Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten und Tunesien – Verschlossene Augen vor Menschenrechtsverletzungen

Ägyptische paramilitärische Polizei – soll mit Hilfe Deutschlands mehr über Grundsätze rechtsstaatlichen Handels lernen – CC BY-SA 2.0 via wikimedia

Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von den Linken hat die Bundesregierung zur Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten und Tunesien befragt. Mit beiden Ländern besteht bereits seit längerem Austausch zwischen den Polizei- und Sicherheitsbehörden, so lieferte beispielsweise das deutsche Innenministerium die Software „i2 Analyst’s Notebook“ an die tunesische Regierung und das BKA schulte kurz vor den Revolten des Arabischen Frühlings die Beamten der Geheimpolizeien in Ägypten und Tunesien in effektiverer Internetüberwachung.

Es soll jedoch mit einem Abkommen eine weitere Kräftigung der Zusammenarbeit entstehen, zur …

… Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung, Verhütung und Aufklärung von Straftaten der organisierten und der schweren Kriminalität, des Terrorismus sowie im Bereich der technischen Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

Vormals waren die Verhandlungen auf Eis gelegt worden, da seitens der Bundesregierung Zweifel an der politischen Stabilität bestanden hätten, die man „genauer evaluieren“ wollte. Jetzt wurden die Verhandlungen offensichtlich wieder aufgenommen und man stellt sich zurecht die Frage, wie man zur Einschätzung gekommen ist, dass trotz der augenscheinlich defizitären Menschenrechtssituation in Ägypten und Tunesien diese Länder geeignete Kooperationspartner sein sollen.

Man begründet am Fall Tunesiens, dass ein „Unterstützungsbedarf der tunesischen Sicherheitsbehörden bei ihrer Entwicklung zu rechtsstaatlichen und professionell arbeitenden Behörden“ bestehe. Dafür enthalte das geplante Abkommen „Regelungen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität und des Terrorismus sowie über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration und des Katastrophenschutzes“. In Ägypten verfüge man „nicht über die notwendige Ausrüstung, um die speziellen Herausforderungen des Anti-Terrorkampfes erfolgreich zu bewältigen. Die Sicherheitskräfte befinden sich noch in einem Lern- und Anpassungsprozess. […] Schlechte Ausbildung und Ausrüstung sowie Unkenntnis über Handlungsoptionen und Grundsätze rechtsstaatlichen Handels sind häufig Ursache für Fehlverhalten, das durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit eingedämmt werden kann.“

Alle Details der bestehenden und geplanten Zusammenarbeit mit den beiden Ländern werden jedoch in der Antwort der Bundesregierung nicht verraten. Man erwähnt zwar Fortbildungen und Seminare, die Bundespolizei, BKA, BND und der Bundesverfassungsschutz in Tunesien abhielten – beispielsweise vom BKA zur Telekommunikationsüberwachung und „sonstiger akustischer und visueller Überwachung“ – weitere Informationen über die Geheimdienstzusammenarbeit seien „unter dem Aspekt des Schutzes der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten geheimhaltungsbedürftig“ und daher nur in einem als Verschlusssache eingestuften Teil der Antwort einsehbar.

Die Bundesregierung verschließt mit ihren geäußerten Zielen, man wolle den beiden Staaten zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung verhelfen, die Augen davor, dass die Fähigkeiten und Technologien, die durch die Zusammenarbeit exportiert und transferiert werden, genau für das Gegenteil genutzt werden können. Anhand des Handelns der beiden Länder in der Vergangenheit kann nicht daran geglaubt werden, dass dieser Fall nicht eintritt.

In den beiden Ländern kam es bereits des Öfteren zu Vorfällen, bei denen regierungskritische und oppositionelle Aktivisten, Blogger und Journalisten verhaftet wurden. Besonders Ägypten kam in jüngster Zeit dadurch in die Schlagzeilen, dass es falsche Profile in dem von Homosexuellen genutzten Dating-Netzwerk Grindr anlegte, um deren Aufenthaltsort zu ermitteln.

Lehrgänge zur polizeilichen Auswertung des Internets durchzuführen trägt in einem so gelagerten Fall dazu bei, Repression gegen Regimekritiker noch effektiver zu gestalten. Aber die Bundesregierung ignoriert das und entgegnet, sie spreche ja „regelmäßig mit der ägyptischen Regierung über Menschenrechtsfälle, darunter auch Fälle von verfolgten Bloggern und Aktivisten“. Von der Ausnutzung ihrer Techniken, beispielsweise im oben angesprochenen Grindr-Fall, wisse man nichts, man prüfe beständig den „bestimmungsgerechten und rechtsstaatlichen Maßstäben entsprechenden“ Einsatz. Kein Wunder, wenn man sich primär mit den Tätern unterhält, wird man wenig Anderslautendes erfahren.

Auch Andrej Hunko zweifelt an der Eignung dieser Prüfmethoden:

Diesem Dialog vertraue ich aber in keinster Weise. Ein Gespräch mit Nichtregierungsorganisationen würde Hunderte Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Justizwillkür zutage fördern. Es wundert mich also nicht, dass die Bundesregierung auch nichts über die Verfolgung Homosexueller durch das Ausspähen des Internet in Erfahrung bringen konnte.

Die Haltung und Kollaboration der Bundesregierung tritt die Bemühungen derjenigen mit Füßen, die versuchen, in autoritären Regimes Widerstand zu leisten und sich dadurch großer Gefahr aussetzen. Sie bringt all diejenigen noch mehr in Gefahr, die auf den Schutz größtmöglicher Anonymität angewiesen sind, indem sie den Sicherheits- und Polizeibehörden Werkzeuge an die Hand geben, diese zu brechen. In Eigeninteresse mehr Einblick in die Sicherheitssituation der geographischen Region zu erlangen, die laut Bundesregierung unter anderem einen „Anlaufpunkt für radikale Islamisten“ darstellt, kann demgegenüber keine Kollaboration rechtfertigen.

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