Gerät die Polizei in die Kritik, sind immer die gleichen Reaktionen zu beobachten: Polizeigewerkschaften und politische Hardliner streiten etwaige Vorwürfe ab, nehmen die Polizist:innen in Schutz und greifen die Kritiker und ihre Methoden an. So jetzt wieder schön zu beobachten bei der größten Studie, die je zum Thema rechtswidrige Polizeigewalt in Deutschland durchgeführt wurde.
Und diejenigen, die sonst am Lautesten nach der „vollen Härte des Rechtsstaates“ rufen, ignorieren dröhnschweigend, dass von polizeilichen Übergriffen betroffene Menschen in diesem Land oft keine Anzeige stellen: weil sie keine Chance sehen, dass Täter:innen in Uniform belangt werden. Da müssten eigentlich alle Alarmglocken des Rechtstaats klingeln!
Das in der Studie ausgemachte Dunkelfeld – lediglich eine von fünf mutmaßlichen Misshandlungen wird auch tatsächlich aktenkundig – ist beachtenswert. Nicht, weil es im Vergleich zu anderen Kriminalitätsfeldern besonders hoch wäre. Sondern weil das Missverhältnis so hoch ist, obwohl es sich um potenzielle Straftaten von Staatsbediensteten handelt.
Offenkundig gibt es deutlich mehr rechtswidrige Polizeigewalt als bisher angenommen und die Täter:innen können mit Straflosigkeit rechnen. Das ist nicht gut und schreit eigentlich nach sofortigen Reaktionen aus der Politik.
Es wäre so einfach.
Für das in der Studie untersuchte Problem liegen politische Konzepte fertig in der Schublade. Die Ergebnisse der Studie untermauern uralte Forderungen, welche die allerschlimmsten Misstände in Sachen rechtswidriger Polizeigewalt erfolgreich abstellen könnten:
- Es braucht eine eindeutige und klare Kennzeichnungspflicht der Beamt:innen, damit diejenigen, die Straftaten begehen, überhaupt identifizierbar sind.
- Es braucht eine unabhängige Anlaufstelle zur Kontrolle der Polizei, die für Bürger:innen und Polizist:innen gleichermaßen ansprechbar ist. Eine solche Institution braucht es, damit nicht die Polizei gegen sich selbst ermittelt, sondern eine unabhängige Stelle. Und sie ist nötig, um den bei der Polizei vorherrschenden Korpsgeist zu brechen und Kritiker:innen aus der Polizei zu schützen.
- Es braucht mehr Berichts- und Rechenschaftspflichten, insbesondere über den Einsatz bestimmter Zwangsmittel wie Pfefferspray.
Doch diese politischen Forderungen und Lösungsansätze werden von konservativen Sicherheitshardlinern, von Polizeivertretern und den Polizeigewerkschaften bis aufs Messer bekämpft. Seit Jahren.
Wo bleibt die selbstbewusste und demokratische Polizei?
Eine selbstbewusste, selbstkritische und demokratische Polizei würde die Herausforderung mutig annehmen und sagen: „Wir sind so gut und transparent, dass wir diese Reformen der Polizei als Chance für die Verbesserung unserer Arbeit sehen. Wir haben als diejenigen, die als einzige im Staat Gewalt ausüben dürfen, die Pflicht, transparent und rechenschaftspflichtig zu sein. Und wir haben die Pflicht, all jene aus dem Polizeiapparat zu werfen, die rechtswidrig Gewalt einsetzen.“ Menschen, die eine solche Position in der Polizei vertreten, muss man mit der Lupe suchen. Leider.
Dabei liegt in der Umsetzung dieser drei Lösungsansätze für eine besser kontrollierte Polizei die Möglichkeit, mehr Vertrauen bei den Bürger:innen zu gewinnen. Sogar bei all jenen, die der Polizei traditionell kritisch gegenüber stehen. Doch diese Chance verpasst die Polizei jedes Mal aufs Neue. Sie setzt in Sachen Vertrauen lieber auf Social-Media-Bohei, teure Werbekampagnen und eine Mehrheit der Deutschen, die der Polizei sowieso kritiklos aus der Hand frisst.
Falsche Anreize: Das Quengelkind Polizei wird belohnt
Stattdessen mault die Polizei weiter herum, dass alle immer gegen sie seien. Sie sieht sich permanent als Opfer, ist nicht bereit Fehler auch mal bei sich selbst zu suchen. Die Polizei ist wie ein Quengelkind, das an der Supermarktkasse so lange abnervt, bis es bekommt, was es will. Politisch wird sie für dieses Verhalten allerdings mit immer härteren Gesetzen und weitreichenden Befugnissen belohnt. Das ist eine schwerwiegende Fehlentwicklung, welche die falschen Anreize setzt.
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