Zentrum für politische SchönheitBerliner Polizei durchsucht Künstler wegen Flyer-Aktion gegen AfD

Die Berliner Polizei geht schon wieder mit Hausdurchsuchungen gegen Aktionskunst vor. Wegen einer Kunstaktion gegen die rechtsradikale AfD hat sie Privatwohnungen von Mitgliedern des Zentrums für politische Schönheit durchsucht. Die Künstler halten die Ermittlungen für politisch motiviert und sprechen von einem Angriff auf die Kunstfreiheit.

Der „Flyerservice Hahn“ entsorgt AfD-Flyer. – Alle Rechte vorbehalten Zentrum für politische Schönheit

Die Berliner Polizei hat in den frühen Morgenstunden mehrere Privatwohnungen von Mitgliedern des Zentrums für politische Schönheit (ZPS) wegen angeblicher „Fälschung beweiserheblicher Daten“ durchsucht. Das berichten die Aktionskünstler auf Twitter und auf Rückfrage von netzpolitik.org. Die Berliner Polizei hat eine kurzfristige Presseanfrage zum Thema noch nicht beantwortet.

Nach Auskunft der Künstler:innen steht die Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit der Aktion „Flyerservice Hahn“, bei der es dem ZPS gelang, unter Vortäuschung einer erfundenen Firma tonnenweise Werbematerial der rechtsradikalen AfD im Bundestagswahlkampf zu erlangen und dieses im Rahmen einer Kunstaktion zu entsorgen.

Stefan Pelzer vom Zentrum für politische Schönheit hält die Durchsuchungen für einen „skandalösen Vorgang“. Er sagt gegenüber netzpolitik.org: „Die Ermittlungen sind politisch motiviert und beruhen auf völlig fadenscheinigen Begründungen. Statt endlich gegen Rechtsextremisten durchzugreifen, bricht die Berliner Polizei offensichtlich mit Rückendeckung des neuen Senats in unsere Wohnungen ein. Wir werten die Durchsuchungen als Angriff auf das Grundrecht auf Kunstfreiheit.“

Aus dem Durchsuchungsbeschluss twitterte das ZPS einen Auszug.

 

Provokation bundesweiter Debatten

Das Zentrum für politische Schönheit provoziert mit seinen Aktionen seit Jahren bundesweite Debatten zum Thema Menschenrechte, Migration und Rechtsradikalismus. Dabei nutzten die Aktionskünstler auch immer wieder Techniken der Kopie und Fälschung, bauten Webseiten der Bundesregierung nach oder kündigten an, mit Presslufthämmern den Platz vor dem Bundeskanzleramt umzugestalten

Aktionen des ZPS stehen oftmals am Rande von Illegalität und Strafbarkeit oder spielen mit dieser. Zum Zwecke der öffentlichen Debatte sind diese Provokationen fest eingeplant und gehören zur künstlerischen Methode der Gruppe, sie befeuert den medialen Diskurs auf vielfältige Weise und weist so auf politische Missstände hin.

In der Vergangenheit hatten die Künstler unter anderem dem rechtsradikalen Politiker Björn Höcke einen Nachbau des Holocaustmahnmals in den Nachbargarten gestellt. Ein Staatsanwalt, der sich später als AfD-Spender herausstellte, leitete damals Ermittlungen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gegen die Künstler ein. Das Verfahren wurde nach einem  öffentlichen Aufschrei eingestellt.

Berliner Polizei gegen Aktionskunst

In Berlin ist es nicht die erste Razzia gegen Aktionskünstler. Im vergangenen Juli hatte die Berliner Polizei Privaträume und das Büro des Peng-Kollektivs durchsucht wegen eines angeblichen Aufruf zu Straftaten. Die Durchsuchung gegen Peng stand im Zusammenhang mit der Webseite TearThisDown.com, die Peng gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland veröffentlicht hatte. Die Webseite zeigt eine Karte von Orten, an denen der Kolonialismus weiterlebt – und rief zu Aktionen gegen diese auf.

Auch gegen Adbuster und Streetart-Künstler fährt Berlin immer wieder harte Geschütze auf. Hierbei wurden Menschen, die Plakate in Werbekästen austauschen, auf unverhältnismäßige Weise kriminalisiert

19 Ergänzungen

  1. Wenn man „Zum Zwecke der öffentlichen Debatte sind diese Provokationen fest eingeplant und gehören zur künstlerischen Methode der Gruppe, sie befeuert den medialen Diskurs auf vielfältige Weise und weist so auf politische Missstände hin.“ ernst nimmt, ist die Hausdurchsuchung Teil der Kunst.

  2. Was ist nun eigentlich der Tatvorwurf? Betrug??

    Es wurde ja schon direkt nach der Wahl darüber berichtet, und schon damals war es nicht eindeutig klar, ob hier die Kunstfreiheit alles deckt. Mich wundert es aber, dass erst Monate später Durchsuchungen stattfinden. Das erweckt zumindest der Verdacht der Schikane bzw. „Bestrafung durch Polizeimassnahmen“.

      1. § 263 Betrug
        Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

        – Das Vermögen sind hierbei die Flyer. Ohne die hätte die „Kunstaktion“ schließlich nicht durchgeführt werden können.
        Die AfD Ortsvebände wurden natürlich geschädigt.

        (5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

        – Ja, das war wohl eine Bande, die das mehr als einmal gemacht hat.

        Ich hoffe, ich konnte zu eurer Erleuchtung beitragen.

        1. Nach meinem Kenntnisstand wurde der AfD vom ZPS angeboten, die Flyer zurückzugeben. Betrug scheidet nach meiner Einschätzung aus und wenn in Sachen Betrug ermittelt würde, dann stünde das auf dem Durchsuchungsbeschluss, den netzpolitik.org einsehen konnte.

          1. Also, ich habe Misstrauen gegenüber dem „ZPS“ . Der Artikel sagt meines Erachtens zu recht „Aktionen des ZPS stehen oftmals am Rande von Illegalität und Strafbarkeit“: Der Strafrahmen des Grunddelikts des § 263 und des § 269 sind gleich und auch in Tateinheit verwirklichbar. Der gezeigte Twitterauschnitt könnte auch so in einer Anklage wegen Betrugs stehen. Da das „ZPS“ vmtl. ein Verfahren vor dem Gericht befürchtet (Spendenaufruf), kann sie den Durchsuchungsbeschluss nicht straflos veröffentlichen, da er in „öffentlichen öffentlicher Verhandlung erörtert “ werden wird, § 353d Nr. 3 StGB. Und beim Betrug, hier einem Eingehungsbetrug, muss kein Geld fließen, es genügt ein Vermögenschaden. Und den sehe ich hier: Was hilft die Rückgabe von Wahlkampfflyern nach der Wahl? § 269 StGB braucht halt weniger Begründungsaufwand als § 263 StGB bei einem Durchsuchungsbeschluß.
            Zwar muss die Staatsanwaltschaft eine Norm zum Tatvorwurf angeben im Durchsuchungsbeschluß (mein Umkehrschluss aus § 163a IV StPO), aber nicht alle afaics. Mit dem Prozess wissen wir mehr. 5. Durch Recherche eines ARD-Journalisten ( https://twitter.com/DanielLaufer/status/1442788833297326084 ) zum „Flyerservice Hahn“ kann ich keine Kunstaktion sehen. Eine Tortenwurf ist auch eine Straftat und mag doch moralisch gerechtfertigt sein. Aber mit der Ohrfeige Beate Klarsfeld mag ich die Aktion nicht vergleichen. Vielmehr sehe ich eine irrreführende Firma und mit Fake-Kundenreferenzen, deren Existenz verschämt nach der Ende der Aktion verschwunden ist. Sie hoffen stets darauf, dass die betroffenen – wenn auch meist peinlichen – Personen aufgrund des Streisands-Effekts auf eine Strafanzeige verzichten. Das ist ein Geschäftsmodell. 6. Und außerdem halte ich Menschen, die sowas verzapfen („Humanität braucht Menschen, die unser aller Wert zu einer Frage ihrer Ehre machen,“ (Ruch, „Wenn nicht wir, wer dann“)) für unredlich, darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort!

          2. Nazidenkmäleranpinseln-Randvonstrafbarkeit vs Flyer kaputtmachen, die immerhin bezahlt und gedruckt wurden, sowie für den Bundestagswahlkampf bestimmt waren, Sorte-von-Randvonstrafbarkeit, sind schon mal unterschiedliche Kategorien.

            Es sei denn, mehr Widerstand ist das einzig gangbare, dann wird es wieder eine Kategorie. Am Ende heißt es dann neben „ich musste meine Familie ernähren“ und „die anderen haben doch auch alle mitgemacht“ noch „wir waren doch in einem Rechtsstaat“ ;).

            Was wäre eigentlich, wenn die Flyerfirma Anzeige gegen die Flyermacher gestellt hätten, wegen Verdacht auf irgendwas, Volksverhetzung o.ä., und in der Zeit nicht ausgeliefert hätten, weil das ja strafbar hätte sein können, um sie dann am Ende wegen Verletzung ihrer AGB zurückzugeben (Hetze o.ä.)? /hätte/würde?

      2. Entschuldigung, mir ist tatsächlich entgangen, dass der Link direkt zum entsprechenden Paragrafen führt (und die „Fälschung beweiserheblicher Daten“ war mir bisher nicht bekannt).

        Ich habe mich dazu jetzt mal ein bisschen schlauer gemacht – dazu findet man echt arg absurde Dinge, z.B. „Wer eine abtelefonierte Telefonkarte unberechtigt wieder auflädt, macht sich gemäß § 269 Abs. 1 StGB strafbar“ (??).
        Das sieht für mich also nach dem letzten Strohhalm der Strafverfolger bzw. des Staatsschutzes aus, um noch irgendwas tun zu können.

        1. Hehe. Ja, das mit den aufladbaren Telefonkarten ging schon in den 90ern los. Würd mich ned Wundern wenn das Gesetz 20 Jahre alt ist

  3. Bei der „künstlerischen Aktion“ handelt es sich aber um Betrug, da eine vertraglich vereinbarte und kostenpflichtige Leistung vorsätzlich nicht erbracht wurde und auch nachweislich nie erbracht werden sollte. Juristisch hat man da auch als „Künstler“ ganz schlechte Karten.

    Und da es hier auch noch zum Nachteil einer politischen Partei im Bundestagswahlkampf handelt, bekommt man ganz schnell Probleme mit dem Staatsschutz: das ist strafrechtlich relevant. Das war eine ganz blöde Idee.

    Man darf noch nicht einmal zum Spaß Wahlplakate abhängen bzw. verunstalten.

      1. (2) Der Versuch ist strafbar.

        Ich finde ja auch, das der wirtschafliche Schaden hier ja nach Perspektive nicht-existent bis erheblich ist, aber Ermittlungen sind nicht zu vermeiden.

    1. „Bei der „künstlerischen Aktion“ handelt es sich aber um Betrug, da eine vertraglich vereinbarte und kostenpflichtige Leistung vorsätzlich nicht erbracht wurde“

      das ist eben genau falsch. es wurde niemals auch nur ein vertrag über irgendwas geschlossen, auch nicht mündlich.

      die AfD hat einfach nur auf ein freibleibendens angebot von angeblichen unterstützern der partei reagiert, indem sie unverlangt, und ohne dass irgend etwas konkretes vereinbart worden wäre, irgendwo hingeschickt hat, ohne zu wissen, was damit geschieht.

      diese unseriöse arbeitsweise, per email irgendwelche dinge nur anzudeuten und herumzuschwurbeln und dann zu unhaltichbaren billigen preisen mündlich eine liestung bestellen zu wollen, scheint bei der AfD und ihre tatsächlichen unterstützern offenbar der normalfall zu sein, so dass denen das nicht auffiel, das das angebot (auch) unseriös war.

      sich dann hinterher auf den stadnpunkt zu stellen, dass jemand, den es gar nicht gibt, jetzt gefälligst die flyer verteilen soll, kann man machen, führt aber zu nix.

      falls wirklich verträge geschlossen worden wären, könnte sich die AfD übrigens auch die strafanzeige sparen, denn dann könnten sie den flyerservice hahn zivilrechtlich verklagen, was ihr viel mehr bringen würde.

      1. Ein Vertrag muss nicht ausdrücklich geschlossen werden, um wirksam zu sein. Er muss nicht einmal mündlich geschlossen werden. Wenn das ZPS ein (auch freibleibendes) Angebot versendet, und die andere Seite sich dann genau so verhält, wie nur jemand handeln würde, der das Angebot annehmen will (sog. schlüssiges oder konkludentes Verhalten), hat das ZPS eine Reaktionspflicht: Wollen sie nicht, dass ein Vertrag zustande kommt, müssen sie ausdrücklich ablehnen. Das haben sie hier nicht getan. Dass sie insgeheim keinen Vertrag schließen wollten, ist egal (§ 116 Satz 1 BGB).

        Im Übrigen hat das ZPS vorsätzlich im Rechtsverkehr getäuscht, indem sie so getan haben, als wollten sie tatsächlich einen Vertrag schließen, obwohl das nie ihre Absicht war. Das ist arglistiges Handeln. Unser Rechtssystem schützt aber (zurecht) nicht denjenigen, der arglistig handelt. Warum sollte es das auch? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie an Stelle der AfD gestanden hätten? Der einzige Grund, warum das Vorgehen des ZPS hier für akzeptabel gehalten wird, ist, dass man der AfD inhaltlich kritisch gegenübersteht. Zivilrechtlich ist der Vertrag aber wirksam zustande gekommen.

  4. „Privatwohnungen von Mitgliedern“

    Mit solcher Verzögerung? Und was für Mitglieder, alle?
    Das lässt sich sicherlich differenzieren, oder nicht? Wenn nicht, dann äh, wo ist’s noch mal schön auf dieser Welt?

    1. Mittlerweile hat die Polizei die Durchsuchung einer Privatwohnung und eines Ateliers bestätigt.

  5. Auf dem rechten Auge blind…

    Ich bin froh um den Mut und der persönlichen Einschränkungen, die von den Künstlern hingenommen werden. Mein tiefster Respekt!

  6. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/01/berlin-zentrum-fuer-politische-schoenheit-afd-flyer-polizei-razzia.html#top

    Hat die Diskussion geschlossen.

    Auch hier in Braunschweig bin ich Opfer willkürlicher Maßnahmen bis hin zu abstrakter Rechtsverfolgung (Angriff auf Polizeibeamten, Drogenhandel; Nichts davon) Trotz rotgrüner Mehrheit von 55 %

    Wir scheinen tatsächlich in dem von mir schon seit 15 Jahren behaupteten Naziputsch zu leben.
    Die AfD schafft es inzwischen, sich als demokratisch konservative Partei zu behaupten. Das war im Herbst 2017 noch ein Lacher. Die öffentliche Verwaltung wird allerorten unterwandert / infiltriert. Die Polizei weiß bestenfalls nicht ein noch aus.
    Meine private IT ist ein einziges Loch. Selbst Dokumente auf der Festplatte werden gefälscht bis in USB Stick Backups hinein.

    ~manfredo aka Holgar (von Schlagenstein)

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