In einem S-Bahn-Bogen direkt an der Spree in Berlin-Friedrichshain befindet sich der Makerspace der Hilfsorganisation Cadus. Hier wird mit Lötkolben und Fräsen an Technik für Kriseneinsätze gebaut. Makerspaces sind offene Werkstätten, die eigentlich aus der Do-it-yourself-Bewegung und der Hacker*innenszene bekannt sind. In ihrem eigenen möchte Cadus zusammen mit Ehrenamtlichen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen humanitäre Hilfe effektiver gestalten.
Die letzten anderthalb Jahre war es ziemlich ruhig im Makerspace. Jetzt soll es wieder losgehen: Neue Freiwillige sollen dazukommen, Technik für Kriseneinsätze bauen und das Team vielleicht sogar ins Ausland begleiten. Aktuelle Projekte sind zum Beispiel eine Einsatztoilette und ein Verbrennungsofen für medizinischen Müll.
In den letzten Jahren half das Team bei der medizinischen Versorgung von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen und bei der Seenotrettung. Auch im Irak und in Syrien ist die Organisation tätig und hat dort langfristige Projekte zusammen mit lokalen Initiativen aufgebaut. Dort kam auch das erste Großprojekt aus dem Makerspace zum Einsatz: ein mobiles Krankenhaus, verpackt in zwei alte LKWs, einen Anhänger und einen Geländewagen.
Mobiles Krankenhaus in Syrien
In diesem Rahmen hat Cadus zusammen mit verschiedenen Hochschulen ein System zur Messung wichtiger Körperfunktionen wie Blutdruck und Puls entwickelt, dessen Hardware und Software quelloffen sind. Die Geräte können dadurch einfacher mit Standardbauteilen repariert werden, sodass man in Einsatzgebieten nicht auf teure Ersatzteile spezifischer Hersteller angewiesen ist.
Cadus ist aus dem Orga-Team rund um das Fusion-Festival entstanden und hat enge Kontakte zum Chaos Computer Club. Die Organisation möchte das Open-Source-Prinzip im humanitären Bereich verbreiten. Das heißt, andere Hilfsorganisationen sollen ihre Arbeit übernehmen und weiterentwickeln können.
Geklappt hat das bis jetzt nicht immer. Das mobile Krankenhaus sollte eine Vorlage für andere NGOs werden. Aber: „Begrenzte Mittel und Zeitdruck haben das verhindert“, heißt es auf der Website von Cadus.
Inzwischen wurde das mobile Krankenhaus an eine Partnerorganisation übergeben, die es in Nordostsyrien weiterbetreibt. Eine neue Version ist bereits in Arbeit, diesmal verbaut in Schiffscontainern. Idealerweise sollen die Pläne und Anleitungen für alle zukünftigen Projekte öffentlich sein, damit andere Organisationen von ihnen lernen und sie weiterentwickeln können, erzählten Mitarbeiter*innen gegenüber netzpolitik.org.
Cadus möchte sich keine „Staubfänger“ anschaffen
Letzte Woche fand die erste offene Veranstaltung seit Beginn der Pandemie im Makerspace statt. Es ging um die Pläne der Organisation für das nächste Jahr. Aktuell arbeitet Cadus an einer Zertifizierung als „Emergency Medical Team“ (EMT) durch die WHO. Für medizinische Einsätze im Ausland ist diese oft notwendig, erfordert aber eine Menge Formalitäten. Zu den Voraussetzungen gehört zum Beispiel, dass sich das Team für 14 Tage selbst versorgen können muss, um die lokale Infrastruktur nicht zu belasten.
In der Praxis sei das in ganz vielen Fällen Quatsch, sagt Sebastian Jünemann, einer der Geschäftsführenden. Beim Einsatz auf Lesbos seien ihnen Teams begegnet, die palettenweise Trekkingnahrung dabei hatten. Dabei könne man auf der Ferieninsel problemlos ins Restaurant gehen. In erster Linie haben große Organisiationen, Krankenhäuser und staatliche Stellen eine Zertifizierung als EMT.
Cadus möchte die EMT-Standards erfüllen, aber keine Anschaffungen machen, die dann für die meiste Zeit als „Staubfänger“ im Lager stehen, heißt es in der Präsentation. Deswegen hat sich das Team etwas überlegt.
150 Mahlzeiten am Tag
Zum Beispiel haben sie eine Wasserfilteranlage gebaut, die nicht nur das Team versorgen, sondern laut eigenen Angaben auch bis zu 15.000 Liter am Tag trinkbar machen kann. So lässt sich die Anlage auch für Einsätze nutzen, bei denen Trinkwasser knapp ist.
Teil des Konzepts ist auch eine mobile Küche, die wiederum in verschiedene Module unterteilt ist. So kann sie zur Selbstversorgung des Teams dienen, im vollen Betrieb sollen dort aber bis zu 150 Portionen pro Mahlzeit gekocht werden können. Die Küche könnte genutzt werden, um ein kleines Krankenhaus zu versorgen, oder auch um warmes Essen auf Fluchtrouten auszugeben. Gebaut wurde sie bis jetzt noch nicht, das soll in den nächsten Monaten im Makerspace passieren.
Auch an einer Kooperation mit Freifunk arbeitet Cadus, um zukünftig schnell WLAN-Infrastruktur in Krisengebiete bringen zu können. Freifunk ist eine Organisation, die in vielen Städten Deutschlands unkommerzielle Funknetze aufgebaut hat.
Weitere Pläne von Cadus sind etwa Geräte für intensivmedizinische Betreuung, Röntgenaufnahmen, Waschmöglichkeiten und Strom. Das alles ist mehr, als die kleine Organisation selbst betreiben kann. Cadus möchte dafür mit anderen Organisationen solidarisch zusammenarbeiten. Dass der Makerspace nun wieder regelmäßig geöffnet hat, ist dafür ein wichtiger, erster Schritt.
0 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.