Diese Woche beginnen wir statt mit Berichten über umtriebige Konzerne, tricksende Regierungen oder problematische Neuerungen mit Inhalt, der Hoffnung weckt. Den Anfang macht der Makerspace der Organisation Cadus. In dieser Werkstatt bastelt die NGO an Projekten, die in der Krisenhilfe von Nutzen sein können, und an Ausrüstung für humanitäre Einsätze. Woran im Space in Friedrichshain aktuell gebastelt wird, erfahrt ihr im Beitrag von Franziska Rau.
EU can do?
Die Organisation HateAid will gemeinsam mit elf Partnern aus verschiedenen EU-Ländern ein Zeichen gegen digitale Gewalt setzen. Christina Braun berichtet vom Appell des Bündnisses an EU-Abgeordnete, Plattformen bei Fällen von sexualisierter Gewalt im Netz stärker in die Pflicht zu nehmen.
Auch Verbraucherschützer:innen fordern eine europäische Lösung: Die EU-Regulierer sollen Zero-Rating-Geschäftsmodelle wie StreamOn oder Vodafone Pass verbieten. Tomas Rudl erklärt, warum diese die Netzneutralität verletzen und was das mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu tun hat.
Die EU leistet nicht nur Entwicklungs-, sondern wohl ebenso Überwachungshilfe, indem sie Strafverfolgungsbehörden in anderen Staaten in Überwachungstechnik schult und Equipment zur Verfügung stellt. NGOs kritisieren, dass die EU zuvor mögliche Menschenrechtsrisiken abwägen müsse – dies sei nicht ausreichend geschehen. Über die Vorwürfe und deren Hintergründe schreibt Anna Biselli.
Shows, Sterne, Schwindel
Kritik hagelte es diese Woche für Netflix. Auf der Plattform wurde Anfang Oktober „The Closer“ veröffentlicht, das vierte Special des US-Comedians Dave Chappelle. Nach Transphobie-Vorwürfen protestierten insbesondere LGBTQ-Aktivist:innnen gegen die Show. Am Mittwoch streikten nun auch zahlreiche Netflix-Mitarbeiter:innen, um vor dem Firmensitz des Streaming-Riesens ihrem Ärger Luft zu machen. Ob die Show weiterhin auf Netflix läuft oder in der Mottenkiste des Konzerns verschwunden ist, erfahrt ihr im Artikel von Christina Braun.
Fünf Sterne-Rezension auf Google? Klingt vertrauenswürdig? Wer sich bisher auf Online-Bewertungen verlassen hat, dem sei die Recherche des Bayerischen Rundfunks gemeinsam mit dem Schweizer Radio und Fernsehen empfohlen. Diese haben Netzwerke gefälschter Bewertungen aufgedeckt. Warum gefälschte Rezensionen so reizvoll sind und ob diese Praktik legal ist, hat Markus Reuter zusammengefasst.
Gläserne Regierung(en)
Ausnahmsweise mal mehr Transparenz bietet ein neues Projekt zu Bundestagsdebatten. Die Suchmaschine Open Parliament TV ermöglicht künftig, diese auf ihrer Plattform anzuhören. Dabei lässt sich mit einem Klick zur passenden Stelle springen. Franziska Rau hat Open Parliament TV genauer unter die Lupe genommen und erklärt, weshalb die Suchmaschine eine Errungenschaft für die Demokratie ist.
Auch FragDenStaat will mehr Transparenz – ein Fall ist dabei vor dem Bundesverwaltungsgericht gelandet. Markus Reuter informiert über die anstehenden Entscheidung: Diese könnte Ministerien verpflichten, künftig auf Anfrage neben offiziellen Dokumenten auch Direktachrichten von Twitter oder Whatsapp offenzulegen.
In Baden-Württembergs wiederum ist es durch die Corona-Warn-App mittlerweile möglich, Restaurants oder Veranstaltungen zu besuchen, ohne dabei direkt Name und Adresse mitteilen zu müssen. Ingo Dachwitz berichtet, warum dazu die Corona-Verordnung des Landes geändert werden musste.
Studien haben festgestellt…
…dass Nachhaltigkeit schon vor 300 Jahren ein Thema war. Damals ging es um die Frage, wieviel Holz man schlagen soll. Aber auch auf neue Ressourcen, beispielsweise Software lässt sich das Prinzip nachhaltiger Nutzung anwenden. Wie, beschreibt die Free Software Foundation Europe in einer jüngst erschienenen Studie. Warum Software für alle da sein sollte und was das Ganze mit Glühbirnen zu tun hat, erfahrt ihr im Artikel von Holly Hildebrand.
…dass wir vielleicht bald alle „Wanzen in unserer Hosentasche“ haben werden. In einer kürzlich erschienen Studie erläutern Expert:innen für IT-Sicherheit, warum solch eine digitale „Ungezieferplage“ bald Wirklichkeit werden könnte. Auf EU-Ebene wird derzeit über Möglichkeiten diskutiert, Inhalte künftig direkt auf den Geräten von Nutzer:innen zu scannen. Ein ähnlicher Vorstoß von Apple, sogenanntes „Client-side-Scanning“ zu ermöglichen, löste jüngst heftige Proteste aus. Markus Reuter berichtet über die Scanning-Studie und die Pläne der EU.
Staatsversagen: Wie immer nur schlimmer…
Im Lagebericht zur IT-Sicherheit ist alles wie immer, nur schlimmer. Cyberangriffe scheinen mittlerweile wie Naturkatastrophen zu sein, kommentiert Anna Biselli. Das Gute daran: Die künftige Regierung hat zwar viel zu tun, aber es dürfte nicht schwer sein, es besser zu machen als die bisherige.
Derweil wird in Belarus mithilfe eines jüngst verabschiedeten Dekrets zur „Bekämpfung von Extremismus“ die digitale Freiheit von Nutzer:innen stark eingeschränkt. Dadurch kann bereits bestraft werden, wer „unerwünschten Social-Media-Accounts“ folgt und deren Inhalte teilt. Offline müssen Oppositionelle bereits die Polizei des autoritär geführten Staates fürchten – die ist bekannt dafür, nicht gerade sanft mit Regierungskritiker:innen umzugehen. Tomas Rudl erläutert, wie die belarussische Regierung nun versucht, auch online mehr Kontrolle über die eigenen Bürger:innen zu erlangen.
Mehr Transparenz ist meist, jedoch nicht immer das Ziel. Als Beweis und aktuelles Negativbeispiel muss Argentinien herhalten – ist doch das zentrale Personenregister des südamerikanischen Staates unfreiwillig gläsern geworden. Hacker:innen haben die Datenbank attackiert, hatten Erfolg und besitzen nun eine unbekannte Zahl sensibler Ausweisdaten. Wie gefährlich das Leak der Datensätze ist und welche bekannten Persönlichkeiten davon betroffen sind, lest ihr im Artikel von Markus Reuter.
Zuviel Transparenz kann auch beim Veröffentlichen von Polizeieinsatz-Videos zu Problemen führen. Wer die Beamt:innen filmt und einfach unverpixelt ins Netz stellt, kann Ärger kriegen, wie ein YouTuber erfahren musste. Dabei gibt es aber auch Ausnahmen, erklärt Anna Biselli.
Wahl, Wahrheit – erwischt!
Donald Trump kündigte am Mittwoch an, bald ein eigenes Soziales Netzwerk zu launchen. Geplanter Name: „Truth“, also Wahrheit. Wie er es mit selbiger hält, hat der Ex-Präsident im Amt zur Genüge gezeigt. Seinem Beispiel folgte man nun wohl in seiner Firma. „Trump Media & Technology Group“ und hat kurzerhand das Open-Source-Netzwerk „Mastodon“ als Grundlage der geplanten Plattform genutzt – allerdings wohl ohne die zugehörigen Lizenzbedingungen zu achten. Vielleicht sind das aber auch alternative Fakten oder dem POTUS-Pensionär war schlicht langweilig? Trumps Gründe bleiben Spekulation. Sicher ist nur: Bereits vor dem offiziellen Start schafften es einige neckische Nutzer:innen, sich auf der Plattform anzumelden. Welchen Schabernack sie dort trieben und wie es um Trumps Truther-Träume steht, berichtet Markus Reuter. Covfeve, Mr. President!
„Au revoir, Boulevard!“: Seit Mittwoch ist Julian Reichelt nurmehr BILD-Chefredakteur a. D. oder, wie auch sein „pullermanngesteuerter“ Führungsstil, ein Relikt „längst vergangener Zeiten“. Neben einem kurz vor der Entlassung veröffentlichten Artikel in der New York Times hatte die Recherche des Ippen-Investigastiv-Teams damit zu tun – wenn auch indirekt. Obwohl Verleger Dirk Ippen eine Veröffentlichung zunächst untersagte, erschienen Teile der Recherche im Spiegel. Markus Reuter erinnert in seinem Kommentar kurz vor Bekanntwerden der Entlassung Reichelts noch einmal daran, was der Springer-Skandal zeigt: Es braucht mehr unabhängige und mutige Medien, die kein Verleger stoppen kann!
Bekanntlich lohnt es sich, zu gehen, wenn es am Schönsten ist. Daher bleibt uns abschließend nicht viel zu sagen, außer: Auf ein Neues in KW43!
Die Nachrichtenargentur „The Associated Press“ (AP) hat auf ihrer Website eine Fakten-Check Rubrik:
A roundup of some of the most popular but completely untrue stories and visuals of the week. None of these are legit, even though they were shared widely on social media. The Associated Press checked them out.
https://apnews.com/hub/ap-fact-check
Erstaunlich ist, dass sich dort doch mehr Äußerungen des Trump-Nachfolgers Joe Biden finden, als man es erwarten würde.
Am Dienstag, dem 26.10. um 17 Uhr findet eine Sondermahnwache statt vor der britischen Botschaft in Berlin, von freeAssange.eu, zu „Journalismus ist kein Verbrechen“ – weil am 27.+ 28. Oktober wieder verhandelt wird in London.