BundesverwaltungsgerichtZwischen Aktenordner und E-Mail stehengeblieben

FragdenStaat verliert Klage: Das Bundesverwaltungsgericht hält Twitter-Direktnachrichten von Ministerien für nicht aktenrelevant. Das gibt Behörden und Ministerien Spielraum für Intransparenz in ihrer Kommunikation in sozialen Medien. Ein Kommentar.

Aktenschublade
Twitter-Direktnachrichten müssen nicht „veraktet“ werden. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Maksym Kaharlytskyi

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Klage der Informationsfreiheitsorganisation FragdenStaat gegen das Bundesinnenministerium entschieden, dass staatliche Stellen Twitter-Direktnachrichten und Nachrichten aus ähnlichen Kanälen prinzipiell herausgeben müssen, wenn diese relevant seien. Gleichzeitig gab es den staatlichen Stellen einen Freifahrtschein mit auf den Weg: Diese können selbst einstufen, was eine „relevante Nachricht“ ist.

Das Gericht ordnet damit Direktnachrichten auf Twitter oder anderen sozialen Netzwerken nicht einmal als richtige Akten ein. Damit geht das Urteil an den Realitäten der modernen Kommunikation vorbei und ist irgendwo zwischen Aktenordner und E-Mail stehen geblieben. Richtiger wäre gewesen: Da wo Behörden kommunizieren, da müssen sie auch archivieren. Wer Facebook, Twitter oder WhatsApp für die offizielle Kommunikation nutzt, der muss auch sehen, wie er die Nachrichten „veraktet“ bekommt.

Höchst unbefriedigendes Urteil

Auch aus journalistischer Sicht ist das Urteil höchst unbefriedigend. Erstens ist es kaum zu überprüfen, nach welchen Kriterien ein Ministerium oder eine Behörde eine Direktnachricht als „relevant“ einstuft. Und selbst, wenn eine Behörde oder ein Ministerium die Einstufung richtig vornehmen würde, erschwert sie damit das Erkennen der Gesamtkommunikation. Denn bei Recherchen mit dem Mittel der Informationsfreiheit können kleine, irrelevant erscheinende Hinweise ein wichtiges Puzzlestück auf größere relevante Zusammenhänge sein. Manchmal ist es eine kurze geschriebene Zustimmung, ein kleiner Nebensatz  oder eine Mailadresse, die ganz neue Tore und Themen einer Recherche öffnet. Was später für die Öffentlichkeit relevant ist, sollten Ministerien nicht selbst bestimmen dürfen.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes trägt also nicht zur Klärung der Situation bei, sondern erschwert es Journalist:innen und Zivilgesellschaft, behördliches Handeln transparent zu machen. Ganz im Gegenteil sind dadurch Kommunikationen auf Twitter oder WhatsApp deutlich geschützter als die behördliche Kommunikation per E-Mail. Warum es einen Unterschied machen soll, ob das Bundesinnenministerium nun per Mail oder Messenger kommuniziert, wird durch das Urteil nicht deutlich. So wird das Urteil zum Freifahrtschein, Kommunikationen und Direktnachrichten in sozialen Netzwerken zu vernebeln und vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Es erweist der Transparenz von Regierungshandeln einen Bärendienst.

3 Ergänzungen

  1. Nach dem Gesetz ist das Urteil m. E. zwingend – so lange die Aufzeichnung amtlichen Zwecken dienen muss, ist eine Kurznachricht ohne Aktenvorgang eben keine amtliche Information. Also muss der Gesetzgeber ran und nicht die Gerichte, wenn man mit dem Urteil unzufrieden ist.

    Außerdem – und das erwähnt das BVerwG – liegt es nicht im freien Ermessen der Behörde, ob eine Aufzeichnung erfolgen muss. Das regeln Verwaltungsvorschriften, anhand derer im Kontext der Nachricht die Bewertung vorgenommen wird.

    § 2 Nr. 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz:

    Im Sinne dieses Gesetzes ist

    1. amtliche Information: jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. […]

  2. > Wer Facebook, Twitter oder WhatsApp für die offizielle Kommunikation nutzt

    ich wundere mich grundsätzlich, dass twitter etwas wie eine offizielle kommunikationsplatform einer behörde sein kann.

    sie kann vielleicht zusätzlich zu einer offiziellen platform beschickt werden, aber auch nur als nebenpfad. und der offizielle muss dann zu den akten.

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