Landtagswahl in NRW: Wahlprüfsteine von Wikimedia Deutschland, CDU für 2 Strikes plus

Nach der Free Software Foundation Europe hat auch Wikimedia Deutschland die Antworten auf ihre Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag veröffentlicht. Dabei ging es um Bildungspolitik, Urheberrecht, Open Data, Netz-Sperren und Netzpolitik auf Landesebene. Wählerinnen in NRW sollten sich selbst die vollständigen Antworten durchlesen.

Die Parteien SPD, Grüne, FDP, Linke und Piraten haben recht umfangreich geantwortet, ebenso die Tierschutzpartei, die Partei der Vernunft und DIE PARTEI. Nur die CDU hat die 18 Fragen ganz allgemein geantwortet, so dass man die Antworten nicht „sinnvoll verwenden“ konnte.

Fast alle Parteien lehnen Netz-Sperren (z.B. bei Glücksspiel, Persönlichkeitsrechten, rechtsextremistischen Inhalten) ab. Die SPD wirbt sogar damit, dass sie Zensursula verhindert hätten. Dazu passt das Motto Das Internet vergisst nicht!, wir haben das nämlich anders in Erinnerung. Nur die Tierschutzpartei will „gewisse Netzsperren, insbesondere bei rechtsextremistischen Inhalten.“

In NRW gibt es die „einzigen in Deutschland noch bestehenden Sperrverfügungen“, nämlich der Bezirksregierung Düsseldorf von 2002. Die meisten Parteien sind dagegen, nur die Tierschutzpartei hat keine Meinung. Die SPD behauptet, dass diese Sperren „durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf Ende 2011 aufgehoben“ sein. Nach unserem Kenntnisstand betraf das jedoch nur die Glückspiel-Seiten, die Sperren gegen zwei Naziseiten dauern bei manchen Providern in NRW noch immer an. Die Frage, welche konkreten Schritte man dagegen unternehmen will, hat niemand wirklich beantwortet, auch die Sozen wollen nur irgendetwas „auf den Prüfstand“ stellen.

Gebührenfinanzierte Rundfunk-Inhalte vom WDR sollen frei verfügbar sein. Manche Parteien setzen sich auch für die Möglichkeit einer Bearbeitung und Remixing ein und sprechen von Freien Lizenzen, ohne jedoch spezifisch zu werden. Die weltfremde Praxis der Depublikation wird übereinstimmend abgelehnt. Die Linke bringt dafür gleich eine Creative Commons Lizenz ins Spiel, die jedoch mit BY-ND oder BY-NC-ND ihrer vorherigen Antwort der Remix-Freiheit widerspricht.

Wikimedia fragte gar nicht erst, ob es ein Open Data Portal geben sollte, sondern gleich nach dessen konkreter Ausgestaltung. Daher sind auch alle großen Parteien irgendwie dafür, nur der Enthusiasmus unterscheidet sich.

Der Schultrojaner ist ja glücklicherweise bereits gestoppt, auch in NRW lehnen die PiratenParteien diese Schnüffelsoftware ab.

Die CDU versteht vom breiten Bereich der Netzpolitik anscheinend nur das Thema Urheberrecht und antwortete auf die landespolitischen Fragen mit einer bundespolitischen Position. Die Kernaussage scheinen diese beiden Sätze zu sein:

Anstelle einer kostenträchtigen Abmahnung könnten auch automatisierte und datenschutzneutrale Warnhinweise Nutzer auf ihr illegales Verhalten aufmerksam machen. Dabei muss jedoch auch klar sein, dass der verwarnte Nutzer bei wiederholter Rechtsverletzung mit einer ernstzunehmenden Reaktion zu rechnen hat.

Damit stellt man sich hinter das Kaudersche Modell von „2-Strikes“. Bei der ACTA-Anhörung im Bundestag konnte er sich noch freuen, dass auch der Petent Herbert Bredthauer eine kostenfreie Abmahnung befürwortet. Die Probleme mit dem vorgeschlagenen Modell haben wir jedoch bereits ausgeführt, allen voran eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Die datenschutzrechtlichen Probleme will man durch das nichtssagende Wort „datenschutzneutral“ irgendwie kaschieren. Und das Schlimmste: Nach dem ersten oder zweiten Strike kommt „eine ernstzunehmende Reaktion“. Danke für die Bestätigung unserer Gründe zur Ablehnung des Vorhabens.

8 Ergänzungen

  1. Huch, wo ließt Du aus den verlinkten Antworten oder dem Blog-Eintrag raus, die SPD würde sagen, sie hätten Zensursula gestoppt?

    Im verlinkten Blog-Eintrag von 2009 (!) http://www.martinboerschel.de/zensursula-stoppen/ schreibt Martin Börschel:

    Zum Auftakt der Debatte habe ich ein paar Überlegungen formuliert. Irgendjemand muss ja vorlegen. Also – Feuer frei!

    Was die CDU anbelangt: der Text muss nicht zwangsläufig das Kauder’sche 2-Strikes-Modell sein, schwammig genug ist es ja formuliert. Es könnte auch Unterstützung für Schnarris Abmahnkostendeckelung sein: bei Wiederholung würde es da ja auch ziemlich teuer …
    Nur gehen da die Rechteinhaber auf die Barrikaden, weil ihnen eine lukrative Einnahmnequelle wegbricht.

    1. In NRW hängen Plakate mit QR-Code, die auf diese SPD-Wahlkampfseite verweisen: http://iskkoeln.de/ Dort wird mit „Stoppt Zensursula“ suggeriert, dass das SPD-Position wäre. Lustig, vor allem da mit Martin Dörmann ein wesentlicher Akteur der damaligen Aktion ausgerechnet im SPD-Unterbezirksvorstand Köln ist.

      1. OK, aber die Plakate gehen ja nicht aus den Wikimedia Wahlprüfsteinen hervor, auf die sich der Text oben bezieht.

        Und tatsächlich hat sich Martin Börschel – das weißt Du ja auch – intensiv gegen den JMStV engagiert. Zu Zensursula ist es ein Aufruf: „Stoppt!“.

        Ansonsten denke ich schon, dass wir Erkenntnisgewinn innerhalb einer Partei, Fraktion oder bei einer Person nicht mit „Du Arsch warst damals aber dafür“ bestrafen sondern begrüßen sollten. Sonst ändert nie mehr jemand seine Meinung.

    2. Wie unlogisch ist das das denn bitte Alvar : „..der Text muss nicht zwangsläufig das Kauder’sche 2-Strikes-Modell sein ..“

      Vor allem bei der CDU .. Das damit eindeutig nur das Kauder’sche 2-Strike-Modell gemeint sein konnte, das erkennt doch wohl schon jeder Blinde. Die CDU ist eben Deutschlands Versagerpartei, die sich ausschliesslich durch Korruption von der Content-Industrie ernährt und deshalb auch nicht im Interesse des Bürgers handelt kann. Das merkst doch schon alleine hier daran, sonst würde doch die CDU nicht noch auf so eine erbärmliche Art und Weise versuchen, den Gesetzesentwurf von Leutheuser-Schnarrenberger auch noch aufhalten zu wollen ..

      1. Ach, ich bin wahrlich kein besonderer Freund der CDU. Aber wenn man etwas erreichen will, ist es nicht hilfreich ihr ohne Belege „Korruption“ vorzuwerfen und sie „Versagerpartei“ zu nennen.

  2. Die konservativen Parteien müssen langsam mal umdenken und im Netzzeitalter ankommen. Stattdessen wundern sie sich, warum die Piratenpartei immer mehr Wählerstimmen bekommt. Da hilft auch keine Facebook Party.

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