Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten: Jetzt auch in Europa

In der Europäischen Union sollen zukünftig umfangreiche Daten aller Flug-Reisenden gespeichert werden. Darauf haben sich die Innenminister der Mitgliedstaaten gestern verständigt. Fünf Jahre lang sollen diese Daten direkt in staatlichen Datenbanken gespeichert werden.

Erst letzte Woche hat das EU-Parlament ein Abkommen beschlossen, mit dem nach Australien und Kanada nun auch die USA die Fluggastdaten aller Passagiere der Flüge in, aus oder über ihre Länder erhalten. Das wurde damit begründet, dass man keine Wahl habe und die USA mit ernsthaften Konsequenzen drohten. Jetzt will die EU das auch.

Kommission will umfangreiche Daten speichern

Bereits Anfang letzten Jahres hat die EU-Kommission eine Richtlinie zur Verwendung von Fluggastdatensätzen vorgeschlagen, die bisher aber nicht wirklich voran kam. Die Richtlinie von Innenkommissarin Cecilia Malmström sieht vor, dass von allen Flügen aus oder in die EU folgende Daten für fünf Jahre gespeichert werden:

  1. PNR-Buchungscode (Record Locator)
  2. Datum der Buchung/Flugscheinausstellung
  3. Planmäßiges Abflugdatum bzw. planmäßige Abflugdaten
  4. Name(n)
  5. Anschrift und Kontaktangaben (Telefonnummer, E-Mail-Adresse)
  6. Alle Arten von Zahlungsinformationen einschließlich Rechnungsanschrift
  7. Gesamter Reiseverlauf für eine bestimmte Buchung
  8. Vielflieger-Eintrag
  9. Reisebüro/Sachbearbeiter
  10. Reisestatus des Fluggastes mit Angaben über Reisebestätigungen, Eincheckstatus, nicht angetretene Flüge (No show) und Fluggäste mit Flugschein, aber ohne Reservierung (Go show)
  11. Angaben über gesplittete/geteilte Buchungen
  12. Allgemeine Hinweise (einschließlich aller verfügbaren Angaben zu unbegleiteten Minderjährigen unter 18 Jahren, wie beispielsweise Name und Geschlecht des Minderjährigen, Alter, Sprache(n), Name und Kontaktdaten der Begleitperson beim Abflug und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu dem Minderjährigen steht, Name und Kontaktdaten der abholenden Person und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu dem Minderjährigen steht, begleitender Flughafenmitarbeiter bei Abflug und Ankunft)
  13. Flugscheindaten (Flugscheinnummer, Ausstellungsdatum, einfacher Flug (One-way), automatische Tarifanzeige (Automated Ticket Fare Quote fields)
  14. Sitzplatznummer und sonstige Sitzplatzinformationen
  15. Code-Sharing
  16. Vollständige Gepäckangaben
  17. Zahl und Namen von Mitreisenden im Rahmen einer Buchung
  18. Etwaige erweiterte Fluggastdaten (API-Daten)
  19. Historie aller Änderungen in Bezug auf die unter den Nummern 1 bis 18 aufgeführten PNR-Daten.

Im Gegensatz zur Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdiensten, die bei den Providern gespeichert werden, sollen die Fluglinien diese Daten direkt an eine staatliche Behörde übertragen, die als PNR-Zentralstelle fungiert. Diese ist für Speicherung, Verarbeitung und Austausch der Daten verantwortlich und kann die Daten „sowohl proaktiv als auch in Echtzeit verwenden“. Die Verarbeitung kann automatisiert erfolgen, was wohl einer Rasterfahndung entspricht.

Innenminister wollen noch mehr

Gestern haben die Innenminister der EU-Staaten auf ihrer Ratssitzung diesen Vorschlag angenommen und nochmal erweitert. Die Daten sollen für fünf Jahre gespeichert werden, aber die Kommission will nach einem Monat „Datenelemente unkenntlich [machen]“. Die Innenminister wollen die Frist bis zu dieser „Maskierung“ (nicht Anonymisierung) auf zwei Jahre erweitern.

Weiterhin sollen auch Flüge innerhalb der EU einbezogen werden. Die Richtlinie von Malmström bezog sich auf Flüge in die oder aus der EU. Unter anderem Frankreich, Großbritannien und Spanien wollen aber auch alle Binnenflüge aufnehmen. Die Innenminister wollen daher den Staaten selbst überlassen, ob sie alle Flüge in Europa speichern wollen.

Diese Datenberge sollen dann gegen Terrorismus und schwere Kriminalität genutzt werden dürfen. Die Innenminister haben einen Katalog von 20 Straftaten angehängt, was sie unter schwerer Kriminalität verstehen. Darunter zählen sie beispielsweise:

  • Drogenhandel
  • Betrug
  • Geldwäsche
  • Cyberkriminalität
  • Umweltkriminalität
  • Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt
  • Dokumentenfälschung

Diese Verschärfungen wurden mit deutlicher Mehrheit angenommen, 24 von 27 Mitgliedstaaten stimmten dafür. Nur Österreich hat datenschutzrechtliche Bedenken gegen diese europäische Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten. Niederlande und Deutschland haben sich enthalten. Der deutsche Innenminister Friedrich musste zum Thema schweigen, weil Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gegenhält.

Was tun?

Jetzt liegt die Richtlinie im Europäischen Parlament. Der britische Konservative Timothy Kirkhope, Befürworter einer umfangreichen Speicherung, ist Berichterstatter zum Thema in Innenausschuss. So wie es aussieht, sind Linke, Grüne und Liberale größtenteils gegen das Vorhaben. Allein im Ausschuss gibt es um die 400 Änderungsanträge, bis hin zur Komplett-Ablehnung. Doch wie immer im Europa-Parlament gilt: Fraktionen stimmen nicht unbedingt einheitlich ab, es gibt eine konservative Mehrheit und alles steht und fällt mit den Sozialdemokraten.

Wahrscheinlich kommt die Richtlinie erst nach der Sommerpause ins Plenum des Parlaments. Umso wichtiger ist aber schon jetzt Aufmerksamkeit, Öffentlichkeit und Aktivismus. Frag doch mal deine Europa-Abgeordnete, wie sie zum Thema steht. Ein erster Anlauf-Punkt kann die Kampagne zum PNR-Abkommen mit den USA sein.

7 Ergänzungen

  1. Nachtrag: Eine Pressemitteilung vom grünen Abgeordneten Jan Philipp Albrecht:

    Das Europäische Parlament, der deutsche Bundesrat, der europäische Datenschutzbeauftragte sowie Experten wie z.B. das Centrum für Europäische Politik haben deutlich gemacht, dass die Notwendigkeit einer solch einschneidenden Überwachungsmaßnahme in keiner Weise nachgewiesen ist. Die Fluggesellschaften und damit indirekt die Reisenden würden jeden Monat Millionen Euro zusätzlich zahlen müssen, um den Sicherheitsplänen der EU-Innenminister zu entsprechen. Zudem haben bereits mehrere europäische Verfassungsgerichte, unter anderem das deutsche Bundesverfassungsgericht, sowie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine klare Absage an umfangreiche Vorratsdatenspeicherungen sowie Maßnahmen zur Rasterfahndung erteilt.

    1. wunderschön ausgedrückt, politiker halt…..

      aber wenn juckt das gesülze denn von den überwachungsphantasten? passiert doch eh nix, handyüberwachung dresden?…null….die lachen sich doch schepp ob solcher „grünen“ kommentare

  2. die usa droht mit ernsthafte konsequenzen. soso. kann die eu bitte endlich anfangen sich nicht mehr als schoßhund der usa zu betrachten? was sollen diese „ernsthaften konsequenzen“ denn bitte sein? und sollte es nicht spätestens da klick gemacht haben dass es wohl um mehr geht als gegen terrorbekämpfung? die eu gibt einfach mal so fluggastdaten weiter und erhält im gegenzug nichts. btw sollent wir langsam was gegen zensilia malmström unternehmen. die frau ist mitverantwortlich für den ganzen überwachungsscheiß in der eu. die hat doch bestimmt auch nen „dr“ titel…

  3. Die Richtlinie kommt nach der Sommerpause erstmal zur Abstimmung im Innenausschuss. Je nachdem, welche der 489 Änderungsanträge dann eine Mehrheit bekommen, sieht die Verhandlungsposition des EP für eine mögliche Einigung mit dem Innenministerrat aus. Bis das dann alles durch ist und das fertige Ergebnis ins Plenum kommt, kann es noch ein Jahr länger dauern. Die Abstimmung im Innenausschuss ist aber entscheidend für die Richtung, die das ganze im EP nehmen wird. Dessen Mitglieder sollte man also verstärkt ansprechen.

  4. Stört mich nicht. Habe noch nie ein Flugzeug betreten und werde es auch bis zu meinem Lebensende nicht. Der Verdacht war ja schon immer irgendwie im Raum das der gemeine Terrorist ganz woanders sitzt als man so annimmt (Umweltterroristen). Auf der anderen Seite glaube ich auch nicht das Vielflieger sich von diesen Gesetzen beeindrucken lassen. Es sei den die Schnüffelei kostet einen Haufen Kohle ;-)

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