In mehreren Projekten arbeitet das Bundeskriminalamt (BKA) an der Ausweitung seiner Fähigkeiten zur biometrischen Gesichtserkennung. Dies geht aus der Antwort auf eine Schriftliche Frage des Abgeordneten Alexander Ulrich hervor. Die Neuerungen betreffen vor allem das zentrale Gesichtserkennungssystem (GES), mit dem das BKA seit 2008 seine Datenbestände durchsuchen kann. Im Rahmen von Ermittlungen kommt dabei das sogenannte „2D-Gesichtserkennungssysstem“ zum Einsatz, das auf der Software „Face-VACS/DB Scan“ von der Dresdner Firma Cognitec beruht.
Datenbank mit vier Millionen Lichtbildern
Jetzt will das BKA die Leistungsfähigkeit neuer Gesichtserkennungssysteme untersuchen. Marktverfügbare Anwendungen sollen hinsichtlich ihrer Erkennungsgenauigkeit getestet werden. Dann will die Behörde entscheiden, ob ein neues Gesichtserkennungssystem beschafft oder das bestehende 2D-System „ertüchtigt werden muss“.
Das GES ist technisch an das polizeiliche Informationssystem INPOL-Zentral gekoppelt, das beim BKA für alle deutschen Polizeibehörden geführt wird. Dort sind derzeit mehr als vier Millionen Lichtbilder eingestellt, Abfragen erfolgen auch durch die Landeskriminalämter und die Bundespolizei. Die Nutzung des GES steigt stetig an, zuletzt hatte das Bundesinnenministerium Zahlen für das Kalenderjahr 2017 genannt. Demzufolge wurde das System für 26.879 Recherchen genutzt, was gegenüber dem Jahr 2016 eine Zunahme um 16,5 Prozent darstellt. [Update: In einer neueren Antwort spricht das BMI von insgesamt 27.436 Abfragen, diese Zahlen wurden in der Tabelle geändert].
Neues System mit Ohrenerkennung
Bis 2015 hatte sich das BKA an dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „GES-3D“ beteiligt. Zusammen mit Biometriefirmen und einem Fraunhofer-Institut forschte das BKA zu einem „multi-biometrischen System“ unter Einsatz von 3D-Gesichtsbilddaten. Für die Identifizierung von Personen aus Foto- und Videodaten könnte dabei auch die Ohrenerkennung eingebunden werden. Die nun angestrebte Ausschreibung dürfte den Umstieg auf ein solches 3D-System zum Ziel haben.
Zur Verbesserung seiner biometrischen Fähigkeiten hatte das BKA vor zwei Jahren die Software „Examiner“ beschafft. Sie stammt ebenfalls von Cognitech und kann mittlerweile auch auf mobilen Geräten installiert werden. PolizistInnen könnten das Gesicht einer Person bei einer Kontrolle fotografieren und mit Datenbanken abgleichen. Außer INPOL kann „Examiner“ auch einzelne Staatsschutzdateien abfragen. Laut dem Bundesinnenministerium dient die Software zur Gewinnung von Ermittlungsansätzen „im Bereich der religiös motivierten Kriminalität“. Durchsucht wird dabei Bild- und Videomaterial „islamistisch-terroristischer Gruppierungen und Organisationen“.
Neue „Video-Auswerte-Plattform“
Bis zur Anschaffung von „Examiner“ konnte die beim BKA vorhandene Software nur Bilddateien durchsuchen. Für die Verarbeitung von Bewegtbildern plant das BKA die Einrichtung einer „Video-Auswerte-Plattform“ (VAP). Sie soll aus einem Index ezur Ablage der Dateien und einem Videoanalysesystem bestehen. Die für die „Video-Auswerte-Plattform“ benötigten Analysewerkzeuge stehen noch nicht fest. Jedoch beteiligt sich das BKA hierzu an mehreren Forschungsprojekten.
Im Projekt „PERFORMANCE“ testen verschiedene Polizeibehörden die teil-automatisierte Auswertung von Bild- und Videomaterial, das nach einem Anschlag von ZeugInnen auf ein Portal BKA hochgeladen werden kann. In der Projektbeschreibung werden auch die „Geschehnisse der Silvesternacht in Köln“ genannt, wo die Polizei Material im Umfang von über 700 Stunden erhielt.
Ebenfalls beteiligt ist die Polizei Hamburg, die für den G20-Gipfel Tausende Bild- und Videodateien erhielt und mit Gesichtserkennung durchforsten will. In „PERFORMANCE“ wird die Gesichtserkennungssoftware „Videmo360“ eingesetzt.
Rückverfolgung von Personen oder Objekten
Außerdem beteiligt sich das BKA am Projekt „FLORIDA“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Ziel ist die Entwicklung eines Prototypen zur 3D-Rekonstruktion eines Tatortes anhand von Videodateien. Dabei geht es auch um die Rückverfolgung von Personen oder Objekten in Videoströmen. Das BKA soll hierfür Szenarien entwerfen und später die entwickelte Plattform testen. Die biometriebasierte Software stammt vom französischen Idemia-Konzern (ehemals Morpho).
Mit dem gleichen Zweck arbeitet das BKA in dem von der Europäischen Kommission geförderten Projekt „VICTORIA” mit. Ähnlich wie beim deutschen Projekt forschen die Beteiligten an einem Prototypen zur Rekonstruktion von Tatorten anhand von Videodateien. Das System soll interaktiv sein. Auch in „VICTORIA” stammt die Software von dem Konzern Idemia.
Nur am Südkreuz: Echtzeit-Test mit Datenbank
Schließlich ist das BKA auch mit der Bundespolizei und der Deutschen Bahn an dem gemeinsamen Pilotprojekt „Sicherheitsbahnhof Berlin Südkreuz“ beteiligt. In einer ersten Stufe wird dort ebenfalls ein Gesichtserkennungssystem von Idemia genutzt, außerdem die Anwendungen „Bio Surveillance Next” von Herta Security und „EXAV-FRS 2.0” von AnyVision. Anschließend folgen Probeläufe mit einer Technik zur Erkennung von verdächtigem Verhalten.
Im Gegensatz zu den übrigen beim BKA vorhandenen oder getesteten Systemen wird am Südkreuz der Echtzeit-Abgleich mit eigens eingerichteten Datenbanken ausprobiert. Hierzu könnten zukünftig Gefährder-Datenbanken des BKA-Staatsschutzes oder die bei Interpol zur Fahndung ausgeschrieben Personen abgefragt werden.
Focus: BKA warnt vor Einfluss der Mafia
– Treiben per Zwang Geld ein
– Organisierte Kriminalität
– Verbreitung von Lügen
– Wirken subtil auf ihre Opfer ein
– Üben Druck zu ihrem Vorteil aus
– Tarnen sich wie das Chamäleon
– Schüchtern Menschen ein und machen sie abhängig von sich
– Wähnen sich in einer Machtposition
– Vorspiegelung falscher Tatsachen