Breitband in Deutschland: Bitte warten

Deutschlands Netzbetreiber liefern in aller Regel nicht die vertraglich zugesicherte Bandbreite, stellte die Bundesnetzagentur fest. Noch schlechter als stationäre Internetanschlüsse schnitten Mobilfunkverbindungen ab. Die Politik könnte dieses Problem aus der Welt schaffen – wenn sie nur wollte.

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Nutzer müssen damit rechnen, die von ihrem Netzbetreiber versprochenen Bandbreiten im Alltag nicht zu erreichen. Das geht aus dem heute veröffentlichten Jahresbericht der Bundesnetzagentur hervor, die erstmals eine detaillierte Statistik (PDF) ihrer Bandbreitenmessung zur Verfügung gestellt hat.

Im Schnitt erhält nur jeder achte Nutzer die vom Netzbetreiber versprochene Bandbreite. Besonders arm dran sind jene, die mit einem ADSL-Anschluss Vorlieb nehmen (müssen), der bloß acht bis 18 MBit/s im Downstream liefert. Ganze vier Prozent dieser Verbraucher können tatsächlich die volle Bandbreite ausnutzen. Bei schnelleren Anschlüssen steigt der Wert auf maximal 25 Prozent – insgesamt eine ernüchternde Ausbeute.

Ein Jahr lang Messungen gesammelt

Gemessen hat die Bundesnetzagentur zwischen September 2015 und September 2016 und dabei über 106.000 stationäre Breitbandanschlüsse sowie knapp 54.000 mobile Verbindungen ausgewertet. Repräsentativ sei die Studie allerdings nicht, betonen die Regulierer, da die Teilnahme freiwillig erfolgt war.

„Immerhin aber hat die Hälfte der Nutzer bei allen betrachteten Anbietern im Festnetz mindestens 60 Prozent der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate erreicht, bei einzelnen Anbietern sogar über 90 Prozent“, erklärte Jochen Homann, der Präsident der Bundesnetzagentur.

Starke, von der Tageszeit abhängige Schwankungen lassen sich zudem in der Bandbreitenklasse von 200 bis 500 MBit/s feststellen. Solche Produkte bieten insbesondere Kabelnetzbetreiber an, deren Kunden sich technisch bedingt ein gewisses Netzsegment teilen müssen („Shared Medium“). Wenn also viele Nutzer gleichzeitig auf das Netz zugreifen, bricht die Übertragungsrate dramatisch ein. Am Abend sinkt deshalb die erreichbare Bandbreite um bis zu 45 Prozent im Vergleich zu den in der Nacht gemessenen Werten ab.

Beim Mobilfunk sieht es noch düsterer aus

Noch weiter klafften Anspruch und Wirklichkeit beim Mobilfunk auseinander. Erreichten bei stationären Internetanschlüssen knapp über 70 Prozent der Nutzer mindestens die Hälfte der maximalen Übertragungsrate, so lag der Anteil bei mobilen Anschlüssen bei unter 30 Prozent. Eklatant zeigte sich das Missverhältnis bei den angeblich schnellsten Produkten, die zwischen 100 bis 200 MBit/s beziehungsweise 200 bis 500 MBit/s versprechen.

Freilich sind diese Erkenntnisse nicht neu, sondern bestätigen lediglich einen Trend, der bereits in den Studien der „Initiative Netzqualität“ aus den Jahren 2012 und 2013 abzulesen war. Auch damals schon haben die Untersuchungen ergeben, dass Netzbetreiber in aller Regel nicht das liefern, was sie in ihren Werbebroschüren anpreisen.

Man muss nur wollen

Politische Konsequenzen wurden daraus jedoch nach wie vor nicht gezogen. Eine im Vorjahr beschlossene Verordnung verpflichtet Netzbetreiber zu mehr Transparenz. Sie gibt Verbrauchern aber keine Rechtsmittel an die Hand, um sich gegen gebrochene Versprechen zur Wehr zu setzen. Und in der derzeit debattierten Novelle des Telekommunikationsgesetzes fehlen ebenfalls wirksame Mechanismen, mit denen Verbraucher gegen Netzbetreiber vorgehen könnten.

Augenscheinlich sieht das federführende Bundeswirtschaftsministerium keinen Handlungsbedarf, während die Bundesnetzagentur auf Selbstregulierung der Branche setzt und mit Berichten wie dem aktuell vorliegenden Netzbetreiber an den öffentlichen Pranger stellen möchte. Ob das bei einem offensichtlich systemischen Problem etwas bringt, bleibt jedoch fraglich.

Bußgelder und Schadensersatzzahlungen gefordert

„Die Politik muss die Unternehmen endlich in die Pflicht nehmen, denn es kann nicht sein, dass hohe Bandbreiten versprochen werden, aber nie ankommen. Wir fordern deshalb Mindestbandbreiten sowie Bußgelder und Schadensersatzzahlungen, wenn Unternehmen nicht liefern“, erklärte die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner gegenüber netzpolitik.org.

Ähnliches forderte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), der Nachbesserungen beim Telekommunikationsgesetz verlangte. „Verbraucher haben noch immer keine Rechtssicherheit, unkompliziert ihren Tarif zu mindern, anzupassen oder auch zu kündigen, sollten sich Anbieter nicht an ihre vertraglichen Zusagen halten“, so Müller.

Die Politik hätte Verbraucher „mit Rücksicht auf die Interessen der Provider im Regen stehen“ gelassen, sagte uns Volker Tripp von Digitale Gesellschaft e.V. Nicht nur der Breitbandausbau an sich, sondern auch die Qualität der Breitbandversorgung in Deutschland stagniere insgesamt auf mäßigem Niveau. „Nun rächen sich die zu lasche Regulierung der Netzneutralität und die Befürwortung wenig zukunftsfester Monopoltechnologien wie VDSL2-Vectoring“, so Tripp.

Kupfer macht’s nicht besser

Gemischte Signale wiederum kamen aus der Branche. Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Netzbetreiberverbandes VATM. Es sei zwar gut, wenn sich die Bundesnetzagentur um Transparenz kümmere. „Dennoch kann auch die größte Transparenz die Gesetze der Physik nicht ausschalten“, verwies Grützner auf die Ausrichtung der deutschen Breitbandpolitik auf Vectoring und alternde Kupferkabel. Nur ein echter Ausbau mit Glasfaser könne die derzeitigen Probleme aus der Welt schaffen – und nicht ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Sonderkündigung oder billigere Tarife, sollte die zugesagte Bandbreite nicht geliefert werden.

Bis auf Weiteres bleibt das jedoch nur ein schöner Traum. Denn bekanntlich sieht es in Deutschland nicht nur mit dem flächendeckenden Breitbandausbau düster aus, sondern offenkundig auch mit der Qualität der vorhandenen Anschlüsse. Für Verbraucher und echte Breitbandanschlüsse heißt es hierzulande nach wie vor: Bitte warten.

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9 Ergänzungen

    1. Es gibt keinen Vertrag. Ich warte jetzt schon fast 8 Wochen auf mein VDSL-50 Neuanschluss. Solange hält mich Freifunk über Wasser mit einer Richtfunkantenne. Natürlich bleibt die Antenne stehen sobald der neue Anschluss steht.

    2. Wenn Freifunk die kritische Masse erreicht hat, dann werden die ersten Leute anfangen, Fiber in die Strasse zu legen. Obwohl das eigentlich die Aufgabe des Staates ist, Infrastruktur zu schaffen, aber der ist damit beschäftigt Lobbypolitik abzunicken.

      1. Nachtrag:

        Besser man schafft den Staat ab und macht es selber. Nicht dass jemand auf die Idee kommt zu warten bis es besser wird. Also ist Freifunk schon mal der richtige Weg.

        P.S. Die Steuern sind sowieso zu hoch und dann muss man noch die Parasiten/Banken durchfüttern.

        1. Also ob die vollständige Privatisierung von Infrastruktur wirklich der richtige Ansatz ist weiß ich nicht.

          1. Es bräuchte so eine Art GPL, damit Änderungen an der Infrastruktur allen zu gute kommt und es keine Monopolstellung, bzw. Zölle oder ähnliches erhoben werden können.

        2. Seit wann ist das jetzt Aufgabe des Staates? Das wäre zwar sinnvoll gewesen, die Infrastruktur und die Dienste zu trennen, aber man hat über die EU die Zwangsliberalisierung übergestülpt und viele waren ja auch durch den Neoliberalismus geblendet und haben die Telekom, die heute direkt und indirekt nur noch zu 32% dem Statt gehört, verteufelt. Jetzt, nachdem die Privaten schnelles Geld verdienen wollen, und nicht in kostspielige und langfristige Infrastruktur investieren wollen, schreit man wieder nach dem Staat – welche Heuchelei.

  1. Es ist naiv zu denken, dass die Anbieter wg. einer Transparenzverordnung den Ausbau (speziell in ADSL) verbessern werden. Eher werden wieder ADSL 2, 4, 8 oder 16 Profile/Tarife angeboten, damit das Leistungsversprechen auch der Leistung entspricht… Unschön für Markting- und Kommunikationskollegen, ist dann aber so.

    In Gebieten mit ADSL kommt entweder Vectoring oder erstmal nix. ADSL Gebiete sind für FTTH Ausbau i.d.R. unwirtschaftlich (Ausnahmen bestätigen die Regel), zumindest wenn ein wirtschaftlich tätiger Anbieter aktiv wird. Hier stößt auch eine Deutsche Glasfaser mit Microtrenching an Ihre Grenzen.

    Gemeinden/Länder und der Bund werden das Geld für einen weitgehenden FTTH Ausbau auch nicht rauslegen.

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