Cop-Culture auf Twitter und Facebook: Polizeien von Bund und Ländern erörtern Nutzung Sozialer Netzwerke

Mit Twitter gegen die polizeiliche Informationshoheit - Die Polizei schlägt nun zurück.
Mit Twitter gegen die polizeiliche Informationshoheit – Die Polizei schlägt nun zurück.

Beinahe alle Polizeibehörden der Bundesländer und des Bundesinnenministerium hatten sich im Frühjahr 2012 an einer „gremienübergreifenden Bund-Länder-Projektgruppe“ mit dem Titel „Soziale Netzwerke“ beteiligt. So geht es aus der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Berliner Linksfraktion des Abgeordneten Hakan Taş hervor.

Laut der Antwort waren auch „Vertreter verschiedener Gremien“ beteiligt. Benannt werden diese jedoch nicht. Zu den Aufgaben der Gruppe gehörte unter anderem eine Sachstandserhebung und Beschreibung bereits erfolgter polizeilicher Auftritte in Sozialen Netzwerken. Die Studie sollte Nutzungs- und Einsatzmöglichkeiten aufzeigen und Empfehlungen erarbeiten. Ziel war die Festlegung gemeinsamer, bundesweiter Standards.

Weitere Arbeitsgruppe zu rechtlichen Aspekten

Tatsächlich unterscheiden sich die Internetauftritte deutscher Polizeibehörden deutlich. Während etwa die Polizei in Frankfurt ihre Follower duzt und Versammlungen kommentiert, ist der Twitter-Account der Bundespolizei in Bayern äußerst zurückhaltend. Die Polizei Berlin nutzt Twitter auch für Durchsagen an Teilnehmende einer Versammlung.

Unter Leitung des Innenministeriums Rheinland-Pfalz nahmen auch das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster an der Gruppe teil. Sie unterstand einem Arbeitskreis der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, die schließlich ein Jahr später einen als Verschlusssache eingestuften Bericht erhielt.

Geprüft wurden auch rechtliche Aspekte der Nutzung Neuer Medien. Hierzu hatte die Bund-Länder-Projektgruppe eine Unter-Arbeitsgruppe „Recht“ eingesetzt, an der ebenfalls mehrere Bundes- und Landesbehörden beteiligt waren. Ziel war die Erarbeitung einer „in größtmöglichem Umfang konsensfähige Formulierung für eine vertretbare und soweit prognostizierbar gerichtsfeste Rechtsauffassung hinsichtlich der polizeilichen Nutzung Neuer Medien“.

Polizei Berlin startete eigene „Projektgruppe Neue Medien“

Leitfaden "Nutzung von Sozialen Netzwerken in der Berliner Verwaltung"
Leitfaden „Nutzung von Sozialen Netzwerken“

Laut der Antwort auf die Piraten-Anfrage ist die Nutzung von Twitter und Facebook durch einen Leitfaden geregelt, der Ende 2012 vom Innensenator herausgegeben wurde. Dort heißt es, dass etwa für Twitter „Accountmanagerinnen und -manager“ benannt werden müssten, die besonders autorisiert sein müssten.
Vor jedem Einsatz müsse festgelegt werden, zu welchen Themengebieten sich das „Accountmanagement“ äußern kann. Ohne Rücksprache dürften etwa bereits veröffentlichte Pressemeldungen und Veranstaltungshinweise verbreitet werden.

Auch „Sachinformationen“, die ohnehin täglich kommuniziert würden, könnten auf Twitter und Facebook platziert werden. Alle Aussagen gegenüber MedienvertreterInnen, die sich kritisch gegenüber dem „Verwaltungshandeln“ äußern, müssten aber nach Rücksprache mit Vorgesetzten erfolgen. Dies gelte auch für „Bloggerinnen und Blogger“. Weitere Hinweise für die private Nutzung von Sozialen Medien hat das Land Berlin in einer kleinen „Handlungsanleitung“ zusammengefasst.

Abschlussbericht der Projektgruppe "Neue Medien Polizei Berlin"
Abschlussbericht der Projektgruppe „Neue Medien“

Wesentlich aussagekräftiger ist aber die Arbeit einer „Projektgruppe Neue Medien“ der Polizei Berlin, die im Sommer 2013 eine Machbarkeitsstudie zur Anwendung sozialer Medien vorgelegt hat. Beteiligt waren neben zwei hauptamtlichen MitarbeiterInnen alle Dienststellenbereiche der Polizei Berlin, die Leitung oblag PressesprecherInnen der Polizei. Die Gruppe hatte den Auftrag, vor dem Auftritt in sozialen Netzwerken die beabsichtigten Ziele zu definieren und Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen zu machen.

Im Ergebnis werden die Polizeibehörden im Abschlussbericht der Projektgruppe aufgefordert, die Nutzung Sozialer Netzwerke „als sinnvolle Ergänzung zu ihrer Informations-, Ermittlungs- und Fahndungsarbeit“ auszubauen. So könnten Medien wie Twitter, Facebook oder Youtube zur Nachwuchsgewinnung genutzt werden. Im Bereich der „Gewalt-, Drogen-, und Verkehrsunfallprävention“ könnte die Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen gut erreicht werden.

Forschung zur Nutzung Sozialer Medien durch Spezialeinheiten

Eine „ständige Marktbeobachtung“ soll sicherstellen, dass die Polizei nicht den Anschluss an neue Entwicklungen verliert. Dies solle auch bei der Sicherheitsforschung berücksichtigt werden. So hatte beispielsweise die Hochschule der Polizei im vergangenen Jahr eine Umfrage in Bund und Ländern zur Relevanz Sozialer Medien für die „Bewältigung von Einsatzlagen der Schwerkriminalität“ gestartet. Im Anschluss startete die Polizeihochschule das Forschungsprojekt SCARSOME („Serious Crime And the Role of SOcial Media“), das die Nutzung Sozialer Medien durch Spezialeinheiten der Polizei untersucht. Die Forschungsergebnisse unterliegen dem Geheimhaltungsgrad VS-NfD.

Außer dem „Informationsmanagement“ könnten Soziale Netzwerke auch zur Öffentlichkeitsfahndung genutzt werden. Was Facebook angeht müssten Fahndungsaufrufe und –fotos jedoch auf Webseiten der Polizei gepostet werden, auf die bei Facebook verwiesen wird. Weil Soziale Netzwerke auch zur Begehung von Straftaten genutzt würden und „Gefahren begünstigen“, müssten die Möglichkeiten zur Recherche und Beweissicherung bei Ermittlungen ausgebaut werden. Allerdings wird nicht gesagt, ob dies mit technischen Mitteln oder der Kooperation mit den Anbietern erfolgen könnte.

Schließlich werden in dem Berliner Bericht auch eine Reihe gemeinsamer Standards empfohlen:

  • Die Nutzung sozialer Netzwerke muss einer Strategie folgen. Darin sind Ziele, Zielgruppen, Plattformen, Nutzungsumfang sowie Aussagen zum Personaleinsatz und der Aus- und Fortbildung zu beschreiben.
  • Die aktive polizeiliche Nutzung Sozialer Netzwerke erfordert Regelungen (Social Media Guidelines) zur Kommunikation und Darstellung der Polizei. Für die Nutzung sozialer Medien im Privatbereich sind Verhaltensregeln und Hinweise für Polizeibeamtinnen und -beamte zu erstellen.
  • Die professionelle Nutzung sozialer Netzwerke insbesondere zu Aufklärung, Ermittlungen und Öffentlichkeitsfahndung setzt Handlungsanleitungen voraus.
  • Die Nutzung sozialer Netzwerke insbesondere zur Öffentlichkeitsfahndung muss datenschutzkonform erfolgen. Dazu bietet sich insbesondere die Möglichkeit des Inlineframing und der Linklösung an.

Berlin könnte Polizei-App entwickeln

"Allgemeine Hinweise zum Umgang mit sozialen Medien" für Bedienstete der Berliner Polizei
„Allgemeine Hinweise
zum Umgang mit sozialen Medien“ für Bedienstete der Berliner Polizei

In Berlin nutzt die Polizei zwei Twitter-Accounts für die allgemeine polizeiliche Arbeit sowie für größere Einsätze. Dort wird den Followern auch geantwortet. Auch dies müsse laut dem Leitfaden klar geregelt sein. So müssten NutzerInnen „im Idealfall noch an dem Tag der Erstellung“ ihrer Tweets an die Polizei eine Antwort erhalten, bei dringlichen Fragen sogar „in einem entsprechend verkürzten Zeitraum“. Spätere Reaktionen könnten ansonsten „möglicherweise eine negative Außenwirkung entfalten“.

Eine Verhaltensrichtlinie soll definieren, wie nach außen kommuniziert werden soll. Dabei soll klar zwischen dienstlichen und privaten Belangen und Meinungen unterschieden werden. Auch an die dienstliche Verschwiegenheitspflicht wird erinnert. Die Bediensteten müssten geschult werden, welche Inhalte nicht verbreitet werden dürfen. Hierzu gehören etwa personenbezogene Daten oder „illegale Inhalte“. Schließlich müssten sich die Twitter-Cops auch an die „Netiquette“ halten.

Zu den Vorschlägen der „Projektgruppe Neue Medien“ für den Auftritt im Internet gehört die Programmierung einer „Applikation Polizei Berlin für mobile Endgeräte“. Während der Start von Accounts bei Twitter und Facebook vergleichsweise wenig Investitionen erfordert, werden für die Programmierung der Polizei-App 60.000 Euro veranschlagt. Möglicherweise wird die Polizei auch bald ihren bereits eingerichteten, aber noch nicht genutzten Youtube-Account in Betrieb nehmen.

10 Ergänzungen

  1. Spätestens seit dem Arabischen Frühling ist der Exikutive die Macht von Twitter & Co bewusst geworden. Die „neuen“ Medien auch für eigene Zwecke zu verwenden ist da nur ein nächster Schritt. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Film
    „Freiheit fürs Internet – Vernetzt gegen die Zensur“
    unter
    https://vimeo.com/133328228

    Der Arabische Frühling zeigte, dass die Möglichkeiten von Bürgern, sich im Kampf gegen ihre Regierung zu verbünden, im Zeitalter des Internets besser denn je sind. Doch auch die Zensoren rüsten längst technisch auf.
    Infolgedessen erforschen Wissenschaftler und Computerfreaks immer neuere Methoden, staatliche Zensur zu umgehen – und benutzen dazu die kommunikationstechnische Infrastruktur demokratischer Staaten. Die USA entwickeln ein „Internet im Koffer“, um Menschen einen Zugang zum Internet zu gewähren, denen dieser gekappt wurde.

    Gleichzeitig entwickeln US-Militärs aber auch „Jamming“-Methoden, also elektronische Störmaßnahmen. Es steht also zu befürchten, dass die Machthaber künftig nicht nur auf Zensur und Abschottung setzen, sondern sich zudem der Macht des Internets bedienen, indem sie Informationen manipulieren, Blogger bezahlen und ähnliches.

    Nur wer sich informieren kann, weiß Bescheid – nur wer sich äußern kann, wird gehört

  2. Spätestens seit dem Arabischen Frühling ist der Exikutive die Macht von Twitter & Co bewusst geworden. Die „neuen“ Medien auch für eigene Zwecke zu verwenden ist da nur ein nächster Schritt. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Film
    „Freiheit fürs Internet – Vernetzt gegen die Zensur“
    unter
    https://vimeo.com/133328228

    Der Arabische Frühling zeigte, dass die Möglichkeiten von Bürgern, sich im Kampf gegen ihre Regierung zu verbünden, im Zeitalter des Internets besser denn je sind. Doch auch die Zensoren rüsten längst technisch auf.
    Infolgedessen erforschen Wissenschaftler und Computerfreaks immer neuere Methoden, staatliche Zensur zu umgehen – und benutzen dazu die kommunikationstechnische Infrastruktur demokratischer Staaten. Die USA entwickeln ein „Internet im Koffer“, um Menschen einen Zugang zum Internet zu gewähren, denen dieser gekappt wurde.
    Gleichzeitig entwickeln US-Militärs aber auch „Jamming“-Methoden, also elektronische Störmaßnahmen. Es steht also zu befürchten, dass die Machthaber künftig nicht nur auf Zensur und Abschottung setzen, sondern sich zudem der Macht des Internets bedienen, indem sie Informationen manipulieren, Blogger bezahlen und ähnliches.
    Nur wer sich informieren kann, weiß Bescheid – nur wer sich äußern kann, wird gehört

  3. Ich werde wohl nie so richtig nachvollziehen können warum Arbeitspapiere der öffentlichen Institutionen Deutschlands, warum diese überhaupt einer Geheimhaltung unterliegen sollten.

    Sicherlich gibt es auch von seiten der Bürger Bedarf die eigenen Reaktionen zu drosseln und nicht hinter allem gleich das schlimmste zu befürchten. Aber gerade hier ist Geheimhaltung die Ursache und nicht die Lösung des Problems.
    Je mehr solcher Unterlagen veröffentlicht werden, je eher kann sich auch eine Kompetenz bei Bürgern für deren Inhalte aufbauen.
    Und ist es nicht gerade der Staat der uns auch immer sagt: Wenn Ihr nichts zu verbergen habt dann habt Ihr auch nichts zu befürchten. Im Umkehrschluss müßten wir uns aber vor jeder Geheimhaltung des Staates fürchten!

  4. Wenn Sie den Begriff „Cop Culture“ nach Rafael Behr, einem äußerst kritischen Polizeiwissenschaftler, beutzen, dann doch bitte im richtigen Kontext. Dabei ist die „gelebte Polizeikultur“ nebst all ihren Problemen gemeint. Gerade bei einer kritischen Darstellung polizeilichen Handelns sollte man nicht mit solchen Vokabeln um sich werfen, weil sie sich cool anhören.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.