Umfragen unter europäischen Polizeibehörden sollen die Nutzung sozialer Medien vorantreiben. Zu sechs behandelten „IT-Trends“ gehören „Überwachung“, „digitale Biometrie“ und „Probleme mit der Nutzerakzeptanz“.
Polizei und Internet: Das passt nicht immer gut zusammen. Um den Verfolgungsbehörden der 27 EU-Mitgliedstaaten zu mehr Überblick verhelfen, hat die Europäische Union das Forschungsprojekt „Comparative Police Studies in the EU“ (COMPOSITE) auf die Schiene gebracht. Dabei geht es unter anderem um die Nutzung von Social Media zu Fahndungszwecken oder zur Präsentation der heimischen Polizeiarbeit im globalen Netz. Aus Deutschland nimmt das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT ) unter der Leitung von Sebastian Denef am Projekt teil. Das Institut sorgt sich, dass die Polizei den „digitalen Tsunami“ (O-Ton Future Group des früheren Innenministers Wolfgang Schäuble) verschläft:
Die schnelle Einführung von Technologie ist nicht ohne Probleme für die Polizisten. Oftmals sind die neuen Systeme schwierig zu handhaben oder der Umgang nur schwer zu erlernen. Oder etwa physikalische Grenzen (z.B. Netzabdeckung) schränken den Nutzen ein. Teilweise führt das Festhalten an gewohnten Rollen und Praktiken auch dazu, dass neue Technologie nur eingeschränkt, verzögert oder gar nicht benutzt wird.
Zunächst wurden Interviews mit Herstellern, Providern und Polizeiorganisationen in zehn europäischen Ländern durchgeführt (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Mazedonien, den Niederlanden, Rumänien, Spanien, Tschechische Republik). Später durften sich 20 Polizeiausrüster zu Wort melden. Zu den sechs „IT-Trends“ der Polizei gehört demnach neben „digitaler Biometrie“, „Überwachung“ und „Probleme mit der Nutzerakzeptanz“ vor allem die Nutzung Sozialer Medien.
Der letztes Jahr veröffentlichte erste Teil der Studie geht unter anderem auf automatisierte Überwachungssysteme ein, darunter die Erkennung von Kennzeichen. Die britische Polizei in Staffordshire hat kürzlich Dutzende dieser Kameras besorgt, um damit den Verkehr auszuspionieren. Auch die Überwachung der Telekommunikation war Gegenstand der Studie. Hierzu geben sich die VerfasserInnen aber zugeknöpft und erwähnen nur, es würden Echtzeit-Daten von Satelliten, Telefongesprächen oder dem Internet abgegrast. Ein weiteres Thema war die Einrichtung großer Lagezentren zur Grenzkontrolle, wie sie von Ländern wie Rumänien von EADS kaufen mussten, um sich überhaupt um Aufnahme in den Schengenraum zu bewerben.
Unter dem Titel „Best Practice in Police Social Media Adaptation“ wurde jetzt der zweite Teil der Studie publiziert. Diesmal wurden Polizeiorganisationen aus 13 europäischen Ländern befragt. Dabei ging es nicht nur um die eigene Repräsentanz oder Unterstützung von Fahndungen in Sozialen Netzwerken. Ein besonderes Gewicht legten die Verfasser auch auf das Internet als Quelle von Informationen. In manchen Ländern werden Plattformen wie Facebook auch genutzt, um vermeintliche Straftäter zu finden.
Nach den Riots in Großbritannien im letzten Jahr sind vermutlich ein größerer Teil der 3.000 festgenommenen auf die Veröffentlichung von Fahndungsfotos zurückzuführen. Auch COMPOSITE hat sich mit der polizeilichen Handhabung der Aufstände in Großbritannien befasst. Eine eigene Fallstudie wird allerdings als nicht vergleichbar beschrieben, obschon sie als „Toolbox“ für andere Polizeien beworben wird. Von den 11 abgehaltenen Workshops wurde der erste unter dem Titel „Social Media as a Tool for Police Communication“ beim Fraunhofer Institut FIT im deutschen Sankt Augustin organisiert. Sebastian Denef stellte seine Forschungen zu „Twitter Use during the 2011 UK Riots“ vor. Auch Hessen und Bremen hatten unter dem Titel „Social Networks at the Hesse State Criminal Office“ bzw. „Internet and Social Networks“ Erfahrungen beigesteuert. Mit „New Media and Crime — Crime on the Internet” beendete eine Veranstaltung an der Polizeihochschule Münster die Serie von Workshops.
Zur automatisierten Auswertung der öffentlich zugänglichen Daten (was bei Militär, Diensten und Polizei gemeinhin als OSINT firmiert) greifen die befragten Behörden laut der Studie auf Software der Firmen “Radian6, Attensity, Kapow, Palantir, IBM, SAS, SAP, Oracle (and many others)“ zurück. In ihrer Verfolgung können sich Behörden auf die bereitwillige Unterstützung von Betreibern der Web-Plattformen verlassen, die ganze Abteilungen unterhalten, um im Falle von Ermittlungen auch nicht-öffentliche Profildaten der Nutzer auszuhändigen. Diese Zusammenarbeit mit Sozialen Netzwerken wie Facebook wird ausdrücklich gelobt (siehe hierzu auch die „geleakten „Facebook Law Enforcement Guidelines“ von Facebook):
Facebook has a team to work with law enforcement agencies. Facebook collaborates with police forces across Europe in international operations.
Problematisch sei aber die Herausgabe von Daten, wenn sich die Provider im Ausland befänden.
Dass mit dem „Fluch“ an neuen Straftaten im Internet auch ein „Segen“ für die Ermittlungsbehörden verbunden ist, hatte vor zwei Jahren ein Artikel der Zeitschrift „Kriminalistik“ herausgearbeitet. Untersucht wurde die Bedeutung des Web 2.0 bzw. von Sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ oder SchülerVZ für polizeiliche Ermittlungen. Die beiden Autoren analysieren, dass eine ganze Reihe realer polizeilicher „Lagen“ auch im Internet abgebildet werden bzw. dort recherchiert werden können: Beleidigungen, Betäubungsmitteldelikte, Stalking, Unterhaltspflichtverletzungen, Betrugsstraftaten, Sexualstraftaten, Urheberrechtsverletzungen, Vortäuschung und Aufforderung zu Straftaten oder politisch motivierte Kriminalität.
Hinweis: Der Wiki-Link zu „OSINT“ funktioniert wegen eines angehängten Anführungszeichens nicht.
„Hierzu geben sich die VerfasserInnen aber zugeknöpft und erwähnen nur, es würden Echtzeit-Daten von Satelliten, Telefongesprächen oder dem Internet abgegrast.“
Wie kommen die denn an die Internetdaten? Würde ja bedeuten, dass der ISP alle Daten sofort weitergibt..