Keine Probleme mehr mit Internetzugang! 100% Breitband für Europa!? Alles Definitionssache …

scoreboard_2014 - digital divide infographics_579695 von 101 Digitalzielen aus der Digitalen Agenda können voraussichtlich bis 2015 erreicht werden – so feiert die EU-Kommission ihren Fortschrittsanzeiger 2014 zur Digitalen Agenda von 2010 bei dessen heutiger Vorstellung. Die Zahl der regelmäßigen Internetnutzer betrage mittlerweile 72% in Europa, auch bei den Benachteiligten – „Arbeitslose, Menschen mit geringer Bildung und ältere Bürger“ – liegt man bei 57%. Als Erfolg verbucht man auch, dass mehr online eingekauft wird. Dass dabei der Einzelhandel gleichzeitig zu schaden kommt, wird im digitalen Rausch einfach ausgeblendet.

Aber vor allem rosige Zeiten für das schnelle Internet verspricht uns die Vize-Kommissionspräsidentin Neelie Kroes:

Das Problem des Internetzugangs haben wir gelöst.

Auch der Absatz „Zugang gesichertaus der Pressemitteilung stimmt optimistisch:

100 % der Europäer haben nun Zugang zu einem Breitbandnetz, meistens mit mehreren Wahlmöglichkeiten (Glasfaser, TV-Kabel, ADSL oder 3G/4G-Mobilfunk), zumindest aber steht allen Europäern eine erschwingliche Zugangsmöglichkeit zu einem breitbandigen Satellitendienst zur Verfügung.

 

Sind jetzt alle Unkenrufe, die Deutschland als Schmalband-Republik dargestellt haben, überholt? Bewegen wir uns jetzt zusammen mit all unseren europäischen Nachbarn mit ungezügelter Geschwindigkeit auf der Datenautobahn? Wohl kaum. Der Teufel steckt im Detail der Definition. 100 % Breitband klingen super – aber Breitband ist nicht gleich Breitband.

Ein Großteil davon entfällt auf 3G/4G-Mobilfunk-Versorgung. Wobei vor allem beim 3G-Mobilfunk kein überzeugend zeitgemäßes Breitbandgefühl aufkommen will. UMTS wartet mit ganzen 384 kBit/s Downloadrate auf, aber selbst die bekommt man wenn man ehrlich ist nur wenn man direkt am Funkmast und allein in der Funkzelle unterwegs ist. „Echtes“  Festnetz-Breitband mit mindestens 30 Mbit/s geht anders, das gibt es nur für 62% der Europäer, in ländlichen Gegenden sogar nur für 18% der Bevölkerung.

Das Problem hat übrigens auch Jens Koeppen. der Vorsitzende des Ausschusses „Digitale Agenda“ schon angesprochen, für Deutschland will er 50 Mbit/s, auch in der Uckermark, seiner Heimat. Doch nicht nur die Uckermark, auch der Rest von Gesamtdeutschland steht im europäischen Vergleich nicht allzu gut da und man befindet sich im hinteren Drittel, wenn es um schnelle Internetanbindung geht:

broadband_eu

Davon, dass das „Problem des Internetzugangs gelöst“ ist, sollte man also im Moment noch nicht so vollmundig reden.

Ein anderer Punkt, der beim Erreichen der Digitalen Agenda noch schwächelt, ist der Bereich des eGovernments. Angestrebt ist laut Plan, dass durchschnittlich 50% der Bürger online mit öffentlichen Stellen kommunizieren sollen. Momentan befindet man sich bei 42%, aber die Zahl stagniert und gehen in manchen Ländern sogar zurück, in Deutschland sank der Anteil zwischen 2012 und 2013 um zwei Prozent auf (immer noch überdurchschnittliche) 49%.

An manchen Stellen lobt man sich sicherlich zu früh und zu sehr, aber eines muss man der EU-Kommission lassen: Im Gegensatz zu Deutschland gibt es eine konkrete Digitale Agenda. Hier gibt es zwar mittlerweile einen im Verborgenen tagenden Ausschuss und eine peinlich missglückte Vorstellung auf der CeBIT, konkrete Inhalte gibt es dann vielleicht nach einem Kabinettsbeschluss im Sommer. Wir warten …

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2 Ergänzungen

  1. Ach ist doch egal ob das ganze 30 oder 50Mbit/s hat. Wenn es im Upload nur 128kbit/s hat ist es halt immer noch wie BTX – Fernsehen. Ich höre irgendwie nix von symmetrisch.

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