IFG-Absage des Tages: Kanzleramt hat keine Kontrolle über Terminkalender von Angela Merkel

CDU-Medianight, Fotocredit AEDT

Das Bundeskanzleramt vertritt unter Angela Merkel im Bereich Urheberrecht(sdurchsetzung) eine Linie, die vor allem die Interessen der sogenannten Content-Lobby vertritt. Leistungsschutzrecht und ACTA sind nur zwei Debatten, die das sehr anschaulich verdeutlichen.

Wir wollten im September 2014 mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes wissen, welche Entscheidungsträger des Bundeskanzleramts sich wann mit „Interessensgruppen der sogenannten Content-Lobby“ getroffen haben oder Kontakt hatten.

Wir fragten explizit und eingeschränkt nach:

– Zeitrahmen: diese Legislaturperiode,
– Mitarbeiter des Kanzleramts: Bundeskanzlerin, Chef des Bundeskanzleramtes, Staatsminister/innen, Staatssekretär/innen, Abteilungsleiter/innen und sämtliche Mitarbeiter/innen des Referats 421 „Industrie; Innovation; IT und Kommunikation; Post; Regionale Wirtschaftspolitik“ und der Gruppe 3 „Medien und Film, Internationales“ bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien,
– Vertreter des Axel-Springer-Verlages, VPRT, RTL, Sky, Vertreter der vielfältigen Filmindustrie-Organisationen, Deutsche Content-Allianz, Bundesverband Musikindustrie, IFPI, BDZV,

Ende Oktober bekamen wir eine Antwort (ausnahmsweise mal fristgerecht). Die Antwort war: (PDF)

1. Treffen der Bundeskanzlerin mit Vertretern des Axel-Springer-Verlags am 20.02.2014 während des Welt-Tarifforums;
2. Treffen der Bundeskanzlerin mit Vertretern des Axel-Springer-Verlags am 19.03.2014 beim Welt-Wirtschaftsgipfels;
3. Gespräch der Bundeskanzlerin mit Axel (sic) Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, am 5. Mai 2014.

Der Herr Vorstandsvorsitzende wird vielleicht demnächst in Axel Springer umbenannt, der Vorname ist ja bereits angepasst.

Auch beim mehrmaligen Lesen fanden wir in der Antwort auf unsere Anfrage keine weiteren Treffen mit weiteren Vertretern, nach denen wir explizit gefragt hatten. Stattdessen gab es nur eine Formulierung:

Ergänzend weise ich auf Folgendes hin: Das Bundeskanzleramt steht mit allen Vertretern der digitalen Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft und Netzgemeinde im Austausch. Darunter fallen auch auf Ebene des zuständigen Fachreferats Gespräche sowie Telefonate mit Vertretern u. a. von Unternehmen, Forschungsinstitutionen, Bürgerinitiativen, Vereinen, Gewerkschaften und Verbänden. Eine Erfassung entsprechender Daten erfolgt jedoch nicht; eine diesbezügliche Auskunft ist folglich nicht möglich.

Das wunderte uns mehrfach. Eine Recherche bei zahlreichen Vertretern der digitalen Zivilgesellschaft und „Netzgemeinde“ ergab, dass sich niemand an einen Kontakt oder Austausch in diesem angefragten Zeitraum mit dem Bundeskanzleramt bzw. dem angefragten Personenkreis im Bundeskanzleramt erinnern konnte. Und an ein Treffen mit Angela Merkel würden sich die meisten wohl erinnern. Vielleicht meint das Kanzleramt aber auch, dass es ausreicht, wenn der Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben, Peter Altmaier, auf Twitter ist – auch wenn er dort nicht mehr wirklich mit Personen interagiert, die zu der benannten Zielgruppe gehören könnten. Mit einer einfachen Suchmaschinen-Anfrage fanden wir aber viele gemeinsame Termine von Angela Merkel und Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, mit Vertretern der angefragten Lobbys, z. B. im Rahmen von deren zahlreichen Lobby-Events in Berlin.

Warum gab es als Antwort nur drei Termine mit Vertretern des Axel-Springer-Verlages?

Wir haben selbstverständlich mit unserem Anwalt Ansgar Koreng von JBB Widerspruch eingelegt, u. a. mit Verweis darauf, dass man im Netz viel mehr gemeinsame Treffen findet als man uns mitgeteilt hat. Nach einigen Monaten haben wir jetzt endlich eine Antwort erhalten. Die ist weiter negativ. Für die Beauftragte für der Bundesregierung und Kultur und Medien fühlt man sich nicht zuständig, das sei eine eigene Bundesbehörde. Wir haben selbstverständlich parallel dieselbe Anfrage an das BKM gestellt. Deren Antwort war (PDF):

„Eine solche Liste wird im BKM nicht geführt“. [….] Ich bitte um Verständnis, dass ein Informationszugang in Ihrem Fall daher leider nicht möglich ist.“

Aber zurück zum Bundeskanzleramt, das ja nochmal begründen musste, warum sie nur dreimal Springer nannten:

Im Bundeskanzleramt wurde aufgrund der Vorgaben aus dem Antrag Ihres Mandanten eine umfassende Recherche durchgeführt. Dabei wurden keine Hinweise auf weitere Gesprächstermine und Kontakte, als die drei im Ausgangsbescheid aufgeführten Termine ermittelt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurden die zuständigen Fachreferate erneut angeschrieben und gebeten, die in Betracht kommenden Akten auf einschlägige Informationen zu überprüfen. Diese Suche blieb ebenfalls ergebnislos.

Aber es wurde natürlich noch kafkaesker.

Die von uns in unserem Widerspruch erwähnten Sommerfeste mit Auftritten von Angela Merkel wurden über das BKM organisiert, deshalb habe man keine dokumentierten Informationen:

Auch zu den von Ihnen im Widerspruchsbescheid angeführten öffentlichen Auftritten der Bundeskanzlerin liegen im Bundeskanzleramt keine für Ihren Antrag einschlägigen amtlichen Informationen vor. Die Vorbereitung für die Teilnahme der Bundeskanzlerin beim Zeitungskongress des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. am 29. September 2014 und der Veranstaltung zum 30jährigen Jubiläum des privaten Rundfunks im Rahmen des VPRT-Sommerfestes am 9. September 2014, erfolgte durch BKM. Dem Bundeskanzleramt liegen daneben keine dokumentierten Informationen über Gespräche oder sonstige Kontakte vor.

Mit anderen Worten: Das Bundeskanzleramt weiß leider von nichts und hat keine Infos. Aber wir könnten ja mal deren Webseite schauen, vielleicht gibt es da ja mehr, wie sie uns allen Ernstes noch empfahlen:

Ungeachtet dessen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass öffentliche Termine der Bundeskanzlerin regelmäßig im Internet, insbesondere auf der Internetseite der Bundeskanzlerin unter www.bundeskanzlerin.de, veröffentlicht werden. Ihrem Mandanten ist es daher möglich und zumutbar, sich über öffentliche Termine der Bundeskanzlerin aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Insoweit ist der Antrag Ihres Mandanten daher hilfsweise auch gem. § 9 Abs. 3 IFG abzulehnen.

Auf bundeskanzlerin.de finden sich natürlich die Auftritte von Angela Merkel auf den beiden genannten Sommerfesten. Nicht erwähnt wird dort übrigens, dass es selbstverständlich auf den zahlreichen Lobbyfesten und sonstigen Veranstaltungen im politischen Berlin zu weiteren Treffen kommt, wovon dieses Foto von der CDU-Medianight in diesem Zeitraum nur ein Beweis ist. Aber da würde man sich sicher damit rausreden, dass sie dort in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzender neben Friede Springer saß.

Fazit: Closed-Government – Sind diese (Nicht-)Auskünfte jetzt bösartig oder lediglich ein Ausdruck von Unfähigkeit?

Im Kern begründet das Kanzleramt die Zurückweisung des Widerspruchs mit dem Argument, dass man leider keinen Überblick über die Termine der Kanzlerin hat und auch nicht genau weiß / wissen will, was entscheidende Funktionsträger machen und mit wem sie sich treffen.

Man kann den Bescheid jetzt so verstehen, dass das Kanzleramt nicht wusste, dass die Kanzlerin auf dem VPRT-Sommerfest im September 2014 war. Dabei hätte ein Blick auf bundeskanzlerin.de geholfen. Warum diese Daten nicht vorliegen und unsere Anfrage korrekt beantwortet werden konnte, weiß nur das Bundeskanzleramt. Wir können nur spekulieren: Entweder ist die Nicht-Antwort bösartig motiviert und man möchte einfach nicht auf solche aus unserer Sicht legitimen Informationsfreiheitsanfragen antworten. Oder das Bundeskanzleramt sowie das BKM sind unfähig, vernünftige Kalender zu führen. Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde.

Nicht richtig antworten, aber Geld dafür haben wollen!

Diese (Nicht-)Auskunft kostet uns übrigens dreißig Euro, die das Bundeskanzleramt für seine aufwändigen (Nicht-)Recherchen haben möchte. Wer uns bei der Bezahlung unterstützen möchte, kann gerne einen Teilbeitrag spenden.

Wir würden eine Regierung bevorzugen, die offen und transparent mit ihren Lobbykontakten umgeht und diese ihren Bürgern auch nennen kann. Zumal, wenn zahlreiche Termine von Lobbygruppen auf ihren eigenen Seiten damit beworben werden, dass man eigene Positionen an unsere Spitzenpolitiker übermittelt haben konnte. Wenn man sich die Politik von Bundeskanzleramt und der Beauftragten für der Bundesregierung und Kultur und Medien in diesem Politikfeld anschaut, dann waren die Lobby-Bemühungen in der Regel leider erfolgreich.

In den Vereinigten Staaten wird eine heftige Diskussion um die Dokumentation der Kommunikation der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton geführt, die als Amtsträgerin ihr Tun selbstverständlich zu dokumentieren hat. Von einer deutschen Bundeskanzlerin kann man wohl erwarten, dass ihr Amt einen Überblick hat, auf wessen Hochzeiten sie tanzt. Wir leben schließlich nicht mehr in einer Monarchie, sondern in einer modernen, transparenten Demokratie – zumindest theoretisch.

3 Ergänzungen

  1. @ Markus Beckedahl

    Zwei Gedanken:

    – Das nennt sich „plausible deniability“. Plausibel abstreiten zu können, etwas zu wissen bzw. gewusst zu haben, ist ein Grundprinzip im (schmutzigen) Politgeschäft. Natürlich ist man intern über die Termine von Angela Merkel informiert, sonst könnte sie ihren eng gestrickten Terminkalender nicht absolvieren.

    – Die Lobbyisten großer Verbände aus der Wirtschaft gehen z.B. in Ministerien ein und aus. Man stelle sich mal vor, die Digitale Gesellschaft könnte mal eben so zahlreiche Treffen mit hochranigen Ministerialbeamten arrangieren und teilweise eigene Positionen in Regelungsvorhaben unterbringen. Genau das machen große Lobbyverbände täglich.

    1. Wollte auch gerade vorschlagen: DigiGes und CCC sollten Fr. Dr. Merkel einfach mal zu einem Kongress einladen, mit einem verlockend klingenden Thema wie „Europa im Umbruch: Chancen der Digitalisierung für Wirtschaft und Behörden“. Sollte es klappen, diskutiert man dort exakt das – nur etwas realitätsbezogener.

  2. Schröder als Kanzler wars, der diesen Satz prägte: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, Bams (Bild am Sonntag) und Glotze.“

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