Abschaffung der Roaming-Gebühren unter Dach und Fach

Nach zähen Verhandlungen steht nun fest: Im Juni fallen die Roaming-Gebühren in Europa. Dabei konnte sich das EU-Parlament durchsetzen und den Mitgliedstaaten niedrige Großhandelspreise abringen.

Ab dem nächsten EU-Sommerurlaub sollten Roaming-Gebühren kaum noch eine Rolle spielen. CC0 1.0, via Unsplash/Clem Onojeghuo

Ab Mitte Juni gehören Roaming-Gebühren im EU-Ausland (weitgehend) der Vergangenheit an. Gestern Nacht haben sich Vertreter des EU-Parlaments, der Mitgliedsländer und der EU-Kommission auch beim letzten noch ausstehenden Verhandlungspunkt geeinigt und gedeckelte Großhandelspreise festgelegt, teilte die Kommission mit. „Das war das letzte Puzzle-Teil“, sagte der Digital-Kommissar Andrus Ansip. „Ab dem 15. Juni können Europäer innerhalb der EU ohne Roaming-Aufschläge reisen.“

Netzbetreiber verrechnen sich gegenseitig Kosten, wenn ihre Kunden ein anderes Netz im Ausland nutzen. Für SMS-Nachrichten dürfen sie künftig einen Cent, für Anrufe 3,2 Cent verlangen. Hart umkämpft waren bis zuletzt die Obergrenzen für Datentarife. Hier sieht der Kompromiss zunächst 7,75 Euro pro Gigabyte vor, der Preis sinkt jedoch bis 2022 nach und nach auf 2,5 Euro pro Gigabyte.

Starkes EU-Parlament entscheidend

Damit konnte sich überwiegend das EU-Parlament durchsetzen, das geschlossen in die Verhandlungen gezogen war. Dessen Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen hat erfreulicherweise gehalten. „Es ist so großartig, ein echtes Arbeitsparlament zu haben und keines, das Regierungsvorlagen abnickt“, freute sich der grüne EU-Abgeordnete und Schattenberichterstatter im Industrieausschuss (ITRE) Michel Reimon. Vor Verhandlungbeginn hatten die Mitgliedsländer sechs Euro bis 2021 gefordert, das Parlament einen Euro bis 2020.

„Die Obergrenzen stellen sicher, dass effiziente Netzbetreiber ihre Kosten decken können, liegen aber tief genug, damit der Wettbewerb auf den europäischen Telekommunikationsmärkten gewährleistet bleibt“, erklärte die sozialdemokratische Abgeordnete und Verhandlungsführerin Miapetra Kumpula-Natri. Verbraucher würden vom Wettbewerb profitieren und mehr Daten im EU-Ausland nutzen können, als es der ursprüngliche Vorschlag der Kommission erlaubt hätte. Dieser lag in der Nähe des Rates und hätte bei knapp neun Euro pro Gigabyte begonnen.

Obergrenzen fließen in Verbraucherpreise ein

Die Preisobergrenzen scheinen fern und abstrakt, haben aber indirekte Folgen für die Endkundenpreise und für den Telekom-Markt. Lägen sie zu hoch, gerieten billige Anbieter unter Druck, die auf Kosten der Verbraucher ihre Gebühren erhöhen müssten. Bei zu geringen Tarifen wiederum fürchten Netzbetreiber um ihre Gewinne und warnen vor einem verschleppten Ausbau ihrer Netz-Infrastruktur.

Um mögliche unerwünschte Nebenwirkungen aufzufangen, sieht die Einigung deshalb einige Sicherungsmechanismen vor. Darunter fällt unter anderem eine Nachhaltigkeitsklausel sowie ein grundsätzliches Fair-Use-Modell, das die Handynutzung im EU-Ausland auf vier Monate im Jahr beschränkt. In der Praxis sollten Nutzer die gleichen Datenvolumina verbrauchen können wie im Inland, insbesondere deutsche Verbraucher, die generell unter hohen Mobilfunkpreisen leiden. Die Kappungsgrenzen im Ausland dürften vor allem bei unlimitierten Daten-Verträgen ins Spiel kommen.

Netzbetreiber müssen nun in LTE-Nachfolger investieren

Zudem waren Schlupflöcher in den Regeln zur Netzneutralität ebenfalls Teil des Kompromisses, mit denen die EU den Netzbetreibern entgegengekommen war. So gestatten etwa sogenannte Zero-Rating-Angebote den Telekom-Unternehmen, bestimmte Dienste vom monatlichen Datenvolumen auszunehmen. Dabei können sie ihre eigenen Angebote, beispielsweise Video-Plattformen, attraktiver auf dem Markt platzieren oder alternativ von der Konkurrenz Gebühren für die Besserstellung verlangen. Somit dürfte den Konzernen insgesamt genügend Spielraum bleiben, um nicht nur weiterhin Milliardengewinne zu schreiben, sondern auch zügig in den 5G-Ausbau zu investieren.

9 Ergänzungen

  1. Mit den doch recht kleinen Datenvolumen in deutschen Verträgen wird man im Ausland, wenn man kein „Zuhause-WLan“ zusätzlich hat, nicht sehr weit kommen und muss dann trotzdem den relativ teuren Traffic bei seinem heimischen Provider nachkaufen.
    In vielen Fällen ist es dann günstiger, sich vor Ort einen Datentarif zu holen. Ich nutze ein Handy mit 2 SIM Plätzen. So bleibt man flexibel.

    1. Solange sich auf dem deutschen Markt nichts zum Besseren wendet, wird es wohl so bleiben, egal ob man sich im In- oder Ausland aufhält. Wobei die Kommission immerhin angekündigt hat, innerhalb der nächsten Jahre zumindest die größeren europäischen Städte mit freiem WLAN ausstatten zu wollen. Sollte das klappen, dann wäre das wenigstens etwas.

    1. Haha, gut erkannt. Ich glaube, ein Foto seines Rucksacks mit draufliegendem Handy schwirrt auch noch irgendwo rum.

  2. Im Endeffekt haben sich die Telekoms durchgesetzt und den gesamteuropäischen Wettbewerb verhindert. Maximal 4 Monate im Ausland hat nichts mit „fair“ aber viel mit Protektionsmus zu tun. So fällt das Roaming zwar weg aber die hohen Handykosten bleiben. Überall fördert die Komission paneuropäischen Wettbewerb aber beim Mobilfunk sollen wir auf die nationalen Anbieter beschränkt bleiben.

    1. Die Sache ist die, dass es durchaus Länder mit *deutlich* geringeren Tarifen gibt wie Deutschland, ohne dass dabei die Versorgung oder die Qualität leidet. Chip hat das wohl gerade in Österreich untersucht und einen vernichtenden Vergleich mit Deutschland gezogen.

      Und wir müssen auch vorsichtig dabei sein, welche Art von Wettbewerb wir uns wünschen. So hat sich etwa die Kommission, oder zumindest Oettinger, große paneuropäische Telcos gewünscht, die dann auch auf dem Weltmarkt bestehen könnten. Das würde wohl zwangsläufig auf drei, vielleicht vier hinauslaufen, die in Europa unterwegs wären. Und wenn man in die USA schaut, dann will man so eine Situation sicher nicht hier auch haben.

      Generell ist das Thema aber recht kompliziert, da sich die Märkte in den EU-Mitgliedstaaten häufig sehr voneinander unterscheiden, von der Geographie über historische gewachsene Marktkonstellationen bis hin zur Kaufkraft der Bürger. IMHO sollte die Kommission in erster Linie sicherstellen, dass ausreichend Wettbewerb herrscht und dafür sorgen, dass möglichst viele Unternehmen, auch und vor allem kleinere, auf dem Markt bleiben. Deutschland zB könnte definitiv mehr davon vertragen.

  3. und nun bitte noch kostenneutrales inlands roaming gesetzlich festschreiben. dann wird das mobile internet langsam und das einloesen des wahlversprechens rueckt naeher..

  4. Man sollte vermeiden, dass es nur noch 3-4 große europäische Anbieter gibt. Denn dass schränkt den Wettbewerb auch wieder ein, und die Marktmacht der der großen würde zu stark werden. Sicherlich ist der Mobilfunk in D noch recht teuer.
    Aber man muss auch hier die Preise vergleichen. Ich verstehe Leute nicht die bei den 3 großen in D Verträge abschließen die im Monat 30-40€ kosten.
    Der Ottonormal-Verbraucher brauch doch kein 600-700€ Smartphone. Eines für 200-300 € würde es auch tun. Die Handysubventionierung schlägt sich natürlich auch auf den mtl. Grundpreis nieder.

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