Wochenrückblick KW14Von deutscher Digitalisierung und Whistleblower:innen

Diese Woche berichten wir von Erfolgen gegen Staatstrojaner, über Whistleblower:innen und fragwürdige Symbole bei Polizeibehörden. Außerdem geht es um eine überlastete Hotline der Corona-Warn-App. Und: Wir veröffentlichen unseren Transparenzbericht für Februar.

ein Lemur sitzt auf einem Stück Holz und hält in seinen kleinen Händen etwas zu Essen. Seine Augen gucken süß in die Kamera.
Warten auf die Digitalisierung in Deutschland. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Roi Dimor

Die russische Suchmaschine Yandex ist nicht gerade für ihre Unabhängigkeit bekannt. Das bestätigt sich nun im Kontext des Krieges in der Ukraine. Wer Butscha, den Tatort russischer Kriegsverbrechen, auf russisch eingibt, findet statt erschossener Zivilist:innen eine idyllische Kleinstadt. Das größte IT-Unternehmen Russlands macht sich damit zum Komplizen des Angriffskrieges und muss mit Konsequenzen rechnen.

In der vergangenen Legislaturperiode hat es nicht geklappt, das Whistleblowing-Gesetz nachzubessern. In der Ampelkoalition gibt es jetzt einen ersten Entwurf für die Reform. Besonders Unternehmen sollen verpflichtet werden, Meldestellen einzurichten, bei denen man Missstände aufdecken kann. Allerdings erfährt der Entwurf auch viel Kritik – unter anderem wegen fehlender Möglichkeiten zu Anonymität.

Auch der Digitalausschuss beschäftigt sich mit Whistleblowing: Letztes Jahr erregte Frances Haugen international Aufmerksamkeit, nachdem sie zahlreiche interne Dokumente ihres früheren Arbeitgebers Facebook öffentlich machte. Am Mittwoch war sie im Digitalausschuss des Bundestags zu Gast und beantwortete Fragen von Abgeordneten. Dabei ging es nicht nur um das Digitale-Dienste-Gesetz der EU, sondern auch um die Verstrickungen sozialer Medien in Putins Informationskrieg.

Was passiert mit unseren Daten?

Die Daten des Kurznachrichtendienstes ANOM, den das FBI aufgebaut hat, finden mittlerweile auch Eingang in deutsche Gerichtsverfahren. Das hängt jedoch davon ab, ob bei der Datengewinnung europäisches Recht eingehalten wurde. Bisher hat den Gerichten die Beteiligung eines unbekannten EU-Staates dafür gereicht – doch wie lange noch?

In Italien ist Datenschutz ebenfalls ein Thema: Die italienische Datenschutzbehörde hat gegen das Unternehmen Clearview AI wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung eine Geldstrafe von 20 Millionen Euro verhängt. Der Gesichtserkennungsdienst muss zahlen. Außerdem soll Clearview weitere Auflagen erfüllen um Personen, die sich in Italien aufhalten, zu schützen.

Der europäische Gerichtshof hat Vorratsdatenspeicherung erneut für nicht mit den Grundrechten vereinbar erklärt. Trotzdem soll es nun Ausnahmen geben, beispielsweise an Orten mit hoher Kriminalitätsrate. Dazu geführt hat ein Mordfall in Irland, bei dem auf Vorrat gespeicherte Daten zur Verwendung kamen.

Wir bleiben beim Thema Datenschutz: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat den Tätigkeitsbericht über das vergangene Jahr vorgestellt. Vor allem Gesundheitsthemen stehen im Mittelpunkt des Berichts. Die Bilanz des Datenschutzbeauftragten fällt ernüchternd aus. Tomas Rudl hat sich den Bericht genauer angeschaut.

Von der Polizei und Polizeiproblemen

Glaubt man der Wahrnehmung deutscher Bürger:innen, nimmt die Kriminalitätsrate in Deutschland immer weiter zu. Dass das keineswegs der Wahrheit entspricht, zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2021. Der Rückgang liegt bei fast fünf Prozent. Trotzdem gibt es auch Anstiege – besonders bei Cyberkriminalität.

Auch in den USA ist Cyberkriminalität ein Problem. Dort kommen Hacker:innen anscheinend regelmäßig an persönliche Daten, indem sie Notfallanfragen von gehackten Polizeiaccounts senden. Betroffen davon sind unter anderem Meta und Apple. Auch in Deutschland sind solche Anfragen möglich und werden manchmal sogar von privaten Mailaccounts von Polizist:innen gestellt.

Was Polizist:innen privat machen, spielt in aller Regel keine Rolle. Die „Thin Blue Line“ aber ist in der Polizeiszene schon länger ein bekanntes Symbol mit fragwürdigem Hintergrund. Wir hatten bereits Anfang des Jahres über den Umgang der Behörden damit berichtet. In München hat das Landeskriminalamt nun ein Informationsangebot herausgegeben, auch auf Grundlage unserer Berichterstattung, wonach vor der Verwendung gewarnt wird. Dennoch ist das Zeichen, das für eine verschworene Solidargemeinschaft steht, weit verbreitet – auch in sozialen Medien.

Deutsche Digitalisierung

Die Corona-Warn-App steht mal wieder in der Kritik: Diesmal geht es um die Tan-Hotline. Um manche positiven PCR-Testergebnisse an die App zu übertragen, braucht es eine Tan. Die dafür benötigte Hotline ist jedoch völlig überlastet. Lange Wartezeiten verhindern so, dass einige Corona-Positive ihr Testergebnis hochladen und andere warnen können, und das bei den aktuell hohen Inzidenzen. Wie geht es mit der App jetzt weiter?

Nicht nur bei der Corona-Warn-App gibt es Probleme. Das Onlinezugangsgesetz besagt, dass bis Ende des Jahres die wichtigsten Verwaltungsleistungen Online durchgeführt werden können. Glaubt man dem Innenministerium, scheint es damit gut voranzugehen. Doch der Bundesrechnungshof stellt jetzt fest, dass lediglich 3,8 Prozent der Verwaltungsleistungen des Bundes digitalisiert seien und wirft dem Innenministerium Beschönigung vor.

Recht und Selbstbestimmung

Das Recht auf Reparatur soll kommen, aber wann? Bislang gibt es noch keinen Gesetzentwurf aus der Kommission, auch ein Termin steht noch nicht fest. Die grüne Abgeordnete Anna Cavazzini geht jetzt einen Schritt weiter und legt eine Resolution vor. Sie fordert einen verbesserten Zugang zu Ersatzteilen oder Bedienungsanleitungen für Verbraucher:innen und unabhängige Reparaturdienstleistungen. Hersteller haben daran wenig Interesse: Oft sind Elektrogeräte so gebaut, dass sie nur schwer zu reparieren sind und Nutzer:innen eher zu neuen Geräten greifen, als ihre Geräte zu reparieren.

Eine Reparatur in Sachen Arbeitnehmerrechte muss auch Amazon vornehmen. Die Beschäftigten im Warenhaus JFK8 in New York votierten diese Woche für eine Gewerkschaft – die erste beim Onlineversandriesen in den USA. Besonders ein ehemaliger Angestellter hat dazu beigetragen, der Belegschaft mehr Mitbestimmung zu ermöglichen.

Das Landgericht Frankfurt kommt zum Urteil bei der Klage von Renate Künast gegen Facebook. Und es stellt fest: Facebook ist für die Inhalte auf der Plattform verantwortlich und muss mehr als nur gemeldete Inhalte löschen. Kopien oder sinngleiche Varianten von entfernten Inhalten muss das Unternehmen zukünftig löschen. Auch, wenn diese Inhalte nicht von Nutzer:innen gemeldet wurden.

Kinderbücher, die Technologie oder – noch spezifischer – proprietäre Software ansprechen, sind rar. Dafür gibt es nun das Buch „Ada & Zangemann“ von Matthias Kirschner und Sandra Brandstätter, das Kindern und Erwachsene Einblicke liefert in eine Welt programmierbarer Skateboards und Eismaschinen. Dass die, genau wie unsere Welt, nicht immer selbstbestimmt ist, findet auch die Protagonistin Ada schnell heraus. Eine Buchrezension von Anna Biselli.

Informationen sind Macht – das weiß auch die europäische Grenzschutzagentur und hat ihre Informationsanfrageplattform entsprechend restriktiv aufgebaut. Wer beispielsweise Zugang zu den Antworten will, muss sich vorher einloggen. Nun will auch die EU-Kommission eine eigene Plattform aufbauen. Das besorgt Organisationen wie FragdenStaat, die negative Konsequenzen für ihre eigenen Anfrageplattformen fürchten.

Von Überwachung und Bewaffnung

Rechtsverstöße im Netz, dagegen geht die Medienaufsicht jetzt mittels einer KI vor. Das Tool KIVI soll zum Beispiel Volksverhetzung, Extremismus oder Pornographie aufspüren. Die potentiellen Verstöße werden dann von Löscharbeiter:innen der Medienaufsicht überprüft und gegebenfalls bei den Plattformen gemeldet oder angezeigt.

Auch auf EU-Ebene tut sich etwas in Sachen KI, genauer gesagt beim AI Act. Die Bundesregierung hat der EU-Kommission eine Stellungnahme zu dem Gesetz geschickt, das in Zukunft den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen regeln soll. Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampelparteien eigentlich auf eine Begrenzung der Überwachung geeinigt, doch dieser Standpunkt scheint nun aufzuweichen.

Facebook hat sich gegen Chatkontrolle ausgesprochen. Bei dieser handelt es sich um Software, die Nachrichten schon vor dem Versenden direkt auf dem Gerät auf mögliche Kindesmissbrauchsinhalte durchsuchen soll. In einem Dokument zum Thema betont der Internetkonzern, dass diese Form der Überwachung gegen die Rechte seiner Nutzer:innen verstoße. Facebook stellt sich damit gegen angebliche EU-Pläne, die die Chatkontrolle verpflichtend machen könnten.

Die Aufklärungsdrohne Heron TP soll bewaffnet werden. Dafür hat jetzt der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Mittel freigegeben. Insgesamt stehen für die Übergangslösung 150 Millionen Euro bereit. Der jetzt beschlossenen Bewaffnung der Drohnen gehen jahrelange Debatten voraus.

Und zum Schluss

Seit einiger Zeit läuft bei uns die Diskussion, wie wir als Team eigentlich arbeiten wollen – Homeoffice oder Büro und wie viel von beidem? Doch egal, von wo wir arbeiten, müssen wir uns irgendwie finanzieren. Das passiert durch Spenden, die wir in unserem Transparenzbericht für Februar aufgelistet haben. Die gute Nachricht: Es sind mehr als im letzten Februar.

Der Münchner Staatstrojaner-Hersteller FinFisher ist am Ende. Das haben wir zum Anlass genommen, ausführlich über die Hintergründe zu berichten. Wie recherchiert man mit wenig Informationen? Wie kam es zur Strafanzeige gegen die Überwachungsfirma? Und was hat letztendlich zu ihrem Untergang geführt? Über all diese Fragen spricht Ingo Dachwitz im Hintergrund-Podcast mit Andre Meister, der maßgeblich an allem mitgewirkt hat. Unser Hörtipp.

Damit wünschen wir allen ein erholsames Wochenende.

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