"Absolut inakzeptabel" Erstmals Straßenprotest gegen Chatkontrolle angekündigt

Der Protest gegen eine Durchleuchtung der Kommunikation aller Bürger:innen erreicht nun die Straße. In Berlin ruft die Kampagne „Chatkontrolle stoppen“ am Mittwoch zu einer Aktion vor der Vertretung der EU-Kommission auf.

Bürgerrechtsorganisationen wie der Chaos Computer Club fürchten einen „Angriff auf jegliche vertrauliche Kommunikation“. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / YAY Images

Am morgigen Mittwoch wird die EU-Kommission das Gesetzesvorhaben zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch vorstellen, das schon seit Monaten für Unruhe bei digitalen Bürgerrechtsorganisationen sorgt. Dabei geht es um den Aspekt der sogenannten „Chatkontrolle“. Früh war bekannt geworden, dass der ursprünglich für Dezember 2021 angekündigte Kommissionsvorschlag Vorschriften enthalten könnte, die Anbietern das Durchleuchten von Nachrichten auferlegen. Gegen diese Chatkontrolle wollen Bürgerrechtsorganisationen am Mittwoch vor der Vertretung der EU-Kommission in Berlin um 14 Uhr demonstrieren

Aus einem heute auf Politico Pro geleakten Entwurf des Vorhabens geht nicht hervor, in welcher Form die gefürchtete Chatkontrolle eingeführt werden soll. Das Dokument enthält keine technischen Spezifikationen und verweist auf die Zuständigkeit einer noch zu schaffenden EU-Zentralstelle und von Justizbehörden. Damit bleibt die Einführung der Chatkontrolle jedoch möglich. Der Text enthält auch die Befugnis zu Netzsperren und weitreichende Anforderungen zu Altersverifikationen.

„Absolut inakzeptabel“

Für die Kampagne „Chatkontrolle stoppen“ steht fest, dass es sich um die größte Überwachungsinitiative seit Langem handelt. Eine Sprecherin sagt gegenüber netzpolitik.org: „Die EU-Kommission setzt offensichtlich auf umstrittene Technologien wie Client-Side-Scanning und versucht gescheiterte Vorhaben wie Netzsperren und Alterskontrollen erneut durchzusetzen. Es ist jetzt an uns als digitaler Zivilgesellschaft zeigen, dass das absolut inakzeptabel ist.“

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Eine Form der Chatkontrolle wäre das Client-Side Scanning. Damit würden Inhalte auf Endgeräten unbescholtener Bürger:innen gescannt, bevor diese per Messenger verschlüsselt kommunizieren. Die Pläne stehen als neue Form von Massenüberwachung und wegen ihrer grundrechtsverletzenden Eingriffe seit Monaten in der Kritik. In der Ablehnung der Chatkontrolle und der damit verbundenen Technologie sind sich IT-Sicherheitsforscher:innen, europäische Bürgerrechtsorganisationen und Unternehmen wie Facebook einig

„Fundamental fehlgeleitete Technologie“

Gestern hatte sich der Chaos Computer Club (CCC) gegen eine Chatkontrolle ausgesprochen, diese sei „als fundamental fehlgeleitete Technologie grundsätzlich abzulehnen“. Ein Client-Side Scanning wäre ein Angriff auf jegliche vertrauliche Kommunikation, heißt es von der Hackervereinigung. 

Die Protestaktion findet 11. Mai um 14 Uhr vor der Vertretung der EU-Kommission, Unter den Linden 78 in Berlin-Mitte statt. Die Kampagne „Chatkontrolle stoppen!“, an der sich unter anderem die Digitale Gesellschaft beteiligt, sammelt auch Spenden für Proteste und Infomaterial.

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3 Ergänzungen

  1. Im Radio so ähnlich: „Die Piraten sind dafür bekannt, maximalen Datenschutz zu fordern, aber auch anderen Parteien passt es nicht so.“

    Bei Verschlüsselung gibt es im Wesentlichen kein Maß. Entweder ist es kaputt oder nicht. Das Argument, eine Behörde oder Organisation könne auf vertrauenswürdige Weise alle Daten durchforsten, und das Richtige tun, widerspricht jeglichem Sinn für Humor. Und der Realität.

  2. Bei der Lektüre der Artikel über die Chatkontrolle der EU-Kommission [3,10] ist mir Folgendes aufgefallen:

    1.) Die Regierungen aller Mitgliedsländer (27) der Europäischen Union [1] bestimmen die Kommissionsmitglieder [2,10] (eines pro Land), die sogenannten „Kommissare“, die vom Europäischen Parlament nicht bestätigt sondern nur als Ganzes abgelehnt werden kann [10]; die EU-Kommision, die „Regierung“ der Europäischen Union, hat derzeit nur 32.000 Beschäftigte [4,6].

    2.) Jedes Mitgliedsland hat überdies eine „Ständige Vertretung“ bei der Europäischen Union [4].

    3.) Die Eu-Kommission wiederum unterhält jeweils eine Ständige Vertretung in allen Mitgliedsländern (27) [5]

    4.) Daneben gibt es noch das bereits erwähnte Europäische Parlament (7700 Beschäftigte [4]), den Europäische Rat [7,8,10] und den Rat der Europäischen Union [7,9,10].

    Der Europäischen Rat setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der 27 EU‑Mitgliedstaaten, dem Präsident des Europäischen Rates und dem Präsident der Europäischen Kommission zusammen, also aus genau den Personen, die schon die Eu-Kommisson bestimmten [10].

    Der Rat der Europäischen Union besteht aus den Länderministern, also aus den Regierungsteilnehmern, die bereits die EU-Kommission bestimmten [10].

    Ich bin immer wieder erstaunt, wie oft man eine Führung mit den gleichen Leuten ineinander verschachteln kann. Wie heißt es doch ganz richtig in [7]: „Die Europäische Union (EU) ist ein einzigartiges und hoch komplexes Gebilde.“ Aber wenn man das System einmal verstanden hat, wird alles ganz einfach.

    Wenn man sehr sehr viel Geld auf Steuerzahlerkosten verdienen will, macht dieses Konstrukt sehr sehr viel Sinn, und man versteht auch eher, warum soviele Papiere (lange PDFs) produziert werden wollen, und sich auch der Dt. Bundestag auf mittlerweile 736 Abgeordnete aufgebläht hat. Für Menschen mit sehr sehr viel Sitzfleisch und monetären Bedürfnissen ist es genau das Richtige.

    [1] https://european-union.europa.eu/index_de
    [2] https://ec.europa.eu/info/index_de
    [3] https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2019-2024_de
    [4] https://bruessel-eu.diplo.de/eu-de/service/allgemeines-taetigkeit-eu/1497236
    [5] https://ec.europa.eu/info/about-european-commission/contact/representations-member-states_de
    [6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1235075/umfrage/personal-der-europaeischen-kommission/
    [7] https://de.statista.com/themen/7738/institutionen-und-einrichtungen-der-eu/
    [8] https://www.consilium.europa.eu/de/european-council/
    [9] https://www.consilium.europa.eu/de/home/
    [10] https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_der_Europ%C3%A4ischen_Union

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.