Nahende Abstimmung Bewaffnungsfähige „Eurodrohne“ soll auch mit Abhörtechnik fliegen

Auf seiner Webseite erweckt das Verteidigungsministerium den Eindruck, die Serienproduktion einer EU-Kampfdrohne sei bereits beschlossen. Zunächst soll aber der Bundestag darüber abstimmen. Die SPD steht damit vor einer Entscheidung großer Tragweite.

Erstmals zeigt das Verteidigungsministerium die anvisierte "Eurodrohne" mit Raketen. Weder die Bewaffnung, noch die Serienproduktion des unbemannten Luftfahrzeugs ist aber entschieden.
Erstmals zeigt das Verteidigungsministerium die anvisierte „Eurodrohne“ mit Raketen. Noch ist aber nichts entschieden. – Alle Rechte vorbehalten BMVg

Die „Eurodrohne“, für deren Beschaffung die Bundesregierung zusammen mit den Regierungen Frankreichs, Italiens und Spaniens 7,1 Milliarden Euro ausgeben will, soll auch für die signalerfassende Aufklärung (Signals Intelligence – SIGINT) eingesetzt werden. Das meldete das Verteidigungsministerium am Freitag unter der Überschrift „Eurodrohne wird Aufklärung der Bundeswehr verbessern“ auf seiner Webseite. Bislang waren als Einsatzzwecke nur die bildgebende Aufklärung (Imagery Intelligence – IMINT) und die Bewaffnung im Gespräch.

Damit könnte die „Eurodrohne“ die Nachfolge des krachend gescheiterten Projekts „Euro Hawk“ antreten. Mehrere hochfliegende Drohnen sollten drei Abhörmodule befördern, die von der Bundeswehr beim Airbus-Konzern bestellt wurden. Nachdem der US-Hersteller einen ersten Prototyp für Testflüge geliefert hatte, zog der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Sommer 2013 die „Reißleine“ für das Projekt. Für den Betrieb im deutschen Luftraum benötigten die Drohnen ein System zum Erkennen und Ausweichen vor anderen Luftfahrzeugen. Die US-Regierung und Northrop Grumman hatten hierzu wichtige, für den Zulassungsprozess benötigte Dokumente zurückgehalten.

Lobbyarbeit von Airbus

In dem Eintrag auf seiner Webseite erweckt das Verteidigungsministerium den Eindruck, die Einführung der „Eurodrohne“ sei bereits beschlossen. Allerdings soll der Haushaltsausschuss des Bundestag hierüber nach derzeitigem Stand am 24. März im Rahmen einer 25-Millionen-Vorlage entscheiden. Dabei geht es um Geld zur Aufnahme der Serienproduktion von zunächst 63 Luftfahrzeugen und mehreren Dutzend Bodenstationen, die unter den vier beteiligten Nationen aufgeteilt werden. Federführend ist der europäische Airbus-Konzern mit den Rüstungskonzernen Dassault Aviation (Frankreich) und Leonardo (Italien). Die derzeit amtierende Bundesregierung will die „Eurodrohne“ auch bewaffnen.

Ab 2028 ist die Auslieferung von 21 „Eurodrohnen“ für die Bundeswehr geplant. Als neue „Überbrückungslösung“ nutzt die Luftwaffe bis dahin mehrere „Heron TP“ aus Israel, den Plänen zufolge stehen diese  ab Frühjahr 2021 zur Verfügung. Zu ihrer Bewaffnung hatte die SPD im vergangenen Dezember allerdings im letzten Moment ihre Zustimmung vorläufig verweigert. Derzeit ist unklar, ob diese Abstimmung vor oder nach der Bundestagswahl nachgeholt wird.

Für die „Eurodrohne“ hatte Airbus (damals noch als EADS) seit 2012 intensive Lobbyarbeit betrieben. Der Konzern übernahm im gleichen Jahr die Drohnensparte des Rüstungskonzerns Rheinmetall und gliederte sie seiner Abteilung Cassidian an. Cassidian hatte bis dahin das Geschäft mit Drohnen zur Zieldarstellung von Dornier weitergeführt und verschiedene eigene Drohnen entwickelt, international vermarktet wurden diese jedoch kaum. Zu dieser Zeit forschte Airbus zudem mit der „Barracuda“, der „Sagitta“ und der „Talarion“ an drei größeren Drohnenprojekten.

Fürsprache von de Maizière und von der Leyen

Die „Talarion“ kann als Vorläufer der „Eurodrohne“ betrachtet werden, die Drohne der MALE-Klasse (mittlere Flughöhe, lange Ausdauer) war neben dem bewaffneten Einsatz ebenfalls für IMINT- und SIGINT-Einsätze konzipiert. Neben Frankreich und Spanien gehörten Italien und die Türkei zu den möglichen Partnern, die Regierung in Ankara hatte im Falle einer Serienproduktion millionenschwere Investitionen versprochen.

Weil im Bundeshaushalt kein Geld vorgesehen worden war, stoppte Airbus das Projekt jedoch 2012. Gleichzeitig lobbyierte der Konzern aber im Verteidigungsministerium und bei der Bundeswehr für eine Fortführung. Anschließend machte sich de Maizière für die „europäische Drohne“ stark und führte hierzu auch Verhandlungen auf EU-Ebene.

Schon damals brachte der Minister die Bewaffnung der Drohnen ins Spiel. Rückendeckung erhielt de Maizière von Ursula von der Leyen (CDU), die das Amt der Verteidigungsministerin Ende 2013 übernahm. Im darauf folgenden Jahr bekräftigte die Ministerin ihre „Überzeugung, dass wir in die Entwicklung einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne einsteigen müssen“.

Sechs weitere EU-Regierungen interessieren sich für die „Eurodrohne“

Zwei Jahre später, im Herbst 2016, brachten die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens die „Eurodrohne“ schließlich auf den Weg. In einem ersten Schritt vereinbarten die Verteidigungsministerien der drei Länder eine von Airbus, Dassault Aviation und Leonardo vorgeschlagene zweijährige Definitionsstudie. Anschließend trat auch Spanien dem Vorhaben bei.

Die Koordination des Gesamtprojekts wurde der Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation (OCCAR) übertragen, dort kooperieren Verteidigungsministerien aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien in großen Rüstungsvorhaben. Im Rahmen des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) unterstützt die Europäische Union die Entwicklung der „Eurodrohne“ mit 100 Millionen Euro.

Die Europäische Union nahm die „Eurodrohne“ zudem als gemeinsames Rüstungsprojekt in die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) auf, in der die Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherheit und Verteidigung enger zusammenarbeiten. Das hierfür eingerichtete Programm wird vom deutschen Verteidigungsministerium geleitet. Zuerst trat die Tschechische Republik dem SSZ-Projekt bei. Später könnten weitere Regierungen die „Eurodrohne“ in größerer Stückzahl kaufen, die Länder Belgien, Finnland, die Niederlande, Polen, Portugal und Ungarn sind laut der Bundesregierung Beobachter des Projekts.

SPD entscheidet über Verbreitung der EU-Kampfdrohnen

Die Bewaffnung der deutschen „Eurodrohnen“ soll laut der amtierenden Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wie bei der israelischen „Überbrückungslösung“ erst kurz vor der Inbetriebnahme des Systems entschieden werden. Allerdings wird die „Eurodrohne“ grundsätzlich bewaffnungsfähig entwickelt, wie die Ministerin und nun auch das Verteidigungsministerium auf seiner Webseite bestätigt. Der anvisierte Kampfeinsatz wird als Angriff „gegen gegnerische stationäre und bewegliche Punktziele“ beschrieben. Dafür soll die „Eurodrohne“ laut einem Bundeswehrgeneral mit US-amerikanischen Lenkbomben des Typs „GBU 49“ sowie den Panzerabwehrwaffen „Brimstone“ des europäischen Rüstungskonzerns MBDA ausgerüstet werden.

Nach derzeitigem Stand würde bei Einsätzen der „Eurodrohne“ zwar immer noch ein Mensch die tödliche Waffe auslösen. Aber schon im nächsten Jahrzehnt will die Bundeswehr über Kampfflugzeuge verfügen, die von einem computergesteuerten Schwarm bewaffneter Drohnen begleitet werden. Diese würden von dem militärischen Transportflugzeug „A400“ aus der Luft gestartet, wie Airbus kürzlich in einem Werbevideo demonstriert hat.

Die Abstimmung zur Serienproduktion der „Eurodrohne“ ist deshalb von einer kaum überschaubaren Tragweite. Auch wenn der Bundestag in einigen Jahren keine Zustimmung zu ihrer Munitionierung erteilt, würden absehbar zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten die mit deutschen Steuergeldern entwickelte „Eurodrohne“ beschaffen und bewaffnen. Die SPD steht also in sechs Wochen vor der Entscheidung, ob sie das Schleusentor für die Herstellung und Verbreitung einer EU-Kampfdrohne öffnen möchte.

6 Ergänzungen

  1. Ganz ehrlich: der Zug ist abgefahren. Es gibt keinen Grund, eine bewaffnete Drohne dieser Bauart abzulehnen. Es gibt gute Gruende, warum eine Bundeswehr mit gegebenem Einsatzprofil eine solche Ausruestung und auch Waffe haben will.

    Es gibt viele sehr gute Gruende, Waffenexporte massiv einzuschraenken und jeglichen Waffeneinsatz penibelst demokratisch zu regulieren und kontrollieren, aber das ist nicht nur auf diese Drohnenart eingeschraenkt.

  2. Ich kann es nicht als Aussenstehender nicht einschätzen, aber bis jetzt hat es die EU / bzw die Staaten haben es immer geschafft solche Projekte – „gegen die Wand zu fahren“, bzw im Nachgang die Einsatzfähigkeit durch Einsparungen kaputt zu machen. Warum sollte es mit den Drohnen anders laufen:

    – wieviele Einsatzfähige Eurofighter gibt es
    – Transportflugzeug A400 M
    – Herkules Projekt

    Stephan

    1. Das ganze ist technologisch und organisatorisch ein paar Stufen weniger anspruchsvoll und billiger als die genannten Projekte.

      Speziell der Eurofighter ist ein Luftueberlegenheitsjaeger fuer die Schlacht um Europa in WW3, da ist der Bedarf gerade eher gering…

    1. Ist halt billige Polemtik, oder bestenfalls Uninformiertheit.

      Die meisten Opfer von Kriegsverbrechen kommen durch Handfeuerwaffen um. Natuerlich will man deshalb moeglichst weitgehende Exportbeschraenkungen und -kontrollen, und natuerlich hat die Bundeswehr trotzdem Gewehre. Sie hat diese uebrigens auch eingesetzt, ebenso schwere Artillerie und Panzer. Witzigerweise hinterliessen ferngesteuerte Drohnen bei entsprechender Nutzung wesentlich besser kontrollierbare Auditdaten ueber ihre Einsaetze.

      Der bisher folgenreichste Bundeswehreinsatz war die Bombardierung der Tanklaster im Kunduz. Das waren bemannte Bomber, ferngesteuerte Drohnen waeren jedenfalls nicht schlimmer, je nach Bewaffnung uU „besser“, gewesen.

      Im Kontext Assange ist das bekannteste wohl „Collateral Murder“, da werden die Opfer von einem bemannten Kampfhubschrauber umgebracht. Die Kriegsverbrecher wurden nicht nennenswert verfolgt. Letzteres ist das Problem, nicht Drohne oder nicht-Drohne.

  3. „Überzeugung, dass wir in die Entwicklung einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne einsteigen müssen“

    Falls man nicht naiv sein möchte, empfiehlt es sich darüber bereits jetzt nachzudenken, wie man in Fällen missglückter Kampfdrohnen-Einsätze verfahren soll. Die USA waren zumindest jahrelang erfolgreich, ihre tödlichen Misserfolge (collateral damage) unter dem Teppich zu halten (no further investigation is warranted).

    Doch wenn der Teppich Löcher bekommt, wird es nicht nur peinlich, sondern auch juristisch gefährlich, denn Tötungen von Zivilisten sind auch im Krieg justiziabel. Da hilft es wenig, zu behaupten, wir haben es nicht besser gewusst.

    Eine Art von Evaluation solcher Kampfdrohnen-Einsätze findet man hier:
    https://www.nytimes.com/interactive/2021/12/18/us/airstrikes-pentagon-records-civilian-deaths.html

    Der Spiegel übersetzt so:
    »Der amerikanische Luftkrieg war geprägt von mangelhafter Aufklärung, übereilten und ungenauen Raketenabschüssen und dem Tod Tausender Zivilisten, darunter viele Kinder«, berichtet die Zeitung. Die Transparenzversprechen aus der Zeit von Barack Obama, der als erster US-Präsident Drohnenangriffe bevorzugte, um das Leben von US-Soldaten zu schonen, seien durch »Undurchsichtigkeit und Straffreiheit« ersetzt worden. »Nicht ein einziger Bericht kam zu dem Schluss, dass ein Fehlverhalten vorlag«.

    https://www.spiegel.de/ausland/usa-nahmen-offenbar-systematisch-zivile-opfer-bei-drohnenkrieg-in-kauf-a-fa06deec-917a-4f50-b321-5a13452bceab

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