gab es auch schönes zu entdecken: Tolle Projekte mit offenen Kulturdaten, die zeigen, was in der Digitalisierung steckt!

Hintertüren für Autos? Ist es das, was das Innenministerium will? – Alle Rechte vorbehalten Ghost Presenter

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Youtube und die Algorithmen

In Zukunft werden bei Youtube Algorithmen immer mehr Einfluss auf die Moderation von Inhalten haben. Laut Aussage des Unternehmens werden durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz bereits 180.000 menschliche Autoren ersetzt.

Die automatische Inhaltskontrolle wirft jedoch Fragen nach Transparenz der Löschungskriterien auf. So geriet das Unternehmen kürzlich in die Schlagzeilen, da es den Account des Künstlerkollektivs Zentrum für politische Schönheit sperrte sowie die Verbreitung eines Videos beschränkte, das gewalttätige Ausschreitungen von AfD-Anhängern gegen die Künstler zeigte.

Doch Algorithmen kontrollieren nicht nur Youtube-Videos. Sie steuern auch Verwaltungsprozesse, entscheiden über den Zugang zu Dienstleistungen und formen die Kommunikation in der digitalen Öffentlichkeit. Eine Konferenz in Berlin beleuchtete kürzlich, was dies für das Individuum bedeutet und gab Einblicke in die Diskussion um dringend benötigte Regulierungsansätze.

Twitter in den USA und Deutschland

Die Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter in den USA hat sich 2017 stark verändert. Mittlerweile nutzen 74 Prozent der erwachsenen Amerikaner mit Twitteraccount den Dienst, um Nachrichten zu lesen. Wohl auch wegen den aufsehenerregenden Äußerungen ihres Präsidenten. Der meistverbreitete Tweet des Jahres stammte allerdings nicht von Trump, sondern von einem hühnchenliebhabenden Teenager, gefolgt von einem Tweet Obamas und einer Spendenaktion für Überschwemmungsopfer.

In Deutschland versucht Bundestagspräsident Schäuble (CDU) währenddessen weiterhin, Twitter aus dem Bundestag zu verbannen. Wir haben recherchiert, wie das EU-Parlament und die Landesparlamente mit dem Thema umgehen. Dort zeigt man sich gegenüber Twitter und dem Einsatz moderner Technik meist aufgeschlossener. Die Regeln der einzelnen Parlamente könnt ihr in einer interaktiven Karte einsehen, die wir erstellt haben.

Now to something completely different

Neben Youtube und Twitter hat uns diese Woche noch allerlei Militärisches beschäftigt. Constanze Kurz hat mit Marcel Dickow ein Interview über Killerroboter geführt, das ihr nachlesen oder auch hören könnt. Es geht darum, ob Entscheidungen über Leben und Tod vollständig an Computer delegiert werden dürfen oder ob Killerroboter nicht eher doch bald verboten werden könnten.

Eigentlich schon Verbotenes gab es auf der Militär- und Polizeimesse Milipol zu sehen, die Anna Biselli für euch besucht hat. Neben illegalem Folterequipment berichtet sie von ihren Eindrücken aus der Welt der Waffenhändler und Smartphone-Knacker.

Unterdessen will die Bundeswehr senkrecht in die Lüfte durchstarten und neue Drohnen beschaffen, die bisher auf Schiffen der Bundespolizei getestet wurden.

Doch keine Hintertüren in smarten Vibratoren?

Vor einer Woche gab es Aufregung um angebliche Pläne des Innenministeriums, dass dieses Hintertüren für Polizei und Geheimdienste in allen digitalen Geräten fordere. Zwar dementierte das Ministerium die Aussage in dieser Form, verpasste jedoch die Möglichkeit für wirkliche Klarheit über seine Pläne zur sorgen. Markus Beckedahl kommentierte die Pläne im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Aus Sicht des Datenschutzes war die Abstimmung im EU-Parlament zur ePrivacy-Reform Ende Oktober ein Erfolg. Das Bundeswirtschafsministerium hat nun eine eigene Studie zur ePrivacy-Reform veröffentlicht. Die befragten Vertreter der Werbe- und Trackingindustrie sagen, dass eine Regulierung ihrer Branche für ein Wirtschaftshemmnis halten. Verbraucherrechte zählen da nicht. Auf dieser mehr als zweifelhaften Basis will das Bundeswirtschaftsministerium jetzt Politik machen.

Digitalisierung von ihrer hässlichen Seite: Schlechte Gesetze, Breitbandausbau stagniert

Die Vorratsdatenspeicherung ist nach wie vor nicht tot zu kriegen. Auf europäischer Ebene werden noch diese Woche die Innen- und Justizminister der EU beraten, wie die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes eingehalten werden können. In ihrer derzeitigen Form ist sie rechtswidrig, nachdem der Europäische Gerichtshof die verdachtslose Massenspeicherung von Vorratsdaten bereits letztes Jahr für illegal erklärte. Ob eine solche Speicherung aber überhaupt notwendig und wirksam ist, um Verbrechen zu bekämpfen oder aufzuklären, diskutieren die politischen Entscheider jedoch kaum.

Auch die britische Regierung gelobt nun Nachbesserungen am Überwachungspaket „Investigatory Powers Act“ (IPA), dass ebenfalls verdachtslose Massenspeicherung beinhaltet. Das Gesetzeswerk gilt als extremstes Überwachungsgesetz, das jemals in einer Demokratie verabschiedet wurde. In ihren Korrekturen lässt die britische Regierung jedoch den strittigsten Punkt außen vor – nämlich die anlasslose Speicherung von Daten unschuldiger Bürger.

Nach dem geplanten Hessentrojaner für den Verfassungsschutz kam aus dem Bundesland aus der Mitte Deutschlands ein neuer zweifelhafter Gesetzesentwurf. Nach dem Willen der schwarz-grünen Regierung in Hessen soll ein neues Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz kommen. Der Entwurf hat mit Informationsfreiheit allerdings nicht viel zu tun: Er sieht vor, dass weder Gemeinden und Landkreise noch Polizei und Verfassungsschutz Auskunft geben müssen.

Währenddessen stagniert der Breitbandausbau in Deutschland weiterhin, obwohl die Bürger mehr und mehr auf schnelle Internetanbindung angewiesen sind. Ein Bericht der Bundesnetzagentur zeigt, dass ein guter Teil der Bevölkerung immer noch von der Digitalisierung abgeschnitten ist. Die Telekom Deutschland und mit ihr eine veraltete Kupferinfrastruktur beherrschen die Lage.

Es gibt auch Schönes aus der Kulturwelt

Für die positiven Seiten der digitalen Welt sorgen andere: Am vergangenen Samstag fand die Preisverleihung des diesjährigen Hackathons Coding Da Vinci statt. Wir haben eine kurze Übersicht der Gewinnerprojekte erstellt, denen es besonders gut gelang, offene Kulturdaten digital zugänglich aufzubereiten.

Die Wikimedia Foundation hat entschieden, jetzt auch den Upload von mp3-Dateien zu erlauben. Nachdem jetzt der Patentschutz des Dateiformats ausgelaufen ist, können mp3-Musikdateien jetzt in die Wikipedia eingebunden werden.

In diesem Sinne: Happy Uploading, happy Hacking und ein schönes Wochenende!

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