Liebe Leser:innen,
manchmal vergraben sich Kolleg:innen in Recherchen und sind dann über lange Zeit etwas unsichtbarer in der Redaktion. Und dann kommt nach Monaten plötzlich die Anfrage, ob man nicht mal auf ein paar Artikel draufschauen könne. Dann stehst Du vor einem halben Dutzend Artikeln, liest gegen und denkst: Wow, darin haben sie sich also vergraben. Und gleichzeitig: WTF! Das wird ein richtiger Knaller.
Durch die Databroker-Recherche von netzpolitik.org und BR Data kam heraus, wie gefährlich Werbedaten werden können, die Apps aus unseren Handys abfließen lassen. Mit einem kostenlosen Probe-Datensatz, den die Kollegen von einem Datenhändler bekamen, konnten sie 3,6 Milliarden Standort-Daten auswerten.
Und diese Auswertung hat es in sich: In den Daten fanden sich die Bewegungsprofile von Mitarbeiter:innen von Militärs, Geheimdiensten und Ministerien, mittels der Daten konnten sie teilweise persönlich identifiziert werden. Ein Einfallstor für Geheimdienste anderer Länder, die wissen wollen, wer dort arbeitet und was diese Menschen in ihrer Freizeit machen. Denn die Standortdaten verraten viel über Lebensgewohnheiten, Hobbys, Suchterkrankungen und andere Dinge, die Menschen vielleicht nicht in der Öffentlichkeit sehen wollen. Standortdaten können Menschen erpressbar machen.
Für mich ist die Databroker-Recherche investigativer Journalismus vom Feinsten. Ein extrem komplexer Zusammenhang wird mit großem Aufwand heruntergebrochen und plötzlich erscheint sehr, sehr klar, was das Problem ist.
Die Geschichte hat ganz schön Staub aufgewirbelt, sogar das Pentagon ist eingeschaltet. Aber ob irgendwer in der Politik sich wirklich dem derzeitigen Modell der Werbe- und Datenindustrie mutig entgegenstellt oder zumindest die allerschlimmsten Datenschutzlücken schließt? Wir dürfen gespannt sein.
Eines ist jedoch sicher: Diese Methoden der Werbeindustrie und Datenhändler sind gesellschaftlich vollkommen unverantwortlich. Wir müssen sie beenden. So schnell wie möglich.
Ein standortdatenfreies Sommerwochenende und viel Spaß beim Lesen wünscht
Markus Reuter
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