Liebe Leser:innen,

die Posse um Andi Scheuer als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses der Stadt Passau hat in der Redaktion für große Belustigung gesorgt. Lachen ist gut, denn die Verteidigung von Grund- und Freiheitsrechten ist ja bekanntermaßen nicht immer nur spaßig. Das liegt auch daran, dass wir meistens in einem Abwehrkampf sind.

Einen spannenden Text mit einer Vorwärtsverteidigung hat mein Kollege Martin Schwarzbeck geschrieben. Die Grundaussage: Wegen biometrischen Diensten wie Pimeyes und ausufernden staatlichen Gesichtserkennungsbefugnissen müssen wir das auf Demonstrationen geltende pauschale Vermummungsverbot abschaffen. Das fordert nicht irgendwer, sondern angesehene Menschenrechtsorganisationen wie die GFF, Amnesty International und die Humanistische Union.

Das Problem mit der Gesichtserkennung ist nämlich, dass Menschen durch deren Einsatz davon abgehalten werden könnten, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben. Denn wenn ich Angst haben muss, dass mein Name wegen eines Demobesuchs plötzlich in Feindeslisten von Neonazis auftaucht, dann bin ich nicht mehr frei. Wenn ich fürchten muss, dass Polizei oder Geheimdienste Teilnehmerlisten von Demos anlegen, dann fange ich an abzuwägen, ob mir nicht Nachteile entstehen könnten. So etwas schadet der lebendigen Demokratie.

Herzliche Grüße

Markus Reuter


Unsere Artikel des Tages

Andreas ScheuerVon diabolischen Kräften aus dem Stadtrat vertrieben

Wir alle haben ihn in guter Erinnerung als äußerst erfolgreichen Verkehrs- und Digitalminister. Unvergessen sein Einsatz gegen Funklöcher und für eine Pkw-Maut. Doch wie kam es dazu, dass der beliebte Politiker von „Steigbügelhaltern der Bösartigkeit“ zum Rücktritt aus dem Passauer Stadtrat gedrängt wurde? Eine Glosse.

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Automatisierte GesichtserkennungWie das Vermummungsverbot Menschen und Grundrechte gefährdet

Es gibt gute Gründe, auf Versammlungen das Gesicht zu verhüllen. Filmende Neonazis und Polizist*innen zum Beispiel – und die wachsende Bedrohung durch automatisierte biometrische Identifikation. Amnesty International, die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Humanistische Union fordern ein Ende des pauschalen Vermummungsverbotes.

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SachverständigeWie man politische Forderungen einbringt und rechtliche Grenzen absteckt

Wer erarbeitet die schriftlichen Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen im Bundestag und aus welcher Motivation heraus? In welcher Atmosphäre finden Sachverständigenanhörungen statt? Wir sprechen mit Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte über Parlamentsausschüsse, die Beteiligung der Zivilgesellschaft und wie man in 24 Stunden 88 Seiten Gesetzentwurf bewertet.

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Gesichtserkennung in SachsenDatenschutzbeaufragte kritisiert biometrische Videoüberwachung als verfassungswidrig

Sachsens Datenschutzbeauftragte kritisiert die biometrische Überwachung in der Region Görlitz scharf. Sie hält das Vorgehen für „höchst bedenklich“ und verfassungswidrig. An Polizei und Staatsanwaltschaften richtet sie den Appell, diese Form der Überwachung vorerst zu unterlassen.

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Neue polnische Regierung„Es hat sich nichts geändert, rein gar nichts“

Wir sprechen mit Katarzyna Szymielewicz, Präsidentin der polnischen NGO Panoptykon Foundation. Wie hat sich die Situation für digitale Rechte verändert, seit Donald Tusk die Regierung übernommen hat? Was passiert an der Ostgrenze des Landes? Wie steht es um die Untersuchung zu Pegasus? Und sitzen wir alle in einem sinkenden Schiff?

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New Polish government“No change has happened, absolutely none”

We talk with Katarzyna Szymielewicz, president of the Polish NGO Panoptykon Foundation. How has the situation for digital rights changed since Donald Tusk took over the country’s government? What’s happening at the country’s Eastern border? What’s the state of the investigation into Pegasus? And are we all sitting in a sinking ship?

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Hauchdünne SperrminoritätKeine Chatkontrolle-Abstimmung beim EU-Ministertreffen

Die Chatkontrolle-Achterbahn fährt in die nächste Schleife: Weil mehrere Länder weiterhin eine Sperrminorität bilden, wird das Thema beim EU-Ministertreffen am Donnerstag nur am Rande behandelt. Über den Verordnungstext, der eine gefährliche Massenüberwachung bringen würde, besteht weiter keine Einigkeit.

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Tickermeldungen

Lesenswert, wichtig und spannend – hier fasst die Redaktion netzpolitische Meldungen von anderswo als Linktipps zusammen.

nobelprize.org
Den diesjährigen Nobelpreis in Chemie teilen sich David Baker, Demis Hassabis und John Jumper. Die beiden Letzteren arbeiten bei Google Deepmind und haben mit Hilfe sogenannter Künstlicher Intelligenz komplexe Protein-Strukturen modelliert und vorhergesagt.
Novaya Gazeta Europe
Seit Dienstag ist der Messaging-Dienst Discord in Russland blockiert. Der Regulierungsbehörde Roskomnadzor zufolge habe der Anbieter unter anderem gegen russische Anti-Terrorgesetze verstoßen, auch habe sich eine Geldbuße von 3,5 Mio. Rubel angesammelt.
Right Livelihood Award
Forensic Architecture erhält in diesem Jahr den Right Livelihood Award, den sogenannten Alternativen Nobelpreis. Die Recherchegruppe deckt Menschenrechtsverletzungen mit Hilfe digitaler Technologien auf. Die Verleihung erfolgt am 4. Dezember in Stockholm.
tagesschau
Der Oberste Gerichtshof von Brasilien gestattet X (Twitter) den Neustart. Besitzer Elon Musk hat die Millionen-Strafe gezahlt, die der Gerichtshof angeordnet hatte. Zuvor kämpfte er mehrere Wochen gegen das verhängte Verbot, um weiterhin rechtsextreme Inhalte verbreiten zu können.
The Guardian
Eine Studie zeigt: Technologie für die Gesundheit von Frauen erhält mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Finanzierung, wenn eine Frau im Gründungsteam ist.
Ars Technica
Elon Musks X unternimmt offenbar nichts gegen sogenannte Rachepornos – es sei denn, es trudelt eine Beschwerde wegen Verstößen gegen das Urheberrecht ein. Das haben Forscher:innen in einer Studie herausgefunden.
Verbraucherzentrale Sachsen
Amazon will bei Prime Video ab 2025 offenbar noch mehr Werbung bringen. „Falls Amazon diese Änderung erneut ohne Zustimmung der Abonnenten umsetzt, erweitern wir unsere bereits laufende Sammelklage“, kündigt die Verbraucherzentrale Sachsen an.
The New York Times
Die NYT beleuchtet das US-Industriebündnis NetChoice, das bislang erfolgreich juristisch gegen Alterskontrollen und sonstige politische Vorgaben im Internet vorgeht. Es wird aber auch Kritik an der Lobbygruppe laut, unter anderem von Tim Wu.
t-online
Rekord! Gut 40 Jahre nach der Veröffentlichung von Tetris hat ein 16-jähriger Texaner das Spiel komplett durchgespielt. Er ist der erste, der alle 255 Level geschafft hat.
Reuters
Die Zerschlagung von Google bleibt eine realistische Option, so das US-Justizministerium. Nach einem wegweisenden Urteil aus dem Sommer werden derzeit die Folgen der Einstufung als illegaler Monopolist diskutiert.
Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften
Der Nobelpreis in Physik geht dieses Jahr an John J. Hopfield und Geoffrey E. Hinton. Die beiden Forscher haben sich bei der Entwicklung sogenannter Künstlicher Intelligenz und neuraler Netze hervorgetan.
The Washington Post
Mehr als ein Dutzend US-Bundesstaaten verklagen TikTok. Das soziale Netzwerk mache absichtlich süchtig und schade so vor allem minderjährigen Nutzer:innen, heißt es in der Klage – nicht die erste dieser Art.
taz
Alarm Phone gibt es nun seit 10 Jahren. Flüchtende in Seenot können bei der Hotline anrufen, die dann versuchen, Hilfe zu organisieren. 8.000 Boote mit mehr als 200.000 Menschen hätten dieses Angebot bis heute genutzt.
Appeals Centre
In Irland gibt es eine neue Streitbeilegungsstelle für Konflikte rund um den Digital Services Act. Sie spezialisiert sich vorerst auf Konflikte bei Facebook, TikTok und YouTube. Beschwerden sollen ab Ende des Jahres möglich sein.
Gesellschaft für Informatik
Die Gesellschaft für Informatik warnt vor dem Einsatz der Delos-Cloud in der öffentlichen Verwaltung. Die Cloud-Lösung der SAP-Tochter sei auf eine kontinuierliche Versorgung mit Microsoft-Updates angewiesen und stelle einen potenziellen „Booster“ für die digitale Abhängigkeit dar.
taz
"Wer nicht um die einzige Tischtennisplatte im Block kämpfen will, zockt halt zu Hause." Mal ein anderer Blick auf das Thema Gaming-Sucht bei Jugendlichen und ein Plädoyer für lebenswerte analoge Räume.

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