Eine zeitgemäße, flächendeckende Versorgung mit einem möglichst offenen Internet ist immens wichtig. Es darf nicht sein, dass signifikante Teile der Bevölkerung nicht vollwertig an der digitalen Welt teilnehmen können, weil sie in einem Funkloch leben oder eine uralte Kupferleitung nur tröpfelnde Geschwindigkeiten hergibt. Es geht darum, dass wirklich alle Menschen in Deutschland eine schnelle und bezahlbare Internetverbindung haben. Die Weichen dafür wurden schon vor langer Zeit gestellt. Nicht unbedingt immer in die beste Richtung.
Die Politik hat zu lange die Weichen falsch gestellt
Mitte der 1990er Jahre wurde noch argumentiert, man wisse ja nicht, was der beste Ansatz ist, um Internet- und Telekommunikationsdienste möglichst kostengünstig und flächendeckend auszubauen. Ob mit Kupferkabel oder mit Glasfaser – oder vielleicht mit irgendeiner anderen Technologie, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Deswegen hat man auf einen marktgetriebenen Ausbau gesetzt, wo nicht vorgeschrieben war, diese oder jene Technologie haben wir jetzt auf einer regulatorischen Ebene zur Besten erklärt. Stattdessen entschieden die Netzbetreiber über den Ausbau.
Ich glaube, die Frage, was die beste Lösung ist, ist auf einer technischen Ebene seit spätestens Ende der 70er-Jahre entschieden: Das ist Glasfaser. Tatsächlich war auch die damalige SPD-geführte Regierung von Helmut Schmidt so weit, ganz Westdeutschland mit einer Glasfaser-Infrastruktur auszustatten. Aber dummerweise gab es dann einen Regierungswechsel. Helmut Kohl kam an die Macht und hat diesen fortschrittlichen Plan geknickt. Stattdessen hat die Unions-Regierung den Fokus auf Kabel-TV-Leitungen gelegt, auch um die damals neu entstandenen privaten Sender möglichst flächendeckend in die Haushalte zu bringen und so die Macht der öffentlich-rechtlichen Sender zu schwächen. Und man hat weiter auf Kupfer gesetzt, was auch viel billiger war.
Der Markt kann nicht alles richten
In den 90er-Jahren gab es außerdem einen großen politischen Umbruch in Europa. Aus der Europäischen Gemeinschaft wurde die Europäische Union, der Telekommunikationsmarkt wurde liberalisiert und damalige Monopolisten zumindest teilprivatisiert – genau zu dem Zeitpunkt, als das Internet groß wurde.
Der ganze Prozess war gekoppelt an einen Wettbewerbsgedanken. Die Ex-Monopolisten wurden mit asymmetrischer Regulierung eingezäunt, mussten also ihren neuen Wettbewerbern einen regulierten Zugang in ihre Netze geben. Zugleich ging der schon erwähnte Infrastrukturwettbewerb weiter, bei dem es dem Markt überlassen wurde, welche Anschlusstechnik die Betreiber verwenden.
Das alles hatte definitiv einige Vorteile. Ich wünsche mir jetzt nicht eine Rückkehr in die Zeit der Monopolisten zurück. Ob die jetzt privat sind oder staatlich, ist mal ganz egal. Wenn ein einziger Anbieter die ganze Kontrolle über eine grundlegende Infrastruktur hat, das wäre natürlich fatal. Es ist schon ganz gut, dass der Markt so diversifiziert ist, dass man keine Genehmigung braucht, um eigene Geräte an der Buchse anzuschließen. In Deutschland und auch in Österreich sind die Preise dadurch stark gefallen.
Aber all das hat auch dazu geführt, dass in Deutschland alte Kupferkabel weiterhin die Anschlusstechnik Nummer eins sind. Und der Infrastrukturwettbewerb führt natürlich zwangsläufig dazu, dass ein Kabel neben das andere verlegt wird – also neben dem Kupferkabel liegt dann ein TV-Kabel im Boden, dann womöglich ein Glasfaserkabel. Im schlimmsten Fall sogar mehrere, wenn man sich die Überbauproblematik ansieht. Und da wird selbstverständlich jedes Mal die Straße neu aufgerissen. Volkswirtschaftlich ist es schlicht und einfach furchtbar ineffizient, das so ablaufen zu lassen. Zwar gibt es in den letzten Jahren immer mehr Kooperationen zwischen Betreibern beim Glasfaserausbau. Konsequent auf Open Access setzt Deutschland aber immer noch nicht, anders als beispielsweise Schweden.
Ganz ohne Staat geht es dann doch nicht
Dass man es dem freien Markt überlassen hat, wie und wo ausgebaut wird, hat aber auch dazu geführt, dass lukrative Ballungsgebiete gut versorgt sind und man sogar zwischen mehreren Anbietern auswählen kann. Dünn besiedelte Gebiete, vor allem im ländlichen Raum, sind aber immer mehr zurückgefallen. Hier wurde einfach viel zu lange gewartet und zugeschaut, wie sich die digitale Kluft immer weiter vergrößert hat.
Irgendwann hat die Merkel-Regierung dann doch eingesehen, dass der Markt nicht alles richtet und hat ein staatliches Förderprogramm auf den Weg gebracht. Das hatte zwar wahnsinnige Geburtsschmerzen – ich sage nur „Alexander Dobrindt“ –, aber langsam verschwinden die weißen Flecken, wie die unterversorgten Gebiete heißen, tatsächlich von der Landkarte. Ich finde es schon beachtlich, dass nach Jahren der Austerität und der Schuldenbremse endlich ein Umdenken stattgefunden hat. Und dass das Förderprogramm, bei aller Kritik, demonstriert, dass der Staat sehr wohl eine Rolle spielen kann – und ein rein marktbasierter Ansatz eben keine Grundversorgung aller Menschen in Deutschland gewährleistet.
Trotzdem wird das ein ewiger Kampf bleiben. Die letzten beiden Bundesregierungen waren beispielsweise immer wieder nicht in der Lage, die eingeplanten Milliarden auszuschütten. Gerade haben wir aber das umgekehrte Problem: Vor ein paar Wochen waren plötzlich über Nacht die Fördertöpfe leer, weil mehr Kommunen als erwartet um staatliche Hilfe angesucht und die auch bewilligt bekommen haben. Jetzt stehen die Länder blöd da, weil der Förderstopp ihre ganze Planung durcheinanderbringt. Und es sieht ganz danach aus, dass es erst irgendwann im Frühjahr neue Förderungen geben wird, weil erstmal neue Rahmenrichtlinien beschlossen werden müssen. Immerhin hat der Bundestag mehr Geld fürs nächste Jahr bewilligt, aber ich gehe davon aus, dass es da noch einen Haufen Chaos geben wird. Viele Länder sind auf jeden Fall stocksauer und ich bin schon gespannt, wie die Verantwortlichen im Digitalministerium weiter damit umgehen.
Eine große Gefahr für das offene Internet
Damit sind wir schon bei der nächsten großen Baustelle. Derzeit droht ein erneuter Angriff auf die Netzneutralität, obwohl – oder gerade weil – uns seit ein paar Jahren starke EU-Regeln vor der Macht von Netzbetreibern schützen. Eine Handvoll großer Telekommunikationsunternehmen drängt die EU-Kommission dazu, Zugangsgebühren für Inhalteanbieter einzuführen, und sollten die damit durchkommen, wäre das eine große Gefahr fürs offene Internet. Dienste wie Netflix, Google, YouTube müssten dann wohl zusätzliche Gebühren zahlen, damit sie ihre Kund:innen in Europa erreichen können. Noch gibt es den Gesetzentwurf nicht, aber möglicherweise würden die Dienste gedrosselt, wenn die Anbieter nicht zahlen. Oder betroffene Dienste würden teurer werden, damit die Zwangsabgabe wieder reinkommt.
Am liebsten würden die Netzbetreiber ihr Terminierungsmonopol ausnutzen und auf beiden Seiten abkassieren. Darum geht es. Auf der einen Seite von den Nutzer:innen, die monatlich für ihren Internetanschluss bezahlen. Und auf der anderen Seite von den Inhalteanbietern, damit sie überhaupt Zugang zu diesen Kunden bekommen.
Und das würde eben auch dazu führen, dass vor allem die wenigen europäischen Ex-Monopolisten, die immer noch riesig sind, eine unheimliche Macht hätten, darüber zu entscheiden, welche Internetdienste zu welchen Bedingungen in Europa ankommen. Die großen Telekommunikationsunternehmen haben schon vor zehn, fünfzehn Jahren genau den gleichen Anlauf gestartet. Das ist keine neue Debatte. Bislang sind sie damit immer gescheitert. Aber diesmal deutet vieles darauf hin, dass sie sich möglicherweise damit durchsetzen. Das wäre krass.
Wir brauchen die Zivilgesellschaft als Korrektiv
Als ich vor sieben Jahren bei netzpolitik.org begonnen habe, da waren die Verhandlungen rund um die Verordnung zur Netzneutralität gerade in der heißen Phase. Ich bin mehr oder weniger gleich reingesprungen in die Berichterstattung. Damals war noch lange nicht klar, wie gut die Regeln ausfallen werden, das war bis zum Schluss eine Zitterpartie. Begleitet wurde das von einer breiten zivilgesellschaftlichen Debatte und einer der größten Kampagnen der EU-Geschichte.
Ich bin überzeugt davon, dass ohne das starke Engagement der Zivilgesellschaft – wie auch der Berichterstattung von netzpolitik.org – diese Regeln zur Netzneutralität niemals so gut ausgefallen wären, wie es am Ende der Fall war. Es hätte auch viel, viel schlimmer ausgehen können. Aber der Gesetzestext ist am Ende des Tages richtig gut geworden. Jetzt stehen wir wieder am gleichen Punkt und wir müssen dafür sorgen, dass wir auch dieses Mal gewinnen.
Der Text basiert auf einem Gespräch, das Stefanie Talaska geführt und aufbereitet hat.
Kommt mit uns in den Maschinenraum von netzpolitik.org: In sieben Videos und persönlichen Einblicken zeigen wir euch, mit welchen Prinzipien und mit welchen Mitteln unsere Redaktion arbeitet.
>> Wenn ein einziger Anbieter die ganze Kontrolle über eine grundlegende Infrastruktur hat, das wäre natürlich fatal. Es ist schon ganz gut, dass der Markt so diversifiziert ist, dass man keine Genehmigung braucht, um eigene Geräte an der Buchse anzuschließen. In Deutschland und auch in Österreich sind die Preise dadurch stark gefallen. <<
Der Umstand dass "man keine Genehmigung [mehr] braucht, um eigene Geräte an der Buchse anzuschließen", liegt Jahrzehnte zurück. Und es ist gegenwärtig nicht zutreffend, dass ein einziger Anbieter die ganze Kontrolle über eine grundlegende Infrastruktur hat. Und es ist auch nicht zu befürchten, dass „ein einziger Anbieter“ in Zukunft „die ganze Kontrolle“ über grundlegende Infrastruktur haben wird.
Was sind die Intentionen des Artikels?
Ich denke und hoffe, aus dem Text geht schon recht klar hervor, was ich meine und was mal Realität war. Ich bin alt genug, um mich dran zu erinnern!
Davon abgesehen ist der Wunsch großer Betreiber nach Kontrolle, vertikaler Integration und Wachstum ungebrochen. Das haben in der jüngeren Vergangenheit etwa die Vectoring-Debatte oder Zero-Rating-Angebote gezeigt, aktuell sehen wir das in der Auseinandersetzung rund um OTT-Zugangsgebühren. Es wäre schlimm genug, wenn nach einer Marktkonsolidierung, von der Beobachter:innen auch in Deutschland ausgehen, ein Betreiber sein Terminierungsmonopol ausnutzt. Für unfaire Geschäftspraktiken braucht es keine komplette Re-Monopolisierung, schwere Schäden lassen sich auch so anrichten.
„Wir brauchen die Zivilgesellschaft als Korrektiv“
Wobei das ja ein Euphemismus wird, wenn man noch mal auf die „social media“ zurückblickt. Die Menge der Menschen jedenfalls hat sie nicht stoppen wollen. Expertise wäre so eine Sache, kann man aber immer auch zukaufen, von der Idee her. Das wird immer schwierig, wenn sich etwas in oder an den Entscheidungsebenen festsetzt.
Siehe Entwicklung in der Überwachungsgesetzgebung.
…und wieder wird ganz klar – das Hauptproblem in unserer Gesellschaft lautet: Superkapitalismus
Hauptsache superreiche Unternehmen können NOCH REICHER werden.
Und dafür wird über Leichen gegangen.
Genau mit diesem Prinzip geht die Menschheit unter.
Und ganz ehrlich – sie hätte es verdient.