Wer Polizeigewalt erlebt, erstattet nur selten Anzeige. Einer der häufigsten Gründe, die Betroffene laut einem Forschungsbericht nennen: Sie gehen davon aus, dass die mutmaßlichen Täter ohnehin nicht identifiziert werden können. Das liegt auch an der mangelnden Kennzeichnung der Polizisten. In manchen Bundesländern gibt es gar keine, in anderen tragen die Beamten eine Nummer, selten ist ihr Name sichtbar. Brandenburg ist eines der Länder mit einer Kennzeichnungspflicht, je nach Art des Einsatzes müssen Beamte entweder ein Namensschild oder eine Nummer tragen.
Doch das wollten ein Polizeihauptmeister und eine Polizeiobermeisterin aus Brandenburg nicht. Die beiden Polizisten haben dagegen geklagt, nun hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden: Die Kennzeichnungspflicht für Polizeivollzugsbeamte in Brandenburg ist verfassungsgemäß, sowohl was Namensschilder als auch Kennzeichen bei geschlossenen Einheiten angeht.
In Brandenburg müssen Polizeibeamte seit 2013 bis auf Ausnahmefälle identifizierbar sein. Vollzugsbeamte bekommen ein Namensschild, Mitglieder der Bereitschaftspolizei in der Praxis eine eindeutige Nummer. Beziehungsweise, so wie es im Brandenburgischen Polizeigesetz steht: „eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung“. Die zwei klagenden Polizisten sehen sich dadurch in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Sie könnten leichter – auch privat – ausspioniert werden, argumentieren sie, das Risiko für Angriffe steige.
Drei Mal vor Gericht gescheitert
Vor zwei Gerichten waren die Polizisten bereits gescheitert. Das Verwaltungsgericht Potsdam und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilten, das Interesse der Bürger an einer transparenten Polizei übersteige den Eingriff in die Privatsphäre der Beamten. Das Bundesverwaltungsgericht weist nun die Revision der Beamten zurück und sagt, dass bei der Kennzeichnungspflicht „der Gedanke der leichteren Aufklärbarkeit von Straftaten oder Dienstpflichtverletzungen von uniformierten Polizeibeamten und damit auch der Gesichtspunkt der Prävention in den Vordergrund“ trete.
Im Jahr 2017 kritisierte schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die oft fehlende Kennzeichnung von Polizisten. Anlass war ein Fußballspiel in München. Dort kam es zu Ausschreitungen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt wurden. Da die Polizisten weder Namen noch Nummern trugen, konnten sie nicht identifiziert werden. Trotz der Kritik lehnte die Landesregierung des Freistaats eine Kennzeichnung weiter ab.
In Nordrhein-Westfalen wurde die zuvor geltende Kennzeichnungspflicht ein Jahr nach ihrer Einführung sogar wieder abgeschafft. CDU-Innenminister Reul sagte damals, die individualisierte Kennzeichnung sei „völlig überflüssig“ und Ausdruck von Misstrauen gegenüber den Beamten, die Polizei brauche „Rückhalt statt Stigmatisierung“.
„Kennzeichnungspflicht zeigt Selbstverständnis einer modernen Polizei“
Dagegen stehen Argumente, gerade eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht würde das Vertrauen in die Polizei stärken, zur Deeskalation beitragen und die Bürgernähe erhöhen. Regina Michalke vom Deutschen Anwaltverein sagte im Vorfeld des Urteils außerdem, eine Kennzeichnungspflicht „zeigt ein Selbstverständnis einer modernen Polizei, die den Menschen offen, kommunikativ und transparent entgegentritt“.
Das Bundesverwaltungsgericht findet noch einen anderen Vorteil der Kennzeichnung: „Wegen der Möglichkeit der Identifizierung ist auch gewährleistet, dass die Vielzahl rechtmäßig handelnder Beamter von einer Einbeziehung in Ermittlungen verschont bleibt.“
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