Verfassungsbeschwerde zum AusländerzentralregisterAsylbescheide auf dem Präsentierteller

Dürfen sensible Daten von Geflüchteten in einem zentralen Register gespeichert werden, auf das auch Polizei und Geheimdienste Zugriff haben? Mit dieser Frage muss sich jetzt das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Elf Geflüchtete legen mit der Unterstützung von mehreren Organisationen Beschwerde ein.

Das BAMF ist die zuständige Behörde für das Ausländerzentralregister. – Alle Rechte vorbehalten Imago / Joko

Seit 2022 dürfen auch Asylbescheide im Volltext im Ausländerzentralregister gespeichert werden. Tausende von Behörden haben dort mit wenigen Klicks Zugriff auf die Dokumente, darunter Ausländerbehörden, Jobcenter und Jugendämter, aber auch Polizei und Geheimdienste.

Ist das verfassungsgemäß? Diese Frage soll das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat Ende Oktober gemeinsam mit Pro Asyl, dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und elf geflüchteten Menschen Beschwerde gegen das „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“ erhoben.

Aylbescheide enthielten besonders häufig sensible Informationen dazu, warum Menschen Asyl beantragen, argumentieren die Organisationen, es gehe um politische Überzeugungen oder die sexuelle Orientierung. Solche Unterlagen an zentraler Stelle zu speichern, wo Tausende Zugriff darauf haben, bringe die Betroffenen unnötig in Gefahr.

Massenhafter Zugriff erhöht die Missbrauchsgefahr

Das Ausländerzentralregister ist mit rund 26 Millionen personenbezogenen Datensätzen eines der größten automatisierten Register der deutschen Verwaltung. Registriert wird darin jede Person, die ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland lebt, laut dem Statistischen Bundesamt derzeit rund 13 Millionen Menschen. Dazu kommt noch die separat geführte Visadatei für Menschen, die sich mit einem Visum im Land aufhalten.

In den vergangenen Jahren wurde das Register mehrfach ausgeweitet, zuletzt im Jahr 2021 mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“. Schon bei der Verabschiedung zeigten sich die Verbände entsetzt, dass Daten aus dem Asylverfahren nun ebenfalls im Register abgelegt werden sollten. Das betrifft Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder Gerichtsentscheidungen in asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren. Insgesamt können etwa 16.000 öffentliche Stellen und mehr als 150.000 Behördenmitarbeiter:innen auf das Register zugreifen.

Diese massenhaften Zugriffsmöglichkeiten auf das AZR erhöhe das Missbrauchspotenzial enorm, das beschrieb die GFF bereits im vergangenen Jahr in einer Studie. Nicht nur bestehe die Gefahr, dass Behörden viel zu ausufernd vom Datenabruf Gebrauch machten. Im schlimmsten Fall könnten Daten wie Adresse, sexuelle Orientierung oder politische Überzeugung in die Hände von rassistisch motivierten Straftäter:innen oder Verfolgerstaaten gelangen und Betroffene so in Lebensgefahr bringen.

„Auf dem Silbertablett präsentiert“

Das Verfahren bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert die Rechtsanwältin Sarah Lincoln. Sie kritisiert, die Daten von Geflüchteten würden möglichen Verfolgern „auf dem Silbertablett“ präsentiert. „Bei hunderttausenden Zugriffsberechtigten ist es für Geheimdienste aus den Verfolgerstaaten oder für rassistische Straftäter*innen mit Verbindungen in deutsche Behörden ein Leichtes, an das Profil eines Geflüchteten samt Adresse zu gelangen.“

Auch der Lesben- und Schwulenverband hatte schon bei der Verabschiedung des Gesetzes gewarnt: Die Begründungen aus den Verfahren im Register zu speichern bringe queere Geflüchtete in Gefahr. Gerade sie müssten bei ihren Anträgen schließlich intimste Angaben über ihre sexuelle Orientierung oder Identität preisgeben, um Asyl zu bekommen.

Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, wirft der Regierung vor, die Grundrechte von geflüchteten und migrierten Menschen zu beschneiden, „um in der aufgeheizten Stimmung vermeintlich zu punkten“.

Zwar werden die neuen Befugnisse offenbar kaum genutzt. Eine Nachfrage der linken Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hat gezeigt: Gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes waren erst drei solche Entscheidungen in der Datensammlung gelandet. Sechs mal hatte eine Ausländerbehörde die Informationen abgerufen, ein Mal eine Außenstelle des BAMF. Ein eher überschaubarer Nutzen. Doch festhalten will die Bundesregierung an der Regelung trotzdem. Sie hält die Regelung weiter für „erforderlich“.

Erforderlich wird damit für die Verbände vor allem eins: vom Verfassungsgericht klarstellen zu lassen, ob die Regelung überhaupt zulässig ist. Gemeinsam mit den Kläger:innen wollen sie erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht die grundrechtlichen Grenzen für die Speicherung von Daten geflüchteter Menschen absteckt. Gleichzeitig haben sie mit zwei Geflüchteten auch Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach eingereicht, sie richtet sich gegen die Weitergabe ihrer Daten an die Polizei und Geheimdienste.

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