Drei UN-Sonderberichterstatter kritisierten im August das mittlerweile in Kraft getretene BND-Gesetz scharf. Die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen antwortete im Oktober und warf dabei Widersprüche zur Argumentation der Bundesregierung auf. Wir veröffentlichen hier diese Stellungnahme der Bundesrepublik an die UN.
Unehrliche Beschwichtigung der UN-Berichterstatter
Die Stellungnahme enthält die Beteuerung, dass der BND immer verpflichtet sei, bei der Überwachung von Kommunikation nicht-deutscher Menschen Verhältnismäßigkeit zu wahren – „ungeachtet der Nationalität der betreffenden Person“. Das Ungleichgewicht beim Grundrechtsschutz von Inländern und Ausländern war einer der zentralen Kritikpunkte der Berichterstatter.
Das BND-Gesetz beinhaltet jedoch nicht nur einen unterschiedlichen Schutz von Deutschen und Ausländern. EU-Bürger werden anders behandelt als sonstige Nicht-Deutsche. Damit ergibt sich eine Dreiteilung. Alle, die in die letzte Kategorie fallen, sind in der Praxis des BND vogelfrei und können ohne Einschränkung abgehört werden. Der Umgang mit EU-Bürgern wird anders gehandhabt. Der BND darf sie zunächst aus den selben Gründen überwachen wie Deutsche: um Terror, Krieg, Proliferation, Drogen, Geldfälschung, Geldwäsche, Schleusung und sogenannte Cyber-Gefahren aufzuklären.
Den EU-Ausländer unterscheidet vom Deutschen, dass er auch bei Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit, um die Handlungsfähigkeit der BRD zu erhalten und bei sonstigen Erkenntnissen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung überwacht werden darf. Diese sonstigen Erkenntnisse lassen einen großen Interpretationsspielraum. Ungeachtet dessen institutionalisiert das BND-Gesetz ein Drei-Klassen-System für die Geltung von Grundrechten. Und die Antwort Deutschlands auf die Kritik der Berichterstatter überspielt das mit dem Hinweis, dass ungeachtet der Nationalität auf Verhältnismäßigkeit geachtet werde.
„Meinungs- und Pressefreiheit dürfen nicht von der Nationalität abhängen“
Das Recht auf Post- und Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 des Grundgesetzes ist ein sogenanntes Jedermann-Grundrecht. Es steht also nicht nur Deutschen zu, sondern allen Menschen. Das BND-Gesetz verletzt dieses Prinzip und zieht dadurch eine Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit mit sich. Der BND kann Journalisten im Ausland nach Belieben überwachen und gefährdet damit ihre Arbeit und ihre Quellen. Das kritisierte unter anderem Reporter ohne Grenzen. In der Stellungnahme Deutschlands an die Vereinten Nationen wird dieses Problem geleugnet, es gebe „keinen Grund, zu befürchten, dass der Gesetzesentwurf Presse- oder Meinungsfreiheit gefährdet“.
Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen betont in einer Stellungnahme gegenüber netzpolitik.org, dass „Meinungs- und Pressefreiheit elementare Menschenrechte sind, die nicht von der Nationalität einer Person abhängen dürfen“. Vor dem Hintergrund der Antwort Deutschlands an die Berichterstatter der UN fügt er hinzu:
Das hat endlich auch die Bundesregierung bestätigt, obwohl sie im BND-Gesetz starr eine andere Rechtsauffassung vertritt und zum Beispiel Journalisten zur BND-Überwachung freigibt. Wir fordern die Bundesregierung auf, dazu Stellung zu nehmen: Ist das ’nur‘ ein diplomatisches Missgeschick? Dann sollte der UN das mitgeteilt werden. Oder wurden den UN-Sonderberichterstattern etwa bewusst verdrehte Fakten geschickt, um sie eilig zu besänftigen?“
Verhältnismäßigkeit mit dreierlei Maß gemessen
Auf Nachfrage von netzpolitik.org erklärt eine Sprecherin der Bundesregierung, dass „die Kommunikation von Einrichtungen der Europäischen Union, öffentlicher Stellen ihrer Mitgliedsstaaten oder von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern unter besonderen Schutz gestellt“ werde. Zur Antwort an die UN-Sonderberichterstatter erklärt sie, ungeachtet der Schutzvorkehrungen für die EU und Deutsche „ist der BND bei allem seinem Tun an den im Grundgesetz verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Hierauf wird in der von zitierten Antwort an den UN-Sonderberichterstatter zutreffend hingewiesen“.
Irreführend bleibt die Antwort an die UN-Sonderberichterstatter dennoch. Wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für den BND immer gilt, de facto aber das Schutzniveau von Grundrechten bei Deutschen, EU-Bürgern und dem Rest der Welt unterschiedlich ist, wird die Verhältnismäßigkeit mit dreierlei Maß gemessen. Die Folge: Das Grundrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit, wie es im Grundgesetz und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist, wird für diejenigen, die weniger geschützt sind, stärker eingeschränkt.
Dieser und andere Kritikpunkte der Berichterstatter blieben und bleiben unberücksichtigt. Bei keinem der Punkte wurde bis zur Verabschiedung des Gesetzes, das am 31. Dezember 2016 in Kraft getreten ist, nachgearbeitet.
Und warum hat Gauck das Gesetz ohne Verzögerung unterschrieben ?
Nutzt eigentlich nicht einmal die persönliche Lebenserfahrung (Stasi-Unterlagen-Behörde) irgend etwas in diesem Land,
ich meine neben dem Geschichtsunterricht,
neben dem, was wir in unseren Nachbarländern an Bedrohung der freien Berichterstattung sehen,
neben den Ergebnissen der Bundestags-Untersuchungsausschüsse,
neben dem Begreifen, wieviel einfacher das Blockwart-Spähen/-Manipulieren/-Zersetzen wird im Zeitalter des Internets … ???
Die Aufgabe des Bundespräsidenten ist meines Verständnisses nach nicht zu prüfen, ob ein Gesetz inhaltlich korrekt ist, Menschenrechte achtet oder die Verfassung einhält, sondern vielmehr nur die formal korrekte Entscheidungsfindung durch das entsprechende Verfassungsorgan (hier durch den Bundestag). Der Bundespräsident nimmt also etwas salopp formuliert nur die Rolle eines Notars ein. Weitere rechtliche Bewertungen werden durch die Gerichte wahr genommen und nicht durch den im Zweifelsfall juristisch wenig erfahrenen Bundespräsidenten. Inhaltlich ist das hier vielleicht nicht wünschenswert, aber so ist es halt in der BRD geregelt. Das Bundesverfassungsgericht wird sich ja mit diesem Gesetz beschäftigen müssen, da ich von mindestens zwei Klagen in unterschiedlichen Stadien gehört habe.
Sie werden wahrgenommen. Von „etwas wahrnehmen“. Kein Leerzeichen ;)
Das ist eine tröstliche, nette Antwort, vielen Dank !
Allerdings unser „Notar“ hat den Eid nach GG Art. 56 geschworen, die Einhaltung des Grundgesetzes zu verteidigen, und damit sollte er ein Gesetz nicht als formal korrekt entschieden bestätigen, wenn ihn > 75% des Bundestag – weil dort eine 25% Opposition für die Normenkontrollklage fehlt – etwas zu unterschreiben auffordert, was unserem Grundgesetz widerspricht: in dieser Zeit, in der der Verfassungs-verteidigende Edward Snowden nicht einmal Zeugenschutz bekommt in Berlin, ein windiger Geheimdienstchef aber schon Cyber-Angriffsrechte fordert … , möchte ich bitte ALLE „checks and balances“, die ich bekommen kann !!!
„Die Aufgabe des Bundespräsidenten ist meines Verständnisses nach nicht zu prüfen, ob ein Gesetz inhaltlich korrekt ist, Menschenrechte achtet oder die Verfassung einhält, sondern vielmehr nur die formal korrekte Entscheidungsfindung durch das entsprechende Verfassungsorgan (hier durch den Bundestag). Der Bundespräsident nimmt also etwas salopp formuliert nur die Rolle eines Notars ein. “
Wenn ein Bundespräsident sich so verhält wie Sie das Stellenprofil beschreiben,so kann man von einem „Furchtbaren Juristen “ sprechen.
In dem Fall #Not my President
Der Gauck geht konform mit dem Mehrklassensystem.
Als in Rostock ,genauer gesagt in Rostock Lichtenhagen Asylantenheime,quasi vor seiner Nase , mit sich darin befindenden Menschen, unter gröhlendem Beifall der Einheimischen abgefackelt wurden, glänzte er auch mit Abwesenheit und Gleichgültigkeit,denn es waren ja nur Ausländer darin,da musste er sich nicht engagieren,da war es ihm auch egal.
Jahre später hat er sich als Pseudo Mahner vor die Kameras platziert.
Publicity statt echtes Engagement ,war schon immer Gaucks Leitbild,er ist seiner Linie bis heute treu geblieben.
#Not my President
Das Grundgesetz kennt aber genau die Unterscheidung von bürgerlichen Grundrechten und allgemeinen Menschenrechten. Das die eventuelle Überwachung der Kommunikation der eigenen Bürger nach den (höheren) Standards unserer Verfassung geschehen muß und die Kommunikationsüberwachung fremder Staatsbürger oder ausländischer Institutionen ggf. nach internationalen Rechtsstandards erfolgt, sehe ich nicht als prinzipiellen Widerspruch.
Sollten internationale Standards und Konventionen oder im Grundgesetz verankerte allgemeine Grundrechte beeinträchtigt sein, dann wäre dies dennoch zu verurteilen. ich frage mich dennoch, ob wir unseren Auslandsgeheimdienst so sehr in seinen Möglichkeiten einschränken dürfen, während alle anderen größeren Geheimdienste, auch die unserer angeblichen Partner, dieselben Standards mit Füßen treten. Nach allem, was wir durch die Veröffentlichungen diverser Whistleblower wissen, kümmern sich andere Nationen einen feuchten Kehricht um sämtliche Abkommen, die die informationelle Selbstbestimmung, die Meinungs- und Pressefreiheit und sogar das Recht auf Leben garantieren sollen. Warum also sollte ich mich in einem Land, in dem das Recht gerade gegen die Wand gefahren wird, in dem meine Grundrechte im Inneren schon missachtet und in dem die Regierenden Hochverrat begehen noch um solche Lappalien kümmern. Eine Rückkehr zum Recht wird es in dieser politischen Gemengelage nicht mehr geben. Vielmehr bewegen wir uns doch schnurstracks auf die Diktatur zu und die Beschäftigung mit Details lässt uns doch den Blick aufs Wesentliche verlieren. Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt soll die Videoüberwachung ausgebaut, die inländische Telefonkommunikation noch umfassender ausgeübt werden und jüngst kam aus Belgien der Vorschlag, sämtliche Reisebewegungen der Bürger innerhalb der EU zu erfassen, zu registrieren und zu speichern. Verstösse sollen mit Bußgeldern von bis zu 50 000Euro belegt werden. Derweil kann weiter jeder ohne Paß und mit falscher Identität nach Europa einreisen, mehrfache Sozialleistungen kassieren oder nach Belieben untertauchen. Das Ganze wird böse enden!
Die Rückkehr zum Recht in den Details ist doch das Wesentliche,
bei der Politik, die in unserem Namen geschieht.
Deshalb wird es darauf ankommen, für jede Sicherheits-Verschärfung auch im Gegenzug eine Offenlegungs-Erhöhung zu erhalten:
Videoüberwachung? => Kontrolle der Videodaten-Verwendung /-Löschung-nach-Zeitablauf durch Datenschützer!
Mehr Zugriffsmöglichkeiten für Geheimdienste? => Echter Whistleblower-Schutz für Verfassungsverteidiger, beginnend mit Zeugenschutz für Snowden!
Mehr Entschlüsselung/Staatstrojaner für Geheimdienste? => Offenlegung aller Geheimdienstaktivitäten nach x Jahren als Klagemöglichkeit der Betroffenen!
… Usw.:
Zu erreichen ist, dass die Geheimdienst-Beschäftigten sich bewertet / verantwortlich für die oben genannte „Verhältnismäßigkeit“ der Maßnahmen fühlen,
dass sie wissen, es wird das Argument „ich habe doch nur Anordnungen befolgt“ in diesem Land nicht mehr als Ausrede geben.
Widerstand ist etwas Richtiges und Gutes, wenn damit die
Rückkehr zum Recht
erreicht wird. Alle Bürger sind gefragt.
Hi m.sastre, „Das Grundgesetz kennt aber genau die Unterscheidung von bürgerlichen Grundrechten und allgemeinen Menschenrechten. “ Genau. Und es macht diese Unterscheidung deutlich indem es die bürgerlichen Grundrechte mit „Alle Deutschen …“ einleitet (z. B. Artikel 8, 9, 11, 12). Der Artikel 10 über das Kommunikationsgeheimnis hat diese Einschränkung nicht. Offensichtlich sieht unser GG das Kommunikationsgeheimnis als ein allgemeines Menschenrecht an. Insofern kann ich nicht zustimmen, wenn du sagst: „Das die eventuelle Überwachung der Kommunikation der eigenen Bürger nach den (höheren) Standards unserer Verfassung geschehen muß und die Kommunikationsüberwachung fremder Staatsbürger oder ausländischer Institutionen ggf. nach internationalen Rechtsstandards erfolgt, sehe ich nicht als prinzipiellen Widerspruch.“ Nach GG besteht da ein prinzipieller Widerspruch.