KW 13Die Woche, in der wir Gruselprogramme und Horrorlisten durchackerten

Die 13. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 16 neue Texte mit insgesamt 169.292 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

in den vergangenen Tagen haben wir uns durch die Zwischenergebnisse der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD geackert. Die entsprechenden Papiere aller 16 Arbeitsgruppen sind inzwischen geleakt. Und wie zu erwarten war, stehen da sehr viele gruselige Dinge drin. Die sich anbahnende schwarz-rote Koalition will die Überwachung massiv ausbauen, Daten ökonomisch nutzbar machen und Grundrechte schleifen. Darüber hinaus sind noch viele Punkte umstritten. Vor allem die Union will es hier noch schärfer, noch restriktiver, noch AfDiger.

Beim Lesen der Papiere fiel mir auch auf, das gerade bei den digitalpolitischen Themen wieder einmal viele Buzzwords vorkommen. Union und SPD träumen von AI-Gigafactorys, einer KI-Offensive mit „100.000-GPU-Programm“ und Quantenhöchstleistungsrechnern. Und der erste Fusionsreaktor der Welt soll bitteschön in Deutschland stehen.

Ich frage mich, warum Politiker:innen glauben, mit solchen Buzzwords um sich werfen zu müssen. Sie betreiben keinen Stand auf einer Verkaufsmesse. Sie sprechen auch nicht auf einer Jahreshauptversammlung zu Aktionär:innen. Sondern sie sind gewählte Volksvertreter:innen, die politische Probleme lösen sollen. Nicht mehr und nicht weniger.

Welche Probleme aber soll eine „AI-Gigafactory“ konkret lösen – zumal anderswo KI-Rechenzentren leerstehen? Und wann genau können wir mit der Fusionsenergie rechnen, die uns schon seit einer gefühlten Ewigkeit verheißen ist? Ich glaube, dass solche Ideenhülsen vor allem bestehende Probleme verschleiern sollen. Dass unsere Straßen, Schulen und Schienennetze marode sind. Dass an allen Ecken Lehrer:innen, Richter:innen und Verwaltungsbeamt:innen fehlen. Dass es vielerorts an Grundlegendem mangelt.

Umso mehr lohnt es sich, genauer zwischen die Buzzwords zu schauen. Dort finden sich dann Formulierungen, die wirklich politische Sprengkraft haben. Wie etwa der schlichte Satz: „Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen.“

Dieser Wunsch der Union findet sich ausgerechnet im Abschnitt „Stärkung der repräsentativen Demokratie“. Und Verhandlungsführer der zuständigen Arbeitsgruppe war ausgerechnet der CDU-Politiker Philipp Amthor. Dessen Augustus-Intelligence-Skandal wurde durch das besagte Gesetz öffentlich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Dass die Union die demokratische Kontrolle des Staates derart beschneiden will, hat bei Journalist:innen, NGOs und Aufsichtsbehörden für einen Aufschrei gesorgt. „Selten habe ich zu einem Thema innerhalb weniger Stunden so viele Reaktionen bekommen“, schreibt mein Kollege Sebastian. Philipp Amthor versucht derweil zu beschwichtigen und wirft – statt mit Buzzwords – mit Nebelkerzen um sich.

Kommt gut durchs Wochenende!
Daniel

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Neues aus dem Fernsehrat (110)Öffentlich-rechtliche und private Medien zwischen Wettbewerb und Kooperation

Private und öffentlich-rechtliche Medien stehen unter Druck – nicht nur durch Big Tech, sondern auch weil überholte Wettbewerbslogiken das wechselseitige Verhältnis prägen. Dabei gibt es im digitalen Raum Potenziale für Kooperation, die gerade wegen jeweils unterschiedlicher Logiken möglich sind.

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KoalitionsverhandlungenWo Union und SPD bei der Digitalpolitik streiten

Eine Arbeitsgruppe mit Vertreter:innen von Union und SPD hat die digitalpolitischen Schwerpunkte der künftigen Koalition verhandelt. Wir veröffentlichen den Zwischenstand vom 22. März. Große Unstimmigkeiten gibt es demnach vor allem bei den Themen Datenschutz, Open Source und IT-Sicherheit.

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23andMeGen-Daten von über 15 Millionen Menschen stehen zum Verkauf

23andMe meldet Insolvenz an. Das kalifornische Unternehmen bietet kommerzielle Gen-Analysen an und ist im Besitz der Erbdaten von Millionen von Menschen. Der kalifornische Justizminister befürchtet durch den Verkauf negative Folgen für Nutzer:innen und erinnert an das Recht auf Löschung der Daten.

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KoalitionsverhandlungenGruselprogramm für Grund- und Freiheitsrechte

Union und SPD wollen Überwachungen aller Art ausbauen und das Migrationsrecht drastisch einschränken. Bei manchen Punkten sind sich die zukünftigen Koalitionäre noch nicht einig. Wir veröffentlichen und analysieren das aktuelle Verhandlungspapier zur Innen- und Sicherheitspolitik.

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Pride-VerbotGesichtserkennung in Ungarn verstößt gegen EU-Gesetze

In Ungarn sollen Teilnehmer:innen von Pride-Demonstrationen jetzt per Gesichtserkennung identifiziert und mit Bußgeldern bestraft werden. Bürgerrechtsorganisationen hatten vor einem solchen Szenario gewarnt, als die EU ihre laschen Regeln für biometrische Identifikation verabschiedete. Das ungarische Gesetz verletzt ihrer Meinung nach dennoch gleich mehrere EU-Gesetze.

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„Angriff auf die Demokratie“Breiter Aufschrei für Erhalt der Informationsfreiheit

Keine Einsicht mehr in amtliche Dokumente? Die aus den Koalitionsverhandlungen geleakten Pläne der Union zur Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) sorgen für einen Aufschrei von Journalist*innen, NGOs und Aufsichtsbehörden. Sie sehen die demokratische Kontrolle des Staates in Gefahr.

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Schwarz-rote KoalitionsgesprächeDaten vernetzen, Datenschutz schleifen

Union und SPD wollen Bürgerkonten und Altersverifikation zur Pflicht machen. Und sie träumen von Fusionsreaktoren und KI-Gigafactorys. Unsere erste Analyse der netzpolitischen Pläne aus 13 Verhandlungsgruppen zeigt: Profitieren würden vor allem die Wirtschaft, die Forschung und das Militär.

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PressefreiheitReporter ohne Grenzen kritisiert Israels Angriffe auf Journalist:innen

Fast 200 Journalist:innen wurden im aktuellen Gazakrieg getötet. Reporter ohne Grenzen hat die Fälle dokumentiert und macht das israelische Militär für die meisten verantwortlich. Die Organisation kritisiert, dass auch in Ostjerusalem und im Westjordanland die Pressefreiheit weiter unter Druck gerät.

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Zentrum für digitale SouveränitätBund legt offener Verwaltungssoftware Steine in den Weg

Um die Abhängigkeit der öffentlichen Verwaltung von Microsoft zu verringern, rief die Ampel-Regierung das „Zentrum für Digitale Souveränität“ ins Leben. Es soll unter anderem den Einsatz und die Weiterentwicklung von Open-Source-Lösungen vorantreiben. Doch der Bund behindert die Arbeit des Zentrums, statt diese zu fördern.

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Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

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