Die Betreiberin eines offenen WLANs ist nicht für darüber begangene Urheberrechtsverletzungen verantwortlich. Diese Entscheidung eines finnischen Gerichts könnte Auswirkungen auf EU haben. Ein New Yorker Richter geht noch weiter: Auch der Inhaber einer IP-Adresse haftet nicht.
Eine finnische Frau soll 6.000 Euro zahlen, weil über ihren Internet-Anschluss Urheberrechtsverletzungen begangen worden sein sollen. Sie betreibt ein offenes WLAN und war zur Tatzeit gar nicht zu Hause. Ein Bezirksgericht hat jetzt entschieden, „dass ein WLAN-Inhaber nicht für Vergehen Dritter verantwortlich gemacht werden kann“.
Noch besser: Das Gericht leitete das Urteil von den finnischen Umsetzungsgesetzen dreier EU-Richtlinien ab: E-Commerce-Richtlinie, Urheberrechtsrichtlinie und Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Gegenseite kann noch Berufung einlegen. Auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist möglich.
Ein Richter in New York geht noch darüber hinaus. In einer Empfehlung vertritt er die Auffassung, dass auch der Inhaber einer IP-Adresse nicht für darüber begangene Vergehen verantwortlich gemacht werden kann. Anlass waren die bekannte Masche, IP-Adressen in Peer-to-Peer Netzwerken zu sammeln und die Anschlussinhaber dahinter zu ermitteln, um von diesen Strafzahlungen zu verlangen.
Die Einschätzung des Richters ist so schön, dass wir sie übersetzt haben:
Die Kläger behaupten, dass die Angeklagten, die nur durch eine IP-Adresse identifiziert werden, die Personen sind, die einen Inhalt aus dem BitTorrent-Schwarm heruntergeladen haben.
Allerdings ist die Annahme, dass die Person, die für einen Internetzugang an einem bestimmten Ort bezahlt, die gleiche Person ist, die einen Film heruntergeladen hat, fraglich und wird mit der Zeit immer fraglicher. Eine IP-Adresse bestimmt nur den Ort, an dem eine beliebige Anzahl an Computer-Geräten eingesetzt sein kann, so wie eine Telefonnummer für eine beliebige Anzahl von Telefonen verwendet werden kann.
Wenn sie nur einen Computer an das Internet anschließen, kann dieser die Adresse von ihrem Provider verwenden. Viele Haushalte verwenden heutzutage jedoch Router, um einen einzigen Internet-Anschluss mit vielen Computern zu teilen. In den letzten Jahren sind WLAN-Router besonders populär geworden. Wenn Sie einen Router verwenden, um eine Internetverbindung gemeinsam zu nutzen, bekommt der Router die IP-Adresse direkt vom Provider zugewiesen. Anschließend erstellt und verwaltet dieser ein Subnetz für alle Computer, die an diesem Router angeschlossen sind.
Dass der Anschluss-Inhaber hinter einer IP-Adresse eine bestimmte Computer-Funktion vorgenommen hat, hier das angebliche illegale Herunterladen eines einzelnen pornografischen Films, ist daher nicht wahrscheinlicher als zu sagen: Derjenige der die Telefonrechnung bezahlt, hat auch einen bestimmten Anruf gemacht. Wegen der steigenden Beliebtheit von WLAN-Routern ist das sogar viel weniger wahrscheinlich. Während es vor zehn Jahren noch fast keine drahtlosen Netzwerke in privaten Haushalten gab, verfügen mittlerweile 61% der US-Haushalte über einen solchen Zugang.
Viele Internet-Provider bieten einen kostenlosen WLAN-Router als Teil ihres Internet-Pakets an. Aus diesem Grund unterstützt eine einzige IP-Adresse der Regel mehrere Endgeräte, die im Gegensatz zu Telefonen gleichzeitig von verschiedenen Personen betrieben werden können.
Die Downloads könnten von verschiedenen Familienmitgliedern oder sogar Besuchern durchgeführt wurden sein. Außer wenn der WLAN-Router eine entsprechende Verschlüsselung hätte (und manchmal sogar dann), können auch Nachbarn oder Passanten über die IP-Adresse des Anschlussinhabers auf das Internet zugreifen.
Manche IP-Adressen können Unternehmen oder Einrichtungen gehören, die ihren Mitarbeitern, Kunden oder sogar der Öffentlichkeit Internet-Zugänge anbieten, wie es in Bibliotheken oder Cafés üblich ist.
Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass eine IP-Adresse einem „Gerät“ zugeordnet ist und der Anschlussinhaber auch der Angeklagte ist, wie die Kläger behaupten. Die meisten, wenn nicht sogar alle, IP-Adressen zeigen auf einen WLAN-Router oder ein anderes Netzwerkgerät. Obwohl ein Provider den Name des Anschlussinhabers herausgeben kann, kann die Urheberrechtsverletzung durch den Inhaber, ein Familienmitglied, Mitarbeiter, Gast, Nachbar oder einen Eindringling begangen worden sein.
Genau das sagen wir seit Jahren. Wäre schön, wenn sich diese Erkenntnis auch hierzulande durchsetzen könnte.
Sehr schön.
Endlich, wurde auch Zeit, dass wir im realen 21. Jahrhundert auch bei der Rechtsrechung ankommen.
Wieso „wir“? Immer noch DORT.
Soll heißen, mach das mal den Richtern am LG Hamburg klar (um nur ein Bsp zu nennen)
So angenehm das zu lesen ist: IPv6 kommt (und die PE sind lächerlich, weil sie von den Providern weisungsgemäß nicht adäquat umgesetzt werden dürften), und solange nicht jeder einzelne Toaster-Heizdraht eine eigene IP-Adresse hat, wird halt der kranke Umweg über die Störerhaftung bemüht.
Das lässt hoffen für die Zukunft, aber wetten das das Lobbyistenpack nun versucht neue Gesetze zu machen um Wlanbetreiber generell haftbar zu machen ?
„Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass eine IP-Adresse einem “Gerät” zugeordnet ist und der Anschlussinhaber auch der Angeklagte ist, wie die Kläger behaupten“
Das sagt auch (fast?) jedes deutsche Gericht. Deshalb sind mir auch nur wenige/keine Urteile bekannt, wo der Anschlußinhaber als Täter(!) strafrechtlicht oder zivilrechtlich zu Schadensersatz verurteilt wurde.
Das Problem ist vielmehr die Figur des Störers, der kostenpflichtig auf Unterlassen verklagt werden kann. Da das Zuververfügungstellen eines Netzanschlusses (sei es in der Familie oder per Freifunk etc) ein sozial erwünschtes Verhalten ist (oder sein sollte), ist hier jede Verantwortbarmachung abzulehnen. Und man kann das möglicherweise sogar auch im aktuellen Recht sehr leicht machen, wenn man hier nämlich die Erbringung einer Telekommunikation-Leistung annimt – da darf ein TK-Anbieter nicht „zuhören“ oder sonstwie kontrollieren.
Während einem normalen „Störer“ in klassischen Situationen auferlegt wird, eine wirklich ganz genau bestimmte, einzelne Unterstützungsmaßnahme zu einer fremden Rechtsverletzung zu unterlassen, ist dies hier ganz anders: rein praktisch wird JEDE Zurverfügungstellung eines Netzanschlusses an Dritte, ja sogar an Familienangehörige(!) verboten. Denn anders kann man als „Störer“ nicht auf Nummer sicher gehen.
Niemand käme auf die Idee, eine Stadt zu verklagen, weil ihre Straßen Diebe bei der Flucht unterstützen. Denn der Wert von Straßen wird gesellschaftlich höher eingeschätzt als der eventuell verhinderbare Schaden.
Andere Situation: X stellt unerlaubt Kopien auf seinem Rechner her. Dazu braucht er Strom. Nach der normalen Störer-Argumentation leisten die Stadtwerke (ungewollt) einen kausalen UnterstüzterBeitrag zu dieser Tat. Niemand käme nun auf die Idee sie zu verurteilen: S wird verurteilt es zu unterlassen, Werk X selber oder durch andere verbreiten zu lassen.
Es wird Zeit, daß dies auch für Netzzugänge erkannt wird.
das finnische Urteil scheint mir übrigens in genau diese Richtung zu gehen: WLAN-Betreiber sind keine Störer (denn Täterschaft wurde laut der englischen Zusammenfassung getrennt abgelehnt.)
Das bedeutet dann aber auch, daß IP-Adressen keine personenbezogenen Daten sind und somit nach Lust und Laune gesammelt und ausgewertet werden dürfen … oder?
Keinem fällt der Rechtschreibfehler auf „Die meisten, wenn ich sogar alle, IP-Adressen zeigen…“
Vielen Dank, ist korrigiert.