EU-Kommission sieht antidemokratische Motive hinter #ACTA-Protesten

iRights.info hat ein internes Protokoll einer Sitzung des handelspolitischen Ausschusses vom EU-Ministerrat vom 10.02.2012 zugeschickt bekommen. In dem Protokoll geht es um ein Briefing der EU-Kommission bezüglich der #ACTA – Proteste. Die Mitgliedsstaaten waren zu dem Zeitpunkt wohl etwas überrascht aufgrund der anstehenden Proteste am nächsten Tag, wo rund 200.000 Menschen in ganz Europa auf die Straße gingen, die Hälfte davon alleine in Deutschland. Interessant ist die Einschätzung der EU-Kommission, welche Motive hinter den Protesten stecken würden, da fühlen wir uns als „organisierte Zivilgesellschaft“ direkt mal angesprochen:

“Aber es werde letzlich schwer fallen, die organisierte Zivilgesellschaft damit zu überzeugen. Dort würden oft Interessen vertreten, die nicht der breiten Gesellschaft entsprächen. Hier seien gezielte Aktivitäten zu beobachten, die nicht immer den vorgeblich demokratischen Absichten gerecht würden”.

Wenn einem die Argumente ausgehen, hilft immer die antidemokratische Keule, das macht sich besonders gut hinter verschlossenen Türen wie bei diesem Treffen und gerade der Hinterzimmer-Politik beim ganzen ACTA-Prozess. Die bösen Bürger und so. Anscheinend sind die auch überrascht, dass es tatsächlich Menschen gibt, die das ACTA-Abkommen ablehnen, sonst würde das nicht im Protokoll stehen:

“ACTA-Gegner versuchen, gegen das Abkommen zu mobilisieren, um die restlichen MS [Mitgliedstaaten, die noch nicht unterzeichnet haben] und das EP [Parlament] zu beeinflussen.”

Man möchte die Gesichter der Verantwortlichen sehen, als am nächsten Tag soviele Menschen in Europa auf die Straße gingen. Aber keine Panik, die Lösung des Problems ist Information und Transparenz!

“KOM [die Kommission] habe MS, EP und Öffentlichkeit umfassend Informationen zur Verfügung gestellt, um diese Kampagnen ins Leere laufen zu lassen”.

Wie die Informationen der EU-Kommission zu bewerten sind, haben wir bereits hier und hier geschrieben. Uns überzeugen sie nicht. Und immer mehr Regierungen und Parlamente offensichtlich auch nicht.

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52 Ergänzungen

  1. Wie jetzt? Bürger versuchen ihre demokratisch gewählten Repräsentanten durch die Ausübung des verfassungsmäßig verbrieften Demonstrationsrechts „zu beeinflussen“? Da wird gar öffentlich zu einem politischen Thema „mobilisiert“? Die europäische Zivilgesellschaft verfolgt „gezielte Aktivitäten“?

    Alle wünschen sich jahrelang eine europäische Zivilgesellschaft, und dann so eine Reaktion. Auch wenn sich die Kommission das wahrscheinlich nicht so vorgestellt hat – So ein Statement ist wirklich bitter.

    1. Dass Buerger ihre verfassungsmaessig verbrieften Grundrechte wahrnehmen und dies vom Ministerrat als „antidemokratische Motive“ betrachtet wird, spricht ja eigentlich Baende hinsichtlich des Selbstverstaendnisses des Rats.

      1. Also ich weiß ehrlich nicht was ihr alle habt, ACTA ist doch ein tolle Sache. Ich bin auch der Meinung das ihr manchmal keine Ahnung habt wofür ihr eigentlich steht.. Jedenfalls sollte ACTA ratifiziert werden, um der ganzen Produktpiraterie Einhalt zu gewähren. Es geht hier nicht nur um Filme oder Musik, sondern auch um geschriebene Software.

        Stellt euch vor, ihr erfindet irgend etwas nützliches, dann kommt jemand daher und kopiert es und verdient dadurch einen haufen Geld. Ihr wärt doch selber sehr erbost darüber, dass derjenige, mit eurer Idee einen Vermögen verdient. Ich persönlich hätte da gerne die Möglichkeit zu klagen. Ihr Geier wollt mir diese Möglichkeit vorab wegnehmen, indem ihr die Proteste befürwortet und irgendwelche Links zu abstrusen Webseiten weiterleitet.

        Ich möchte für die Programme, die ich selber schreibe auch juristisch geschützt werden, eher so ein Chinese daherkommt und es kopiert. Da möchte ich diesen Typen auch in China verklagen können.

        Also kommt mal klar und werdet endlich erwachsen was das Word Wide Web anbelangt.

      2. @bisi:

        „Ich bin auch der Meinung das ihr manchmal keine Ahnung habt wofür ihr eigentlich steht..“

        si tacuisses.

        „Stellt euch vor, ihr erfindet irgend etwas nützliches, dann kommt jemand daher und kopiert es und verdient dadurch einen haufen Geld. Ihr wärt doch selber sehr erbost darüber, dass derjenige, mit eurer Idee einen Vermögen verdient. Ich persönlich hätte da gerne die Möglichkeit zu klagen.“

        Die hast Du – einschließlich eines Anspruches auf Abschöpfung des Gewinnes.

        „Ihr Geier wollt mir diese Möglichkeit vorab wegnehmen, indem ihr die Proteste befürwortet und irgendwelche Links zu abstrusen Webseiten weiterleitet.“

        Ähm. Dunkel ist Deiner Schreibe Sinn.

        „Ich möchte für die Programme, die ich selber schreibe auch juristisch geschützt werden,“

        Das sind sie bereits.

        „eher so ein Chinese daherkommt und es kopiert. Da möchte ich diesen Typen auch in China verklagen können.“

        Das kannst Du.

        Grüße

      3. @Bisi
        Und wenn du zufällig ein Aidsmedikament herstellst, und jemand billig ein Generikum herstellt und in Afrika unter die Leute bringt, dann würdest du den auch lieber verklagen, um mit den afrikanischen Aidskranken ein Vermögen zu verdienen, was? Kann ich schon verstehen.

        Was du wohl nicht verstehst ist, dass es heute schon möglich ist gegen Patentverletzungen zu klagen, auch international. Gut, in China ist das noch etwas schwerer. Aber da China wohl aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht dazu gezwungen werden kann ACTA beizutreten, wird ACTA da auch nicht helfen. Armen afrikanischen Staaten kann ACTA aber sehr wohl aufgezwungen werden.
        Ich glaube man merkt schon, wer hier keine Ahnung hat und noch erwachsen werden sollte.

      4. @Bisi:
        „Es geht hier nicht nur um Filme oder Musik, sondern auch um geschriebene Software.“

        Und ich sage dir dazu, proprietäre Software sollte verboten werden, weil sie A) Von Natur aus unsicher ist B) den Nutzer in jeder Hinsicht einsperrt und C) bildungsfeindlich ist.
        Freie Software, darin steckt Zukunft (Freie Software heißt NICHT Freeware). Lies dir dazu mal http://www.gnu.org/philosophy/ durch.

      5. @Bisi..
        scheinbar hast du dich nicht wirklich mit dem Thema befasst, sonst würdest du so was nicht schreiben. Es geht hier immer noch nicht darum, das Klauen von kreativer Arbeit zu erlauben, sondern darum, dass die Erschaffer dieser Arbeit davon profitieren und nicht die Contentmafia.
        ACTA greift noch weiter.. hier werden Patente auf Medikamente und Lebensformen (zB Getreide) so geschützt, dass sie möglichst viel Profit bringen sollen..nicht unbedingt für die Erfinder, sondern für die Rechteinhaber. Ich als Comiczeichner u Illustrator könnte auch jammern, wenn jemand meine Zeichnungen für Lau aus dem Netzt zieht..tue ich aber nicht. Nur wenn die Gängelung von oben aufhört kann sich, zB im World Wide Web eine Unterstützerkultur bilden, von der alle Kreativen profitieren können und nicht nur die, denen von der Vermarktungsindustrie der Weg geebnet wird.

  2. ja, das argument kennt man. wenn in libyen oder rußland leute auf die straße gehen, dann sind sie vom ausland bezahlt. das zeigt sehr gut, welches demokratieverständnis die mitglieder der eu-kommission haben.

  3. Die EU-Kommission hat IMO selber so wenig demokratische Legitimierung, dass sie – harte Worte – besser die Klappe halten sollte.

  4. Die erste Aussage ist ziemlich verschwurbelt und mutet sinnfern an. Ich habe verstanden, dass die Interessen der organisierten Zivilgesellschaft sich nicht mit denen der breiten Gesellschaft decken sollen. Sind deren Absichten daher „vorgeblich demokratisch“? Das ist doch unsinnig. Selbst wenn tatsächlich nur eine Minderheit ihre Stimme erhebt, ist das doch immer noch eine Meinungsäußerung im Sinne der Demokratie. Was bitte sind die „gezielten Aktivitäten“? Demonstrationen? Lautet der Vorwurf allen Ernstes das man durch Demonstrationen mit vielen Menschen den Eindruck erweckt eine Mehrheit zu sein, obwohl man nur eine Minderheit ist?

  5. Solch eine unglaublich dreiste Verdrehung der Tatsachen habe ich selten erlebt. Auch die sprachliche Ebene ist schwer zu ertragen: Die Formulierungen sind offensichtlich manipulativ. Außerordenlich plump und scheinheilig…

    Das Gute ist: sie verlieren jedes Vertrauen und haben offensichtlich Angst, dass sie ihr Lobbygesetz nicht durchpeitschen können.

  6. Ist Anti-ACTA undemokratisch, weil nicht alle 500 Mill. Europäer auf die Strasse gegangen sind? Es demonstrieren leider nur die Mitbürger, die den Sprung vom Zuschauer zum Aktivisten geschafft haben.
    Auf welchem Stern lebt diese EU-Kommission? Letztendlich leben auch die Mitglieder dieser Kommission von unserem Geld. Und sind (mehr oder weniger) demokratisch gewählt.

    1. Die leben auf dem Stern, auf dem man sich die Situation immer so dreht wie man sie braucht. Gäbe es eine pro Acta Demo irgendwo in Europa mit 100 Männeken würde die nach Ansicht der Kommision wahrscheinlich die „schweigende Mehrheit“ repräsentieren oder sowas.

  7. Die Kommission hat sich in den parlamentarischen Prozess oder die Ratifizierung überhaupt nicht einzumischen. Dafür haben sie kein Mandat.

  8. Hola die Waldfee xD

    Ich kann dein Frust verstehen (geht mir genauso) aber wenn da manche Lobbyisten weg sind, kommen einfach neue… und greifen dan härter durch :(

    1. das mag schon sein-aber desswegen wirst du dich auch nicht von jeder Mücke stechen lassen-nur weil immer wieder welche kommen werden-und dein Blut saugen wollen-auch gegen diese Plage wurde sich schon vieles ausgedacht ! Ganz schlimm sind ja die Moskitos-die einen noch infizieren und so krank machen-deshalb kann man sie nicht gewähren lassen !

  9. Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen.

    Da muckt doch die Kommission auf, die wohl versucht hat den demokratischen Prozess möglichst weiträumig zu umgehen, und bezeichnet uns doch glatt als undemokratisch. Da geht mir „doch glatt die Hutschnur hoch“.

    Schön das dieses interne Protokoll geleackt ist und nun noch mehr sehen können was für ein verlogener Lobbyverein das doch ist.

  10. Tja, decken sich denn überhaupt die Interessen derer, die hinter ACTA stehen, mit denen der „breiten Gesellschaft“? Diese „breite Gesellschaft“ profitiert doch in keinster Weise von ACTA, warum sollte sie also dafür sein?

    Und woher will die EU-Kommission überhaupt wissen, was die „breite Gesellschaft“ will? Haben die da etwa nachgefragt?

    Die sehen jetzt ihre Felle schwimmen und heulen rum, das ist alles. Aber immerhin zeigen diese Pseudo-Demokraten jetzt mal ihr wahres Gesicht. Hat doch auch mal was. :)

    MfG Andy

  11. Unter solchen Umständen braucht man sich nicht wundern wenn sich immer mehr Menschen von der EU abwenden und eine Rückkehr Deutschlands zur Mark und Austritt aus der EU fordern. Die schafft sich selbst ab indem sie sich selbst ihre demokratische Legitimation entzieht.

  12. Am schlimmsten empfinde ich die mir von der Kommission vermittelte Ohnmacht, die mich zunehmends einem Radikalisierungsprozess unterwirft.

    Für ein demokratisches Europa!

    1. Das empfinde ich genauso. Wenn die so weiter machen, tritt für mich GG 20.4 in Kraft oder schlimmer: ich entschließe mich Politiker zu werden… lol

  13. Ich habe ja noch so etwas wie ein Grund- oder Urvertrauen in unsere rechtstaatliche und demokratische Ordnung aber nicht randalierenden Demonstranten, also Menschen die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, Demokratiefeindlichkeit vorzuwerfen das ist nicht nur verblendet und dumm sondern ein krasses Missverständnis unserer staatlichen Organisation. Das schöne und neue war ja, dass Länderübergreifend gegen das selbe Abkommen demonstriert wurde. Was wäre dann demokratiekonform? Das diktieren von Gesetzestexten durch Interessensvertreter [Lobbyisten] unter Ausschluss der öffentlichen Diskuission? Auch ein EP muss sich klar machen, dass die demokratische Beteiligung nicht an den nationalen Grenzen der europäischen Staaten endet. Auch, wenn dies bisher alzu oft der Fall war und ist, wie bei der Finanzmarktkrise und der Griechenlandrettung.

  14. man sieht – Demokratie ist ein unbeliebtes Fremdwort-wenn sich jemand auf sie beruft-demonstieren zu dürfen-und Menschenrechte sind nur auf Papier-Papier ist geduldig.

  15. EU-Kommission sieht antidemokratische Motive hinter #ACTA-Protesten
    Told you so.
    https://netzpolitik.org/2012/wirtschaftsverbande-bezeichnen-acta-proteste-als-koordinierte-attacken-auf-demokratische-institutionen/#comment-450774

    Ich denke man sollte mal ein Brainstorming machen, wie man das Argumentativ auseinander nimmt. Evtl. eine medienwirksame Anzeige wegen Verleumdung dazu.
    Ich denke es ist auf jeden Fall notwendig frühzeitig Sturm gegen solche Bullshitargumente zu laufen. Auf mittelfristige Sicht wird das der Demokratie sonst auf die Füße fallen.

  16. Das ist schon so harter Neusprech von der Kommission, dass es richtig weh tut…

    Also, Leute, warten wir besser mal ab bis uns der oberste Soviet… äh, ich meine die EU-Kommission… zur nächsten Demonstration auffordert – gegen den Iran oder die bösen Chinesen oder so… bevor wir noch etwas unüberlegtes tun!

  17. Dann bin ich ja quasi soungefährgenau…

    ein Faschist!!

    Danke an die Demokraten der Kommission, die mich dann jetzt endlich darüber aufgeklärt haben!

    Dann demonstriere ich das nächte mal halt gegen mich!!

  18. Sie hätten das Recht, in einer Demokratie zu Pro-Akta-Demos aufzurufen! Warum passiert das nicht? Ich würde mich NICHT an so einer Pro-Akta-Demo beteiligen.

  19. Ja super! Das hinter verschlossenen Türen von Wenigen ausgehandelte und intransparente, internationale ACTA-Abkommen soll also demokratischer sein als der Bürgerprotest dagegen!
    So eine Schweinerei habe ich selten gehört. Europa scheint auch auf eine Diktatur zuzulaufen! In den USA, Russland und China haben wir ja schon so was ähnliches! Fehlt nur noch Afrika, aber das kommt sicher auch noch.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.