PolizeigesetzHessen will Kameraüberwachung ausweiten

Die hessische Regierungskoalition aus Grünen und der CDU will der Polizei mehr Befugnisse geben. Nun diskutiert der Landtag über mehr Videoüberwachung, verlängerte Überwachungsmaßnahmen und eine Umstrukturierung der hessischen Spezialeinheiten.

Eine Person auf einem sonst leeren Bahnsteig in Dillenburg, an der ein Zug vorbeifährt.
Dieser Bahnhof soll laut dem Gesetzesentwurf „gefährlich“ sein CC-BY-SA 2.0 Thomas Reincke

Im März hat die schwarz-grüne hessische Landesregierung einen Entwurf zur Anpassung des hessischen Polizeigesetzes eingebracht. Die Abwehr von Gefahren solle optimiert werden, „insbesondere im Hinblick auf eine effektivere Bekämpfung des Rechtsextremismus“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Doch die geplante Polizeigesetz-Änderung würde vor allem die Freiheitsrechte der Bürger*innen einschränken.

Aus diesem Grund regt sich in der Opposition Widerstand gegen das geplante Gesetz. Der innenpolitische Sprecher der Linkspartei bezeichnet den Entwurf als „Mogelpackung“. „Zahlreiche Regelungen haben mit verstärktem Kampf gegen rechts nicht das Geringste zu tun“, so Torsten Felstehausen. Am heutigen Freitag steht im Innenausschuss des hessischen Landtags eine Sachverständigen-Anhörung zu dem Entwurf auf der Tagesordnung.

Mehr Überwachung der Bürger geplant

Die Landesregierung will Orte wie Flughäfen, Bahnhöfe, Einkaufszentren und Packstationen automatisch als „Gefahrenpunkte“ einstufen. An diesen Orten könnte die Polizei dann Videoüberwachung durchführen, ohne das besonders begründen zu müssen. Das kritisierte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Müller: „Das bedeutet übersetzt, das künftig alle Einkaufszentren und Sportstätten auch in kleinen Städten und Gemeinden videoüberwacht werden können. Es geht nicht mehr um neuralgische Punkte.“ 

In dieser Sicherheitslogik ist auch geplant, das sogenannte IP-Tracking auszuweiten. Es wäre demnach bereits zur Gefahrenabwehr möglich, also bevor eine Person eine Straftat begangen hat. Beim IP-Tracking kann die Polizei beispielsweise mithilfe einer präparierten E-Mail die IP-Adresse von Nutzer*innen herausfinden, um sie leichter identifizieren zu können.

Mit dem Gesetz würde auch die Höchstdauer von richterlich angeordneten geheimen Observationen fallen. Aktuell sind Maßnahmen wie Wohnraumüberwachung oder Abhörmaßnahmen auf maximal ein Jahr befristet. In Zukunft könnten diese von einem Gericht in Drei-Monats-Schritten verlängert werden. „Sie erlauben langfristige Observationen oder den Einsatz von verdeckten Ermittlern schon bei Hinweisen darauf, dass jemand zukünftig mutmaßlich eine Volksverhetzung oder Anleitung zu einer drohenden Straftat begehen könnte“, beanstandete Müller das vorhaben. 

Kein Racial Profiling mehr?

Vieles im Gesetz bezieht sich nicht explizit auf die Gefahr von Rechtsextremisten innerhalb und außerhalb der Polizei. Allerdings strebt die Regierung eine Reform der hessischen Polizei-Spezialeinheiten an. Nachdem Beamte des Frankfurter SEK durch extrem rechte Chats aufgefallen waren, sollen die verschieden Spezialeinheiten SEK, MEK und andere zusammengelegt werden.

Das soll laut dem Gesetz „die Wahrnehmung der einheitlichen Dienst- und Fachaufsicht“ ermöglichen und „Vermittlung einer einheitlichen Führungsphilosophie“ erreichen. Bei der Entdeckung der Chatgruppen hatte der hessische Innenminister Peter Beuth „ein von übersteigertem Korpsgeist geprägtes Eigenleben“ kritisiert.

Dem Politikwissenschaftler Maximilian Pichl geht das nicht weit genug. In seiner schriftlichen Stellungnahme schreibt er: „Die rein organisatorischen Veränderungen adressieren jedoch nicht eindeutig das Problem, wie zukünftig gegen Rassismus innerhalb der Sicherheitsbehörden vorgegangen werden kann.“

Zudem soll der Begriff „polizeiliche Erfahrung“ bei verdachtsunabhängigen Kontrollen aus dem hessischen Polizeigesetz gestrichen werden. Durch diesen hatte die Polizei eine Rechtfertigung, nach rassifizierten Merkmalen wie „Hautfarbe“ zu kontrollieren – auch als Racial Profiling bekannt. Dieses Vorgehen ist in Deutschland eigentlich verboten, wird aber trotzdem alltäglich durchgeführt, wie Betroffene und Menschenrechtsorganisationen berichten

9 Ergänzungen

  1. Liegt Hessen in China?

    Wie aus einer parlamentarischen Anfrage (Drucksache 20/1201, 21.11.19) der hessischen Landtagsfraktion der Linken, Torsten Felstehausen (MdL), hervor geht wurden bereits 2018 Verstöße gegen die Hundeverordnung (reine Ordnungswidrigkeiten) in Hessen mittels öffentlicher Videoüberwachung ordnungsbehördlich verfolgt.
    So war ursprünglich der Einsatz öffentlicher Videoüberwachung in Hessen nicht vorgesehen!

  2. Es dürfte sehr stark anzuzweifeln sein, daß so etwas vor Gericht auch nur den geringsten Bestand hat, im besonderen der Bereich der Sportstätten, der sicherlich einen sehr schweren Eingriff in die Privatspähre der Menschen zu Folge hätte.

    1. „stark anzuzweifeln sein, daß so etwas vor Gericht auch nur den geringsten Bestand hat“
      Willkommen in der Realität!
      Ominöse Steuer-CD’s mit Steuergeld gekauft…. haben Bestand!
      Von Befreundeten weiter gegebene Enchrochats…. haben Bestand!
      Fahndung in uralten KESY-Daten…. haben Bestand. (ok, ist wohl aus Datenschutzrechtlicher Sicht aktuell nicht mehr ganz so aktiv nutzbar – aber warten wir die Brandenburger CDU ab)
      private Kameras zeichnen öffentlichen Verkehrsraum auf…. Werden sogar gefeiert, weil zur Überführung von Straftätern
      merkst Du was?

      1. Die Steuer-CDs ware nicht ominoes und natuerlich hat das Bestand.

        Die Daten konnten vor Erwerb per Stichprobe auf straf- und steuerrechtliche Verwertbarkeit geprueft werden, es wurde gekauft was sich als Hinweis und Basis fuer Ermittlungen und Verfahren rechtsstaatlich wie auch finanziell mehr als gelohnt hat. Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die alle anderen Buerger schaedigt. Waere natuerlich sehr nett gewesen, wenn die Hinweisgeber (=Zeugen) das kostenfrei getan haetten, aber das Ausloben von Belohnungen fuer Hinweise auf Straftaeter ist nichts ungewoehnliches und eben genau das Gegenteil einer anlasslosen Datensammlung.

        Wer das in eine Reihe mit Uebwerwachung stellt, disqualifiziert sich halt selbst.

  3. LOL?

    Gerade HESSEN hat ein mächtiges Problem mit Rechtsradikalen bei den Bullen.
    Und dieser rechtsradikale Sippe will man nun mehr BEFUGNISSE erteilen?

    #siegfailGermany

    1. Die bürgerlichen von CDU, SPD, FDP und Grün wissen: links steht der Feind und der Feind ist links. Rechts gibt es Einzeltäter, Links eine prinzipielle Bedrohung für ihre privilegierte Position.

  4. An Rene: Ich glaube schon das der Tim da richtig liegt. Niemand und ganz bestimt nicht Sportvereine mit teils vielen minderjährigen Mitgliedern hätten an einer 24/7 Überwachung durch die Polizei Interesse. Das sind sehr intime Bereiche der Privatsphäre und Persönlichkeitsentfaltung. Auch die Verhältnismässigkeit einer solchen Massnahme muss berücksichtigt werden. Die ist hier nicht im geringsten gegeben. Der Überwachungsdruck würde sich bei den z.b. privat überwachten Einkaufszentren noch mal verdoppeln. Grössere Bahnhöfe sind sowieso schon von der Bundespolizei überwacht. Also ist hier de facto kein zusätzlicher Bedarf mehr vorhanden. Man kann das ganze leider nur als einen dreisten Versuch der massiven Überwachungsausweitung unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechts werten – und nichts anderes. Daher ist auch der Ausdruck „Mogelpackung“ und die Absätze:

    „Zahlreiche Regelungen haben mit verstärktem Kampf gegen rechts nicht das Geringste zu tun“, so Torsten Felstehausen.

    „Das kritisierte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Müller: „Das bedeutet übersetzt, das künftig alle Einkaufszentren und Sportstätten auch in kleinen Städten und Gemeinden videoüberwacht werden können. Es geht nicht mehr um neuralgische Punkte.“ “

    als völlig korrekt einzustufen.

    1. Da haben unsere Politiker wohl
      „Bekämpfen von Rechten“ falsch interpretiert. Hoppsala! Kann ja mal passieren…

  5. Die Polizeigewerkschaft will von Racial Profiling nichts wissen. Zu viel zusätzliche Bürokratie, winkt Jan Pfeil von der Gewerkschaft der Polizei Bayern ab.
    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/racial-profiling-110.html

    Auswertung einer bundesweiten Telefonbefragung des Sachverständigenrats für Integration und Migration: Von rund 15.000 Befragten gaben fünf Prozent an, in den zwölf Monaten vor der Befragung (Ende 2021 bis Mitte 2022) mindestens einmal an einem öffentlichen Ort von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Davon wiederum nahmen sich 8,3 Prozent aufgrund von äußerlichen Merkmalen selbst als ausländisch wahr; 4,4 Prozent verneinten dies.
    https://www.svr-migration.de/presse/polizeikontrollen-in-deutschland/

    Die Bundespolizei erfasst lediglich die Gesamtzahl derer, die sie kontrolliert und verhindert damit empirische Aussagen zu Racial Profiling. Wer also genau und mit welcher Motivation kontrolliert wird, bleibt so im Dunkeln.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.