Alles unter Kontrolle? Kanzleramt weiß nicht, wie oft BND mit anderen kooperiert

Mit wem arbeitete der BND seit 2014 zusammen? Die Öffentlichkeit erfährt solche Dinge nicht, doch das Kanzleramt müsste es wissen – immerhin kontrolliert es den Geheimdienst. Weit gefehlt: Bei der Frage nach der Anzahl der Kooperationen muss es passen. Und als Gesetzesgrundlage führt es damals noch nicht existente Paragrafen heran.

Mit wem der BND so zusammenarbeitet? Keine Ahnung, sagt die Dienstaufsicht. (Symbolbild) CC-BY-SA 2.0 Sutha Kamal

Der NSA-Untersuchungsausschuss konnte zwar nicht viele Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes aufklären, eines hat er jedoch gezeigt: Teile des BND führten ein Eigenleben. Auch das Bundeskanzleramt behauptete, über einige Aktivitäten des ihm unterstellten Geheimdienstes nicht informiert zu sein. Das kann man nun nicht mehr nur in unseren Liveblogs, sondern auch in den offiziellen Protokollen nachlesen, die der Bundestag vor Kurzem veröffentlichte. Schenkt man den Verkündungen von Union und SPD Glauben, ist seit der Reform des BND-Gesetzes und des Gesetzes zum Parlamentarischen Kontrollgremiums alles in bester Ordnung und gut kontrolliert. Und die Realität?

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner ka­ri­kie­rt diese Äußerung. Die gestellten Fragen sind allgemein gehalten: Wie viele Kooperationen mit anderen Geheimdiensten hat der BND seit 2014 begonnen? Welche davon mit anderen deutschen Diensten? Welche mit solchen aus der EU und welche mit Diensten aus dem Rest der Welt? Wer wurde über die Kooperationen unterrichtet? Und: Wie viele Daten sind dabei angefallen, in welchen Datensystemen sind sie gespeichert?

Kein Überblick im Kanzleramt

Verweise auf Verweise auf eine Antwort, die nichts aussagt.

Oft verweigert die Bundesregierung Antworten auf solche Fragen, weil die Informationen als geheim eingestuft sind. „Ausnahmsweise“ müsse das parlamentarische Informationsrecht hintenangestellt werden, heißt es dann. Weil sonst die Sicherheit der Bundesrepublik in Gefahr wäre oder die guten Beziehungen und das Vertrauen zu den Partnerdiensten gestört würden. Oder auch beides. Wenn die Abgeordneten Glück haben, dürfen sie in die Geheimschutzstelle des Bundestages gehen, um die Auskünfte zu lesen.

Diesmal ist es anders. Diesmal ist die Antwort kein Staatsgeheimnis, das Kanzleramt habe die Information gar nicht. Eine „statistische Auflistung der Anzahl der unterschiedlichen Zusammenarbeitsformen“ des BND existiere nicht, die erfragten Zahlen seien nicht mit vertretbarem Arbeitsaufwand recherchierbar.

Die übrigen Antworten referenzieren auf diese Antwort. Wir haben das verwobene Antwortverhalten in der nebenstehenden Grafik visualisiert.

Paragrafen als Grundlage, die es letztes Jahr noch nicht gab

Wenn nicht einmal die Dienst- und Fachaufsicht sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Aktivitäten des BND verschaffen kann, wer soll die Geheimdienste dann kontrollieren? Renner ist skeptisch:

Die Bundesregierung bleibt ihrer Linie treu: „Nichts wissen und bloß nichts sagen.“ Dabei hat sich doch die Bundesregierung auf die Fahne geschrieben, dass sie kontrollfreie Räume im BND nicht mehr entstehen lassen will.

Noch etwas gibt zu denken. Eine andere Antwort der Bundesregierung bezieht sich auf die Grundlage der Kooperationen. Die könnten „in vielfältiger Form“ auf Basis des BND-Gesetzes eingegangen werden. Besonders wichtig seien dabei die Paragrafen 13 und 24ff des Gesetzes. Renner nennt das „besonders bizarr“, denn: Paragraf 13 zur „Kooperation im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ ist erst seit Ende 2016 in Kraft, Paragraf 24 war damals noch ein anderer. Für die gefragten Zusammenarbeiten seit 2014 ist er nicht als Grundlage geeignet. Und zu anderen Grundlagen, wie Verträgen zwischen den Diensten und Behörden, verliert die Regierung kein Wort.

2 Ergänzungen

  1. Das ist allerdings das uebliche Verfahren, egal ob unter CDU/CSU oder SPD: man will es nicht wissen, denn dann ist man nicht Schuld, egal, was passiert.

    Waehrend zB der Enron und WorldCom zu Sarbanes–Oxley gefuehrt haben, weil Investoreninteressen geschaedigt wurden, hat politisches Nichtverantwortenwollen keinerlei Folgen: der Waehler akzeptiert es, der Wirtschaft ist es bestenfalls egal.

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