Die EU-Kommission plant eine Plattform, in der Informationsfreiheitsanfragen bearbeitet werden. Was sich auf den ersten Blick wie eine gute Neuerung anhört, könnte die bisherige Praxis, dass Menschen ihre Anfragen transparent über eine Plattform einer zivilgesellschaftlichen Organisation stellen, beenden. Wenn die Kommission nicht bestimmte Grundsätze bei der Umsetzung einer solchen Plattform einhält.
Die von Informationsfreiheitsorganisationen betriebenen Plattformen wie FragdenStaat oder AsktheEU haben den Vorteil, dass nicht nur die von Bürger:innen gestellten Anfragen, sondern auch die Korrespondenzen mit den staatlichen Stellen und die Antworten dauerhaft öffentlich sichtbar und durchsuchbar sind. Würde eine staatliche Plattform nach anderen Prinzipien aufgesetzt, dann wäre die Öffentlichkeit wieder ausgeschlossen. Bei FragdenStaat warnt man deswegen vor komplizierten technischen Systemen, die den Bürger:innen Hürden in den Weg stellen könnten.
Beispiel für eine intransparent umgesetzte Plattform sei die der EU-Grenzpolizei Frontex, schreibt die Organisation Frag den Staat in einem Blogbeitrag:
Zum Launch ihrer „PAD“-Plattform Anfang 2020 weigerte sich Frontex, Anfragen per E-Mail und über FragDenStaat überhaupt anzunehmen. Wer eine Anfrage stellte, wurde auf die Plattform verwiesen. Das änderte sich erst nach einer Beschwerde von FragDenStaat bei der Europäischen Bürgerbeauftragten. Seitdem registriert Frontex zwar Anfragen, die über FragDenStaat eintreffen. Antworten gibt es dann aber wiederum nur über das „PAD“. Per E-Mail erhalten Antragsteller*innen lediglich Login-Daten, um die Antwort auf der Frontex-Plattform in einem geschützten Bereich einzusehen. Öffentlich gibt es keine Infos.
Das Problem dabei sei, dass Frontex den Informationsfluss auf diese Weise kontrolliere. Zudem seien laut FragdenStaat sogar nachträgliche Veränderungen von Dokumenten auf der Plattform vorgekommen. Frontex habe so alle Macht über die Informationen.
Die EU-Kommission sagte gegenüber netzpolitik.org, dass sie auf der geplanten Plattform weiterhin Anfragen per E-Mail oder über Frag den Staat zulassen möchte. FragdenStaat befürchtet aber, dass in der Praxis Anfragen über das eigene staatliche Portal bevorzugt werden könnten.
Lotet das Bundesinnenministerium aus?
Laut der Informationsfreiheitsorganisation lotet derzeit auch das Bundesinnenministerium aus, ob es eine solche IFG-Plattform an den Start bringt. Nach dem Online-Zugangsgesetz (OZG) planen Bund und Länder laut FragdenStaat, Online-Anträge nach Informationen strukturierter zu erfassen. Das Land Schleswig-Holstein sei derzeit dafür zuständig, mögliche Arten von Plattformen zu erfassen, um dann nächste Schritte zu beraten. Das Bundesinnenminsterium sagt allerdings auf eine Anfrage von netzpolitik.org, ob eine solche Plattform ausgelotet werde, dass „derartige Pläne im Bundesinnenministerium nicht existieren.“
Mit FragdenStaat gibt es zwar schon ein solches Projekt, doch statt dieses zu fördern wolle der Staat lieber eigene Plattformen beauftragen, schreibt Projektleiter und netzpolitik.org-Autor Arne Semsrott. Er vermutet, dass auch dahinter steckt, dass man „mit eigenen Plattformen die lästige Transparenz“ abschütteln könne, denn weder Anfragen noch Antworten seien über staatliche Online-Plattformen ungehindert zugänglich.
Es gäbe aber auch noch andere Probleme: Niemand könne garantieren, dass Behörden über die Plattformen nicht tracken würden, wer sich wann einloggt und wie Anfragen gestellt werden. Insgesamt bewertet FragdenStaat staatliche IFG-Plattformen sehr kritisch.
Wie solche staatlichen Plattformen Ausschlüsse produzieren, habe die des Statistischen Bundesamtes gezeigt. Anfragen sind dort nur möglich, wenn Antragsteller:innen sich vorher mit der Online-Funktion des Personalausweises einloggen – während bei Frag den Staat so etwas nicht nötig ist.
Der Staat könnte es auch richtig machen
Sollte die Ampel-Koalition mit der geplanten Reform des Informationsfreiheitsgesetzes vorschreiben, dass für Anträge staatliche Plattformen genutzt werden müssen, wäre dies das Ende für offene Plattformen wie FragDenStaat, befürchtet Semsrott.
Als Lösung für das Dilemma schlägt er vor, dass die Software für eine staatliche Anfrageplattform frei und quelloffen sein müsse. Auch dürfe die staatliche Plattform gegenüber anderen Plattformen nicht privilegiert werden. Generell müsse auf Wunsch der Antragsteller:innen die gesamte Korrespondenz zwischen Staat und Bürgerschaft frei zugänglich und durchsuchbar sein. Durch eine solche offene Plattform mit Schnittstellen könnte auch die Arbeit der Behörden bei der Bearbeitung Beantwortung von Transparenzanfragen erleichtert werden.
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