EU-Ausschuss-Abstimmungen zum Telekom-Paket

Gestern Abend gabe es im EU-Parlament in Strassburg einen Abstimmungs-Marathon über das Telekom-Paket. Der Binnenausschuss [IMCO] musste 300 Änderungsanträge (Amendments) behandeln, der Industrieausschuss [ITRE] gar ca. 800. Aus diesen Gründen gibt es bisher auch kaum verlässliche detaillierte Informationen, welche Kompromisse durchgekommen sind. Die Futurezone berichtet als erstes mit Verweis auf Eva Lichtenberger von den Österreichischen Grünen, dass zumindest die Eu-weiten Internet-Sperrungen nach dem französischen Modell keine Mehrheiten gefunden haben: Entscheidung über „Telekompaket“. Mal schauen, was im Laufe des Tages noch analysiert wird und was konkret in etwa 30 Kompromissen zusammengefasst wurde. Ich hab schon Positionspapiere dazu gesehen, wo ich aber nicht wirklich von der verwendeten Sprache überzeugt war.

Update: Aus dem IMCO-Auschuss hab ich jetzt gehört, dass der Kompromiss-Vorschlag mit kleinen Änderungen durchgekommen ist. Es gab 38 Stimmen für den Bericht (Das abschliessende Policy-Paper, was an das Plenum überwiesen wird) und zwei Gegenstimmen. Noch gibt es keine Voting-Listen oder dergleichen, daher später mehr. Und aus dem ITRE-Ausschuss hab ich bisher auch nichts gehört. Da wird es sicherlich länger dauern, bis klar ist, was nach den 800 Abstimmungen rausgekommen ist.

Klar ist, dass es derzeit nicht nach EU-weiten Internetsperrungen aussieht. Aber einzelne Staaten können dies weiterhin tun. Frankreich implementiert diese Idee der Musikindustrie und sieht es als eine der Hauptaufgaben seiner EU-Ratspräsidentschaft an, diese zu exportieren. Der Export nach Grossbritanien hat schon geklappt. Deutschland hat in Form unseres Kulturstaatsministers und der Kanzlerin auch schon Sympathien geäussert. Nach Abschluss der Verhandlungen im EU-Parlament muss noch ein Konsens mit den EU-Staaten gefunden werden. In einer solchen Runde können schlechte Ideen immer noch reinkommen.

Unklar ist, was jetzt mit den „rechtmässigen Inhalten“ ist („lawful content“). Die Verwendung dieses Begriffes in den Kompromissen muss da noch bis Plenums-Abstimmung im September raus. Weil es unklar ist, wie die Provider denn ermitteln sollen, was „rechtmässige“ und im Umkehrschluss „unrechtmässige“ Inhalte sind. Dies würde einen Eingriff in die Netzinfrastruktur bedeuten und stellt eine ähnliche Herausforderung dar,w ie beispielsweise die chinesische Netzzensur. Wahlweise kann man direkt bestimmte (P2P-)Dienste blocken oder mit Deep-Packet-Inspection einfach mal den kompletten Datenverkehr analysieren, bewerten und sonstwas damit machen. Das ist nicht akzeptabel und verletzt die Netzneutralität.

Und dann gibt es ja auch noch das ACTA-Abkommen, was parallel auf globaler Ebene von einigen Staaten diskutiert wird und wo dieselben Ideen von Internetsperungen und Netzzensur rumgeistern. Das Abkommen könnte nach Abschluss dann auf die europäische Ebene runter kommen und wieder die Verhältnisse umdrehen.

Zu ACTA passen auch noch die beiden folgenden Artikel:
Golem: ACTA: Haftstrafen für Patentverletzung?
Futurezone: Auf den Spuren des ACTA-Abkommens.

Update: Heise: EU: Medienlobby scheitert mit ihrem Überwachungsvorstoß.

Eine lückenlose Internetüberwachung, wie sie Konservative auf Drängen der Unterhaltungs- und Medienindustrie im Telekommunikations-Paket verankern wollten, wird es nicht geben. Abgeordnete des EU-Parlaments haben im Industrie-Ausschuss (ITRE) und Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO) am gestrigen Montagabend über rund 1000 Änderungsanträge zum sogenannten Telecom-Paket abgestimmt, die in über 30 Kompromissvorschlägen zusammengefasst wurden. Dabei wurde der von der zuständigen Berichterstatterin Catherine Trautmann (Sozialisten) vorgelegte Kompromissvorschlag angenommen. Inzwischen soll es auch bei den Konservativen mehr Skepsis gegenüber einer „Internetüberwachung“ geben.

BBC: MEPs back contested telecoms plan.

European politicians have voted in favour of amendments to telecoms law which campaigners say could be used to curb privacy online and file-sharing.

Heise: EU-Internetkontrolle: „Ein reiner Schutz großer Unterhaltungskonzerne ist verhindert worden“.

„Ein reiner Schutz großer Unterhaltungskonzerne im Namen des Marktes ist verhindert worden“, zeigte sich Rebecca Harms, stellvertretende Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament und Mitglied im Industrieausschuss, größtenteils erleichtert über das Abstimmungsergebnis in zwei Ausschüssen des EU-Parlaments. [….] Die Proteste von Bürgerrechtlern seien bei dem nun in den Ausschüssen erreichten Ergebnis hilfreich gewesen, meinte Harms weiter, da viele Parlamentarier ohne diese die Brisanz einzelner Änderungsvorschläge nicht bemerkt hätten. [….] Harms zufolge haben die Vorstöße für netzseitige Filter oder das Sperren von Internetzugängen im derzeit behandelten Rahmenwerk generell nichts zu suchen. Die EU-Kommission müsste ihrer Ansicht nach dazu eigene Richtlinienvorschläge etwa im Bereich des Urheberrechtsschutzes oder des Datenschutzes anstrengen.

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