Digitale SouveränitätMastodon-Server der EU steht weiter vor dem Aus

Die EU ist im Fediverse mit eigenen Servern auf Mastodon und Peertube präsent und damit fast allen Regierungen der Welt voraus. Am Samstag sollen die Server jedoch abgeschaltet werden, weil keine EU-Institution den Betrieb übernehmen will. Was danach mit den Accounts geschehen soll, ist weiter unklar.

Das Skelett eines Mammuts, leicht in seine Einzelteile zerfallen, liegt in einem Museum.
Die Mastodon-Präsenz der EU zerfällt in ihre Einzelteile. – Public Domain Boris Hamer

Es ist weiter unklar, wie die EU ab kommender Woche im Fediverse vertreten sein wird. Momentan betreibt der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) zwei Server für Mastodon und Peertube. Auf denen haben 40 Institutionen Accounts, darunter die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof. Vor einigen Wochen kündigte der Datenschutzbeauftragte aber an, die Server bald dicht machen zu wollen.

Der Grund: Sie waren nur als Pilotprojekt gedacht. Dieses sollte ursprünglich nur für ein Jahr laufen, der EDPS hatte es schon um ein Jahr verlängert. „In dieser Zeit haben wir versucht, einen neuen Betreiber bei den EU-Institutionen mit mehr Kapazitäten und Ressourcen als beim EDPS zu finden“, erklärte ein Sprecher gegenüber netzpolitik.org. „Leider war keine EU-Institution verfügbar, den Betrieb des Projekts zu übernehmen.“ Deshalb wird der EDPS die beiden Server am Samstag abschalten.

Hunderttausende Follower:innen

Was dann mit den Accounts der einzelnen Institutionen passieren wird, ist weiter unklar. Der Account der Kommission hat innerhalb der letzten zwei Jahre immerhin 102.000 Follower:innen angesammelt. Auf Ex-Twitter sind es 1,8 Millionen, dort postet die Kommission aber auch schon seit 2010.

Kurz nach der Ankündigung des EDPS hatte die Kommission ein etwas kryptisches Update auf Mastodon gepostet: „Wir arbeiten an einer Lösung, um unsere kontinuierliche Präsenz auf euren Feeds zu gewährleisten, indem wir Mastodons portable Identitäten voll ausnutzen.“ Das Team hinter der Mastodon-Präsenz soll ausgebaut werden, hieß es dort.

Weiteres Vorgehen weiter unklar

Aber heißt das, dass die Kommission den Betrieb des Mastodon-Servers übernehmen will? Auf Nachfrage von netzpolitik.org hieß es wieder nur, man arbeite an einer technischen Lösung. Der EDPS hat bis heute jedenfalls nichts von Plänen der Kommission gehört, Verantwortung für die Mastodon-Präsenz der EU zu übernehmen. Der letzte Stand dort ist, dass alle Institutionen ab kommenden Samstag selber für ihre eigenen Accounts zuständig sein werden.

Auf Mastodon können Accounts relativ einfach zwischen Servern umgezogen werden. Die Institutionen müssten also keinen eigenen EU-Server betreiben, sondern könnten zum Beispiel auch auf den bei weitem größten Server mastodon.social oder den inoffiziellen EU-Politiknerd-Server eupolicy.social wechseln. Aber was wäre die Signalwirkung, wenn die EU-Institutionen nicht einmal genug digitale Souveränität hinbekommen, um einen gemeinsamen Mastodon-Instanz zu betreiben?

5 Ergänzungen

  1. > „Leider war keine EU-Institution verfügbar, den Betrieb des Projekts zu übernehmen.“

    Übersetzt heißt das: Wir wollen das nicht mehr, und wir möchten das auch nicht begründen.

    1. warum braucht es dazu überhaupt eine ganze „EU-Institution“? und warum läuft das auf dem selben Niveau ab wie bei der Freiwilligensuche für den Schulausflug („es haben sicch keine Eltern gemeldet, der Ausflug muss leider ausfallen.“).

  2. Nicht zu vergessen: Bei Mastodon-Umzügen kann man immer noch keine Tröts migrieren! Es gibt zwar inoffizielle Patches, die das ermöglichen [1], da muss die Zielinstanz einem aber selbst gehören. Selbst dann aber verliert man die angehängten Antworten und Debatten und das ist im Falle der EU-Institutionen Verlust von demokratischem Diskurs!

    [1] https://social.luca.run/@luca/112115854466185937

    1. Vielleicht hat der EDPS die Spamwelle Anfang des Jahres (https://archive.ph/tBp3C) mitbekommen, empfindet die Verantwortlichen hinter Mastodon als zu inkompetent und schwerfällig und hat das intern auch kommuniziert, aber für die Kommunikation nach außen hin war die Wahrheit dann doch zu unhöflich.

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