Sieht man sich Europols Pläne für den Rest des Jahres 2016 zum besseren Informationsaustausch an, haben die meisten Punkte eines gemeinsam: mehr Daten, mehr Vernetzung zwischen den Daten und einfacherer Zugriff. Kurz: mehr Überwachungsmöglichkeiten.
Einheitliches Datenformat: Auf EU-Ebene umsetzen, was nicht einmal innerhalb Deutschlands funktioniert
Einer der Pläne für die Erleichterung des europäischen Informationsaustauschs ist die Entwicklung und Etablierung eines einheitlichen Datenformats, dem Universal Messaging Format (UMF 3). Verantwortlich für die Entwicklung von UMF 3 sind neben den Mitgliedstaaten: Europol, Frontex, Interpol und eu-LISA. Die Entwicklung soll insgesamt 1,6 Millionen Euro kosten, die zu 90 Prozent von der EU-Kommission aus Mitteln des Fonds für innere Sicherheit übernommen werden. Die Leitung für die Entwicklung von UMF 3 liegt beim Bundeskriminalamt in Deutschland, das technische Infrastruktur und personelle Ressourcen bereitstellt.
Bemerkenswert ist, dass mit UMF 3 ein einheitliches Datenformat für den Austausch von Daten zur Strafverfolgung in Europa entstehen soll. In erster Stufe soll mit einer einzigen Suche nach Feuerwaffen im Schengener Informationssystem für Personen- und Sachfahndung (SIS II), dem weltweiten Register für verlorene, gestohlene oder illegal gehandelte Schusswaffen (iARMS), Europol und den nationalen Datenbanken gesucht werden können. Deutschland aber scheitert seit Jahren daran, allein zwischen den deutschen Polizeibehörden ein Informationssystem zum Datenaustausch zwischen Bundes- und Landespolizeien zu etablieren.
Alles mit allem verknüpfen
Europol will außerdem den Zugriff auf die Daten aus dem Visa-Informationssystem VIS und Eurodac, einer Datenbank zur Speicherung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern, vereinfachen und beklagt die gesetzlichen Hürden, die bisher bestehen:
Da derzeit beide Datenbanken strenge Zweckbindungsregeln haben, die ihre Nutzbarkeit für Europol einschränkt, sollten die Bedürfnisse der Strafverfolgung angemessen berücksichtigt werden […]
Das Zusammenführen der Datenbanken entspricht auch den Wünschen der Bundesregierung. Im März gab es ein Papier des Bundesinnenministeriums, in dem gefordert wurde, ein zentralisiertes Kernsystem mit Personendaten und Fingerabdrücken zu schaffen. Übersetzt heißt das, vorerst die Datenbanken VIS, Eurodac und SIS II zu verbinden. Die Erweiterung um zusätzliche Module soll laut Innenministerium folgen, was beispielsweise Fluggastdaten beträfe.
Die Verwaltung der Großdatenbank läge dann bei eu-LISA, der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen. eu-LISA ist bereits heute für die Verwaltung der drei Einzelsysteme VIS, Eurodac und SIS II zuständig. Laut einem Ratsdokument aus dem Juni 2016, das uns vorliegt, wird bemängelt, dass Europol zwar auf alle diese Datenbanken zugreifen darf, aber noch wenig Gebrauch von SIS II mache. Daher sei man bestrebt, eine Lösung für Batch-Anfragen zu integrieren, damit das massenhafte Datenabfragen noch einfacher und attraktiver gestaltet wird.
Mehr Daten für das Europol-Informationssystem
Neben der Verknüpfung von VIS, Eurodac und SIS II soll mit SIS II auch „der bestmögliche Nutzen“ aus dem Europol-Informationssystem (EIS) und den „Arbeitsdateien zu Analysezwecken“ (AWF) gezogen werden. Was das heißt, ist nicht genauer erläutert, es muss davon ausgegangen werden, dass „bestmöglicher Nutzen“ mehr Daten sowie ein einfacherer Austausch und Zugriff bedeutet.
Die AWF werden in die beiden Bereiche Organisierte Kriminalität und Terrorismus unterschieden. In diesen beiden Bereichen bestehen noch Untergruppen, sogenannte Focal Points oder Schwerpunkte. In den AWF werden umfangreiche Datensammlungen geführt, inklusive Freitextfeldern für Zusatzinformationen.
Im EIS wird eine ständig steigende Zahl an Informationen gespeichert. Anfang 2016 sollen beispielsweise 7.700 „terroristisch relevante“ Einträge vorgelegen haben, eine Verdopplung gegenüber dem dritten Quartal 2015. Die Gesamtzahl an Datensätzen im Januar 2016 betrug 295.374, fast die Hälfte davon mit Bezug auf Drogendelikte und Raub. Terror und illegale Einwanderung, vielbemühte Argumente für Datenverknüpfung, spielen im EIS nur eine untergeordnete Rolle.
Deutschland ist fleißig, was die Dateneinspeisung in EIS angeht. Von den 236.000 Objekten, die im Januar 2015 in EIS gespeichert waren, stammten 54.000 Daten aus Deutschland.
Nutzer von EIS können prüfen, ob zu einem Datensatz Informationen im EIS vorliegen. Ist das Ergebnis positiv, kommen die AWF ins Spiel, in denen die Informationen zusammengeführt werden können. Ab dann wird der Nutzer automatisch informiert, wenn sich eine Angabe im Datensatz ändert. Wer sind die Nutzer von EIS und AWF? Praktisch alle europäischen Strafverfolgungsbehörden sollen nach Europols Plänen Zugriff haben, mindestens 16 Mitgliedstaaten der EU sollen automatisiert Daten aus ihrem nationalen Datenbanken in EIS einspeisen.
Fingerabdrücke, DNA, Gesichtsbilder: Mehr biometrische Daten für Europol
Darüberhinaus plant Europol, ein „Informationsaustausch-Partner“ im Prüm-Framework zu werden. Der Vertrag von Prüm wurde 2005 geschlossen und regelt die EU-weite Abfrage von DNA-Daten, Fingerabdrücken und Fahrzeugdaten. Für die Zukunft ist auch die Aufnahme von Gesichtsbildern in das Framework geplant, konkrete Vorschläge zur Umsetzung sollen 2017 vorgelegt werden. Bisher ist Europol nicht Teilnehmer am Informationsaustausch im Rahmen des Prüm-Frameworks, was sich in Zukunft ändern dürfte.
Vorangetrieben werden soll auch das ADEP-Projekt. ADEP steht für Automation of Data Exchange Process. Mit ADEP soll automatisiert und schnell herausgefunden werden können, ob in einem Mitgliedstaat eine Information vorliegt oder nicht. Danach geht der Informationsaustauschprozess seinen gewohnten Gang. Das BKA ist bei ADEP an der Anforderungsbeschreibung beteiligt und nimmt an einem Pilotverfahren teil. Laut einem Fahrplan des Vorsitzes des Rates der EU zur Verbesserung des Informationsaustauschs und des Informationsmanagements ist noch nicht abschließend klar, ob für die Einführung von ADEP eventuell rechtliche Änderungen nötig werden.
Einfacher automatischer Austausch eingestufter Informationen für das neue europäische Geheimdienstzentrum
Eine weitere anvisierte Maßnahme ist es, den Versand von als „vertraulich“ eingestuften Informationen über das SIENA-Netzwerk zu ermöglichen. SIENA ist ein verschlüsseltes Kommunikationsnetzwerk, über das bisher nur Dokumente niedrigerer Geheimhaltung verschickt werden dürfen. SIENA ermöglicht unter anderem den Datenaustausch im neuen geheimdienstlichen „Anti-Terror-Zentrum“ der EU, das am 1. Juli seine Arbeit aufgenommen hat.
Mit den kürzlich verabschiedeten deutschen Anti-Terror-Gesetzen darf auch das Bundesamt für Verfassungsschutz noch hemmungsloser Daten mit Geheimdiensten anderer Mitgliedstaaten austauschen, ganz automatisiert ohne gegenseitige amtliche Ersuche.
Datenschützer und Menschenrechtsorganisationen kritisierten das neue Gesetz. Sie sehen darin einen geheimdienstlichen Ringtausch und eine Aufhebung des informationellen Trennungsgebots ohne die Möglichkeit wirksamer parlamentarischer Kontrolle, was durch den internationalen Datenaustausch weiter erschwert wird.
Die Pläne von Europol sind wenig überraschend, sie verdeutlichen jedoch, wie stark sich Europols Kompetenzen ausweiten und welchen Einfluss das auch auf die einzelnen Mitgliedstaaten hat. Mit einer solchen Verknüpfung von Datenbanken wird die Kontrolle des Datenaustauschs quasi unmöglich.
Ja, Ja! Immer mehr Sicherheit überall, endlich! Alleine diesem Aktionismus nur zu beobachten macht einen Sprachlos vor Freude. Sehr kurz nach der Tat in Saint-Étienne-du-Rouvray hat Seehofer auf einer PK noch von der legendären Wirkung der Fußfessel geredet. Irgendwie habe ich aber nichts mehr davon gehört. Fehlt da nicht eine Datenbank für gefährdende Füße?