Als zwischenstaatliche Organisation soll Interpol die internationale polizeiliche Zusammenarbeit im Bereich von Terrorismus und schwerer Kriminalität erleichtern. Mit 195 Mitgliedsländern ist sie die weltweit größte Organisation ihrer Art, geführt wird sie vom Generalsekretariat im französischen Lyon. Es handelt sich aber um einen informellen, mithin privaten Zusammenschluss, denn Interpol ist an keine andere internationale Organisation angebunden.
Auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Projekten arbeitet Interpol schon jetzt mit Strafverfolgungsbehörden der Europäischen Union zusammen, darunter neben den eigentlichen Aufgabenbereichen der Organisation auch zum „integrierten Grenzmanagement“. Diese Kooperation will die EU-Kommission nun mit einem neuen Abkommen in eine rechtliche Form gießen. Bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres hat sie hierzu einen Vorschlag vorgelegt. Die Verhandlungen dazu treten jedoch auf der Stelle.
Parlament will Nutzung für Todesstrafe ausschließen
Nachdem die EU-Kommission im April 2021 empfahl, Verhandlungen mit Interpol aufzunehmen, gab es in der Sache zunächst einen längeren Stillstand. Erst über ein Jahr später hat schließlich das Europäische Parlament als Mitgesetzgeber Leitlinien für die Verhandlungen beschlossen. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) setzt damit rote Linien in verschiedenen Bereichen, darunter Datenschutz, Rechtsbehelfe und die Weitergabe von Daten.
Der Ausschuss fordert unter anderem, die Zwecke, für die Daten an Interpol übermittelt werden können, klar zu benennen und einen Missbrauch für andere Zwecke zu unterbinden. Die Stellen, die für die Einhaltung des Datenschutzes zuständig sind, sollen unabhängig sein. Daten, die aus der EU stammen, soll Interpol nicht zu lange speichern. Werden diese Daten an Dritte übermittelt, dürfen sie dort nicht dafür verwendet werden, um die Todesstrafe zu verhängen oder zu vollstrecken. Interpol soll außerdem Maßnahmen ergreifen, um Russland und Weißrussland die Zugangsrechte zu seinen Systemen zu entziehen.
Zudem fordert das EU-Parlament die Kommission auf, ein verbindliches Verfahren zum Umgang mit Interpol-Fahndungsersuchen auszuhandeln. Interpol soll demnach verhindern, dass die Ausschreibungen zur politischen Verfolgung Oppositioneller missbraucht werden. Dies wurde in der Vergangenheit zu autoritären Staaten wie Russland und der Türkei, aber auch zu Deutschland bekannt.
Verzögerung sorgt für Atempause bei Datenschutz
Der geplante Abschluss des Interpol-Kooperationsabkommens bis Ende 2022 scheint aber nicht mehr realistisch. Warum die Verhandlungen genau ins Stocken geraten sind, macht die EU-Kommission nicht öffentlich. Bislang ist offenbar nicht einmal ein technischer Entwurf unter den Mitgliedstaaten abgestimmt, weshalb auch die politischen Verhandlungen innerhalb des Rates nicht beginnen können. Auch aufseiten Interpols soll es aber zu Verschleppungen gekommen sein. Die traditionell im Herbst abgehaltene Interpol-Generalversammlung sorgt für weitere Verzögerungen, denn die ohnehin schmale Personaldecke innerhalb der Organisation ist in die Vorbereitung der Konferenz eingebunden.
Wichtig ist das Abkommen auch für die Verbindung von Interpol-Datenbanken mit neuen Informationssystemen der EU. IM kommenden Jahr soll in allen EU-Staaten das „Ein-/ Ausreisesystem“ starten, das biometrische Daten aller Reisenden gesammelt erfasst und mit einschlägigen Datenbanken abgleicht. Auch Interpol-Dateien sollen derart abgefragt werden, im April endete ein entsprechendes Pilotprojekt.
Ohne ein Rahmenabkommen ist die Verzahnung der Datenbanken aber rechtlich nicht möglich. Deshalb steht die EU-Kommission eigentlich unter hohem Druck, das Abkommen abzuschließen. Datenschützer:innen könnten die sich daraus ergebene Atempause nutzen. Denn bei dem „Ein-/ Ausreisesystem“ handelt es sich um die weltweit vermutlich zweitgrößte Vorratsdatenspeicherung biometrischer Daten, deren Nutzung und Verarbeitung nun vorerst Grenzen gesetzt werden.
Interpol führt 19 Datenbanken
Die EU ist nach eigenen Angaben einer der größten Geldgeber von Interpol. Ihre Mitgliedstaaten erhalten dadurch Zugang zu dort angelegten 19 Datenbanken mit 124 Millionen Einträgen und 20 Millionen Abfragen täglich. Zu den Flaggschiffen bei Interpol gehören die Datei für gestohlene und verlorene Reisedokumente (SLTD) und die Datenbank mit Reisedokumenten, die zu einer Fahndung gehören (TDAWN).
Eine enge Zusammenarbeit erfolgt auch mit der EU-Polizeiagentur Europol, ein entsprechendes Kooperationsabkommen mit Interpol ist mittlerweile 21 Jahre alt.
Weitere Agenturen, darunter Frontex und die EU-Polizeihochschule CEPOL, haben bislang nur Arbeitsabkommen geschlossen und dürfen deshalb nicht auf die Interpol-Dateien zugreifen. Mit der anvisierten Rahmenvereinbarung soll sich das ändern. Dann könnte auch die 2017 gegründete Europäische Staatsanwaltschaft Daten von Interpol abrufen.
Biometrie und „Künstliche Intelligenz“
Allein im Bereich „Terrorismus“ verfolgt Interpol derzeit vier neue Projekte, darunter etwa die Nutzung militärischer und geheimdienstlicher Informationen durch Polizei und Justiz. Interpol betreibt außerdem eine Biometrie-Datenbank mit DNA-Spuren, Fingerabdrücken und mittlerweile auch Gesichtsbildern.
Für Ermittlungen führt Interpol verschiedene Analysedateien, die ebenfalls biometrische Daten enthalten können. Eine dieser Dateien hat Interpol zu sogenannten ausländischen Kämpfern angelegt, daran beteiligt sich aus Deutschland auch das Bundeskriminalamt.
Schließlich forscht Interpol zur Verbesserung technischer Verfahren, darunter zur Nutzung „Künstlicher Intelligenz“ in der Strafverfolgung. Hierzu gehört das EU-geförderte Projekt „Netz-, Text- und Sprecheranalytik in Echtzeit“ zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Auch daran nehmen mit der Entschlüsselungsbehörde ZITiS, dem Rüstungskonzern Hensoldt und zwei Universitäten deutsche Partner teil.
Was dem Artikel fehlt sind Hinweise auf das dubiose Führungspersonal von Interpol:
https://en.wikipedia.org/wiki/Interpol#Leadership
Die EU sollte anstatt auf einen dubiosen privatrechtlichen Verein zu setzen, besser eine eigene Behörde aufbauen.