Netzpolitischer Wochenrückblick KW 39: Hol dir deine Daten zurück

In der Woche nach der Bundestagswahl zeigen wir, was eine Jamaika-Koalition netzpolitisch bedeuten könnte. Die EU-Kommission setzt weiter auf Upload-Filter. Polizei rastert mehrere Terabyte Videos vom G20 mit Gesichtserkennungssoftware. Und warum Twitter Trumps Tweets nicht löschen will. Die Themen der vergangenen Woche im Überblick

Bald auch vom Upload-Filter betroffen? CC-BY 2.0 dougwoods

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Deutschland hat gewählt. Viele Medien haben die Wahl-Ergebnisse anschaulich aufbereitet. Wir schauen in die Zukunft und zeigen was eine mögliche Jamaika-Koalition netzpolitisch bedeuten könnte. In der neuen Legislaturperiode wird es für uns viel zu tun geben. Hier sind sechs Gründe. Dafür benötigen wir eure Unterstützung.

EU: NetzDG trifft auf ACTA

In den letzten Monaten haben wir viele politische Initiativen beobachtet, die die Bekämpfung von Terrorismuspropaganda und „illegalen Inhalte“ privaten Plattformen wie Facebook überlassen wollen und dabei zunehmend auf Algorithmen setzen. Während das umstrittene nationale Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), welches an diesem Wochenende in Kraft tritt, wenigstens keine verpflichtenden Upload-Filter enthält, sind diese in einer neuen geplanten Gesetzesinitiative der EU-Kommission vorgesehen. Das könnte die relevanteste Debatte der nahen und mittleren Zukunft rund um ein offenes Netz werden. Denn hier treffen Ideen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes auf eine intransparente Terrorbekämpfung sowie auf Ideen aus dem ACTA-Abkommen. Dazu kommt eine bemerkenswerte Technikgläubigkeit auf Seiten der EU-Kommission, dass Algorithmen geeignet seien, den öffentlichen Raum im Netz zu regulieren.

Auch die Netzneutralität ist weiterhin gefährdet. Während das „Stream-On“-Angebot der Telekom noch von der Bundesnetzagentur geprüft wird, zieht Vodafone mit seinem eigenen Zero-Rating Produkt nach. „Vodafone Pass“ teilt Dienste in verschiedene Kategorien ein und lässt nur die Benutzung von bestimmten Diensten kostenlos zu. Das ist genau der Fall, vor dem wir in der Netzneutralitätsdebatte immer gewarnt haben.

G20: Polizei rastert mehrere Terabyte Videos mit Gesichtserkennungssoftware

Nach dem G20-Gipfel in Hamburg Anfang Juli dieses Jahres durchsucht die Polizei mehrere Terabyte an Daten mithilfe von Gesichtserkennungssoftware. Dabei werden auch Geodaten ausgewertet. Die Hamburger Polizei erwartet bis zu 3000 Untersuchungsverfahren und eine „erstaunliche Geständnisbereitschaft“ durch den Einsatz der neuen Technologie.

Massenhaft Geodaten fallen auch beim Einsatz von Funkzellenabfragen an. 112 Millionen Datensätze waren es allein im vergangenen Jahr in Berlin. Immerhin sollen betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Zukunft benachrichtigt werden, wenn sie in eine Abfrage geraten sind. Voraussetzung ist, dass sie sich mit ihrer Handynummer registriert haben und dass das entsprechende Verfahren abgeschlossen ist. Bisher ist Berlin das einzige Bundesland, das an einem solchen System arbeitet.

Hol dir deine Daten zurück

Um große Datenmenge ging es außerdem bei einem Auskunftsersuchen der Journalistin Judith Duportail an den Dating-Dienst Tinder. Das Unternehmen schickte ihr daraufhin ungefähr 800 Seiten ihrer Aktivitäten auf der Plattform und dazu noch von Facebook und Instagram. Mit den intimen Details wurde ihr erst bewusst, welche Daten sie dort hinterlassen hatte. Nach europäischem und deutschem Datenschutzrecht hat jeder Nutzer die Möglichkeit die gespeicherten Daten bei privaten und staatlichen Stellen anzufordern. Wir erklären, wie das funktioniert.

Mehr Daten zu sammeln ist offenbar das Ziel vieler Internetanbieter, bei denen Anwender neben oder statt der e-Mail-Adresse nun häufiger eine Telefonnummer angeben müssen. Dadurch sind Nutzer besser und langfristiger zu identifizieren, auch weil seit Juli 2017 der Kauf von anonymen SIM-Karten nicht mehr möglich ist.

Twitter hat diese Woche einen Testlauf für 280 Zeichen lange Tweets angekündigt. Bleiben sollen auf der Plattform hingegen die Drohungen des US-Präsidenten Trump gegenüber Nordkorea, obwohl diese gegen die Twitter-Policy verstoßen. Das Unternehmen kündigte an, den „Nachrichtenwert“ eines Tweets nun offiziell in die Bewertung einzubeziehen.

Auch Google fand sich diese Woche inmitten einer Kontroverse, nachdem in den Suchergebnissen zu einem AfD-kritischen Soziologen angezeigt wurde, dieser würde für die AfD kandieren. Der Grund dafür war, dass der Betroffene den gleichen Namen wie ein AfD-Abgeordneter hat.

Viele rechtliche Fragen des Smart Home sind immer noch ungeklärt

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht Handlungsbedarf in Bezug auf die zunehmende Verbreitung von vernetzten Geräten im Haushalt. Viele rechtliche Fragen seien bisher noch nicht geklärt.

Wie die AfD in den Medien dargestellt wird, hat eine großangelegte Studie kanadischer Forscher untersucht. Die über 7000 analysierten Artikel zeigen, dass die etablierten Medien der Partei insgesamt wohl nicht übermäßig viel Platz in der Berichterstattung eingeräumt haben.

Und zum Schluss: Es gibt einen neuen Teil aus unserer Artikel-Serie „Neues aus dem Fernsehrat“.

Wir wünschen euch ein erholsames Wochenende.

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