EU-MigrationspaktKritik an der digitalen Überwachung von Migrant:innen

Der jüngst vom Europäischen Parlament beschlossene „Neue Migrationspakt“ erweitert Überwachungstechnologien und KI-Anwendungen an den EU-Außengrenzen – und erfährt Gegenwind.

Im Hintergrund ist ein Stacheldrahtzaun zu sehen, über den ein blau-violetter Filter gelegt ist. Davor ist das Logo von #ProtectNotSurveil abgebildet. Es zeigt eine Wortmarke des Namens sowie eine Hand, die eine Blume hält und eine Überwachungskamera.
Organisationen, Aktivist:innen und Forscher:innen setzen sich dafür ein, dass die EU-Verordnung Menschen auf der Flucht vor Schäden durch KI-Systeme schützt. CC-BY-SA 4.0 #ProtectNotSurveil

Vergangenen Mittwoch verabschiedete das Europäische Parlament den neuen Pakt zu Migration und Asyl. Das ist ein Reformpaket aus acht Gesetzen, die unter anderem dafür sorgen sollen, dass Asylsuchende in der EU überall gleich behandelt werden. Aber durch das Paket weitet die EU auch die digitale Überwachung und Kriminalisierung von Migrant:innen aus.

Ein Bündnis verschiedener Organisationen, die sich für Datenschutz und Menschenrechte einsetzen, hat die darin beschlossenen Inhalte kritisiert. Unter dem Motto #ProtectNotSurveil – schützen, nicht überwachen – fordert es die Europäische Union auf, den Einsatz schädlicher Überwachungstechnologien gegen Geflüchtete zu verbieten. Außerdem setzt es sich dafür ein, den Einsatz sogenannter Künstliche Intelligenz (KI) im Migrationskontext zu regulieren.

Teil des Bündnisses sind unter anderem AlgorithmWatch, Amnesty International, European Digital Rights (EDRi) und DigitalCourage. Auch Privacy International (PI) hat sich angeschlossen und veröffentlichte das gemeinsame Statement. Es beschreibt, wie die Reform es ermöglicht – und teils sogar vorschreibt – Migrant:innen zu überwachen.

Viel Kritik am Migrationspakt

#ProtectNotSurveil kritisiert, der Migrationspakt stelle Menschen auf der Flucht unter Generalverdacht und überwache sie flächendeckend. Insbesondere die Eurodac-Verordnung verpflichte dazu, biometrische Daten zu erheben und für zehn Jahre zu speichern. Die Inhalte der riesigen Datenbanken können zwischen verschiedenen Polizeibehörden ausgetauscht werden. Auch die Daten von Kindern dürfen erhoben werden – nach dem neuen Gesetz schon ab einem Alter von 6 statt 14 Jahren – und dies zur Not auch unter Zwang.

Im Rahmen der Screening-Verordnung werden in Zukunft umfassende Checks aller irregulär Einreisenden durchgeführt. Die Kontrollen, bei denen die Identität sowie Biometrie- und Gesundheitsdaten erhoben werden, können bis zu sieben Tage dauern.

Neue Kontrollverfahren an den Grenzen würden dazu führen, dass mehr Menschen in gefängnisähnlichen Einrichtungen festgehalten werden. #ProtectNotSurveil fürchtet Zentren nach griechischem Vorbild – mit intensiver biometrischer Überwachung und allgegenwärtigen Kameras und Bewegungsmeldern.

Die Reform des Schengener Grenzkodex, deren Verabschiedung noch aussteht, soll in Zukunft allgemeine Polizeikontrollen erleichtern. Sie fördere den Einsatz von Überwachungstechnologien, kritisiert das Bündnis – sowohl im EU-Inneren als auch an den Außengrenzen.

Bereits im Vorfeld des Beschlusses hatten mehr als 50 gemeinnützige Organisationen einen offenen Brief an die Europäische Kommission gerichtet. Sie sorgten sich, dass der Migrationspakt zu einem teuren, schlecht funktionierenden und unmenschlichen System führen werde.

KI-Einsatz bei der Migration

Der Migrationspakt stützt sich auf bestehende europäische Gesetze wie die KI-Verordnung. Auch die wurde von #ProtectNotSurveil kritisiert. Die Koalition forderte, KI-Praktiken im Bereich der Migration zu regulieren, um die Menschen an den EU-Außengrenzen zu schützen. Auch wollte sie Praktiken verbieten, die in die Grundrechte von Migrant:innen eingreifen.

Am 13. März wurde die KI-Verordnung beschlossen. Viele Anmerkungen der Datenschützer:innen blieben aber ungehört. In einer Analyse erklären EDRi und andere Organisationen, wie das endgültige Gesetz im Vergleich zu den Forderungen abschneidet. #ProtectNotSurveil sorgt sich nun um den verstärkten Einsatz invasiver Technologien – etwa von automatisiertem Profiling, Dialekterkennungssystemen und pseudowissenschaftlichen Technologien wie Lügenendetektoren.

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