Die „demokratische Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft fördern“ und die „Transparenz der Verwaltung vergrößern“ – die Thüringer Landesregierung hat sich mit ihrem ersten Entwurf für ein Transparenzgesetz einiges vorgenommen. Die Grundidee: Viele Informationen der Verwaltung sollen nicht mehr auf Anfrage herausgegeben, sondern aktiv veröffentlicht werden.
Wie dieses Vorhaben umgesetzt werden soll, ist allerdings in der rot-rot-grünen Regierung Thüringens umstritten. Eigentlich sollte das SPD-geführte Innenministerium schon vor zweieinhalb Jahren einen Entwurf vorlegen. Stattdessen gibt es den erst jetzt – und er bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Das liegt zunächst an der Gebührenregelung. Die sieht nämlich vor, dass Thüringer Behörden Personal- und Materialkosten, die ihnen bei der Beantwortung von Anfragen entstehen, Bürgern in voller Höhe in Rechnung stellen können. Eine solche Regelung gibt es bisher nirgendwo in Westeuropa. Mit gutem Grund: In der vorgesehenen Form würde das Kostendeckungsprinzip nämlich dazu führen, dass Bürger für Anfragen schnell tausende Euro bezahlen müssten. Gerade Personen mit geringem Einkommen würden so von Informationen ausgeschlossen werden. Dazu reicht in der Regel schon die Androhung von Gebühren. In anderen Bundesländern gibt es Höchstgrenzen für mögliche Gebühren.
Ausgerechnet in Thüringen: Verfassungsschutz muss nichts sagen
Das ist allerdings nicht das einzige Problem des Entwurfs. Auch der Anwendungsbereich des Gesetzes, also die Frage, welche Behörden Auskunft geben müssen, ist umstritten. Ausgerechnet das Landesamt für Verfassungsschutz ist nach den Vorstellungen des Innenministeriums de facto von der Auskunftspflicht ausgenommen. Bei einer möglichen „Beeinträchtigung“ seiner Arbeit muss er nach dem Entwurf keine Informationen herausgeben – eine derart weiche Formulierung, dass im Prinzip überhaupt nichts an die Öffentlichkeit gegeben werden muss. Das ist angesichts der Geschichte des Verfassungsschutzes in Thüringen, einer der Kernregionen des NSU, ein besonders großes Problem.
Wäre der Landesregierung tatsächlich an einer Kontrolle des Verfassungsschutzes gelegen, müsste sie die Sonderstellung des Amtes streichen. Sensible Informationen der Sicherheitsbehörden wären über den Ausnahmetatbestand zum Schutz der inneren Sicherheit weiterhin geschützt.
Auch andere Bereiche werden über Gebühr geschützt. So sieht der Entwurf etwa eine Bereichsausnahme für Forschung und Lehre vor und nimmt Finanzbehörden von der Informationspflicht aus.
Beirat zur Informationsfreiheit soll zu Verschwiegenheit verpflichtet werden
Das eigentliche Kernstück des Entwurfs, der Katalog der veröffentlichungspflichtigen Informationen, ist hingegen äußerst kurz geraten. Gutachten und Studien sowie Protokolle und Tagesordnungen des Kabinetts und wesentlicher Gremien tauchen nicht auf, Vergabeentscheidungen und Gerichtsentscheidungen ebenfalls nicht. Nicht einmal Verträge müssten veröffentlicht werden, sondern lediglich nicht-definierte „wesentliche“ Inhalte daraus. Prinzipien wie Open Data, Maschinenlesbarkeit von Daten, offene Formate und freie Lizenzen finden sich im Entwurf nicht, obwohl dies bei Transparenzgesetzen eigentlich dazu gehört.
Stattdessen enthält der Entwurf bedenkliche Abschnitte, etwa eine Missbrauchsklausel, die Anlass zum Missbrauch durch die Verwaltung bietet: Sie würde es Behörden ermöglichen, ihnen nicht genehme Anfragen als „missbräuchlich“ abzuschmettern. Fast komisch wirkt die Passage zu einem vorgesehenen Beirat für die Informationsfreiheit, der unter anderem aus Vertretern der Zivilgesellschaft bestehen und die Arbeit der Verwaltung begleiten soll. Ausgerechnet der Beirat zum Transparenzgesetz soll nämlich zur Verschwiegenheit verpflichtet werden.
Es geht besser
Um den Zweck ihres Gesetzes nicht zu unterlaufen, muss die Thüringer Regierung ihren Entwurf nachbessern. Dass weitgehende Regelungen möglich sind, zeigt zum Beispiel der Entwurf für ein Berliner Transparenzgesetz, aber auch der bundesweite Vergleich von Informationsfreiheitsgesetzen im Transparenzranking von Mehr Demokratie und Open Knowledge Foundation.
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