Pläne des InnenministeriumsDie Ampel darf mehr Transparenz nicht auf die lange Bank schieben

Bis 2025 will sich das Innenministerium mit dem Bundestransparenzgesetz Zeit lassen. Damit landet die wichtige Reform am Ende der Legislaturperiode und mitten im Wahlkampf. Unser Autor fürchtet: Das ist ein Rezept zum Scheitern.

Eine Lupe vergrößert einen Ausschnitt einer abstrakten Stadtsilhouette
Ein Transparenzgesetz ermöglicht es Bürger:innen, die Politik genauer unter die Lupe zu nehmen. – Public Domain Midjourney „a magnifying glass in the style of Bauhaus“

Wer etwas erreichen will, braucht Ziele, Zeitpläne und – wenn es komplizierter wird – auch Meilensteine. Die Bundesregierung zum Beispiel will transparenter und partizipativer werden. Im Rahmen der Open Government Partnership veröffentlicht sie deshalb regelmäßig Aktionspläne. Der vierte steht bald an, deshalb hat die Bundesregierung jetzt einen ersten Entwurf des neuen Aktionsplans [PDF] zur Kommentierung online gestellt. Ein wichtiges Ziel schiebt sie darin ganz ans Ende der Legislaturperiode und macht damit einen großen Fehler.

Es geht um das Bundestransparenzgesetz. Als Zeitraum für die Umsetzung steht im Aktionsplan „bis Ende September 2025“. Als einziger Meilenstein für das Vorhaben ist bislang nur das „Inkrafttreten des Gesetzes bis zum 30. April 2025“ aufgeführt. Dabei waren die Pläne mal ambitionierter: Das zuständige Innenministerium hatte sich das Transparenzgesetz für 2023 auf die To-Do-Liste gesetzt, also noch dieses Jahr. Eckpunkte hätte es bereits bis Ende 2022 vorgelegt haben wollen.

Die Verzögerung könnte für die Reform zu einem großen Problem werden: 2025 endet die aktuelle Legislaturperiode und der nächste Wahlkampf beginnt. Umstrittene Projekte haben es in der Endphase von Koalitionen erfahrungsgemäß schwer, denn jede Partei will ihr eigenes Profil schärfen und der Gegenseite keine Erfolge gönnen. Mit dem langsamen Tempo gefährdet das Innenministerium deshalb das wichtige Vorhaben.

Mögliches Kernstück progressiver Politik

Dabei hätte das Transparenzgesetz eigentlich das Zeug, zu einem Kernstück progressiven Regierungshandelns zu werden. Das würde zu einer selbsternannten „Fortschrittskoalition“ passen. Es könnte dafür sorgen, dass Behörden und Ministerien Informationen wie zum Beispiel Gutachten, Verträge oder Daten aus Umweltmessungen laufend auf einem eigenen Transparenzportal veröffentlichen müssen. Bislang gilt im Bund nur ein Informationsfreiheitsgesetz, bei dem Bürger:innen diese Informationen zwar anfragen dürfen, von staatlichen Stelle jedoch oft abgewimmelt oder mit Gebührenandrohungen eingeschüchtert werden.

Ein Transparenzgesetz würde die öffentliche Kontrolle über den Staat verbessern, Bürger:innen mehr Teilhabe ermöglichen und auch den Informationsfluss zwischen Behörden verbessern. Das zeigt das Beispiel Hamburg, wo seit mehr als zehn Jahren ein Transparenzgesetz gilt. Seit langem macht die Zivilgesellschaft Druck, dass es auch für den Bund kommt. Die Freude war deshalb groß, als SPD, Grüne und FDP das Vorhaben prominent in ihren Koalitionsvertrag schrieben. Doch im ersten Regierungsjahr tat sich nichts, zwischen Zeitwende und Kompetenzgerangel war für progressive Digitalgesetze wenig Platz.

Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis schrieb daraufhin einen eigenen Gesetzesvorschlag und überreichte ihn vor zehn Monaten dem zuständigen Innenstaatsekretär und Bundes-CIO Markus Richter. Dieser versprach: Das Vorhaben habe für ihn und auch für Innenministerin Nancy Faeser (SPD) höchste Priorität.

Doch von Nancy Faeser hört man zu dem Thema seit Monaten absolut nichts, sie wirbt lieber für mehr Überwachung von Bürger:innen als für mehr Transparenz des Staates. Die Hausabstimmung zu den Eckpunkten wolle man „demnächst“ einleiten, sagte ein Sprecher des Innenministeriums vor etwa zwei Monaten. Es geht um die anfangs erwähnten Eckpunkte, die schon Ende letzten Jahres fertig sein sollten.

Innenministerium arbeitet am großen Wurf

Nach hoher Priorität für die Transparenz fühlt sich das alles nicht an. Immerhin: Das Innenministerium suchte in den vergangenen Monaten das Gespräch mit der Zivilgesellschaft. Der im Ministerium für das Thema zuständige Referent besuchte mehrere Veranstaltungen zum Thema, diskutierte das Vorhaben etwa mit dem Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit auf der Tagung des Netzwerk Recherche in Hamburg oder mit den Expert:innen von Wikimedia in Berlin. Nur: Viel schlauer war man als Zuhörer:in danach oft nicht.

Das Ministerium scheint vor allem darum bemüht, klarzustellen, dass die Verzögerungen nicht an mangelnder Priorität liegen, sondern an der Komplexität der Thematik. Schließlich versucht sich das Innenministerium an einem großen Wurf: Es will die Transparenzreform mit einer Open-Data-Reform zusammenführen und den ebenfalls im Koalitionsvertrag versprochenen Rechtsanspruch auf offene Daten gleich mit umsetzen. Das ist rechtsdogmatisch durchaus sinnvoll, doch es darf auf keinen Fall dazu führen, dass die Bundesregierung sich an der Sache verhebt.

Die Sorge vor einem Scheitern ist in der Zivilgesellschaft groß und auch in der Koalition rumort es. Erst kürzlich forderten die Grünen von Faeser mehr Tempo. Sie dürften noch lebhaft in Erinnerung haben, wie die SPD in Berlin gleich zweimal verhinderte, dass die damals rot-rot-grüne Landesregierungskoalition ihr Versprechen eines Landestransparenzgesetzes erfüllt.

Kontroversen lieber früher als später klären

Die Situation im Bund wird dadurch verschärft, dass der Referent des Innenministeriums trotz seiner Gesprächsbereitschaft zu inhaltlichen Streitfragen bisher keine Auskünfte gibt. Werden die pauschalen Ausnahmen für komplette Regierungsbereiche abgeschafft? Werden die Auskunftsverfahren beschleunigt und die Position der Bürger:innen gestärkt? Entfallen endlich die Gebühren für Auskünfte? Das alles müsse zu einem späteren Zeitpunkt „politisch entschieden“ werden.

Ob das Transparenzgesetz seinen Namen wirklich verdient, wird auch von den Antworten auf diese umstrittenen Fragen abhängen. Genau daran könnte die Reform am Ende scheitern, denn um die Details wird es ein hartes Ringen geben. Erfahrungsgemäß setzen sich die FDP und vor allem die Grünen für weitreichende Transparenz ein. Die SPD unterdessen tritt in Bundesländern wie Berlin oder Niedersachsen heftig auf die Bremse und scheint vor allem die Verwaltung vor zu viel Transparenz schützen zu wollen.

Deshalb müssen SPD, Grüne und FDP die politische Debatte so früh wie möglich führen. Wer das Gesetz ans Ende der Legislaturperiode und damit in den Wahlkampf schiebt, gefährdet die wichtige Reform.

7 Ergänzungen

  1. „Unser Autor fürchtet: Das ist ein Rezept zum Scheitern.“

    Das dürfte die Absicht der SPD sein. Transparenz lehnen die jenseits der Wahlkampfreden ab wie der Teufel das Weihwasser, wörtlich.

    1. Die SPD hat das personifizierte Prinzip Intransparenz zum Kanzler gemacht: Olaf „Erinnerungsluecke“ Scholz.

  2. Wenn ich mir hier die Verstrickungen im Hochtaunuskreis ansehe, von denen Habeck nur träumen kann, dann dürften die absolut kein Interesse an Transparenz haben. Gilt aber auch für die CDU.

    1. Wissensgefälle kann ein Machtgefälle ermöglichen. Transparenz bedeutet Änderung des Wissensgefälles.

  3. „Wie das Bundestransparenz-Gesetz aussehen könnte, hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber gerade in Berlin vorgestellt. Ein Ende der Bereichsausnahme für die Geheimdienste,“ =>(!!!)<=" ein bundesweites Transparenz-Portal, umfassende Schulungen für Behörden und Ministerien. Kelber übrigens will die Informationsfreiheit auch im Grundgesetz verankert sehen. Das ganze, so sieht es sein Haus, sei ein Akt der Demokratiepflege. Und Pflege kann die im Moment ganz gut gebrauchen.“
    Quelle: Süddeutsche Zeitung 29./30. Juli, Seite 40, Artikel von Georg Mascole „Die im Dunkeln sieht man nicht“, vorletzter Absatz.
    => Na, da habe ich es ja ganz leicht: ich stelle mich hinter Ulrich Kelber !

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