Der befürchtete „digitale Ausnahmezustand“ bleibt wohl erstmal aus. Eine Arbeitsgruppe aus Kultusministern, Hochschulen und der Verwertungsgesellschaft Wort hat sich auf eine Zwischenlösung für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für die Lehre geeinigt. Ursprünglich war vorgesehen, dass Dozierende ab dem 1. Januar 2017 jeden digitalisierten Text der VG Wort einzeln melden sollen. Hochschulen und Studierende lehnten die Regelung aufgrund des Aufwands einhellig ab. Eine Petition zweier Münchner Studenten gegen „die Versetzung der Hochschulen ins prädigitale Zeitalter“ sammelte innerhalb weniger Tage bereits über 85.000 Unterschriften.
In der letzten Woche hatten die drei Organisationen angekündigt, eine Arbeitsgruppe zur einvernehmlichen Lösung für die Handhabung des Urheberrechts im Kontext der Lehre an Hochschulen zu bilden. Diese ist nun anscheinend sehr schnell zu einem ersten Ergebnis gekommen.
Demnach soll die bisherige Praxis der Pauschalzahlung zumindest bis Ende September 2017 fortgeführt werden, wie aus einem Schreiben (pdf) des Wissenschaftsministeriums NRW an alle Hochschulen hervorgeht. Bis dahin solle „eine für alle Beteiligten praktikable und sachgerechte Lösung“ entwickelt werden. Dozierende können also auch im nächsten Jahr urheberrechtsgeschützte Texte auf den Online-Lernplattformen hochladen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Pauschalzahlungen verlängert werden. Bereits vor einem Jahr hatten sich Kultusministerkonferenz und VG Wort darauf geeinigt, für das Jahr 2016 weiterhin nach altem Prozedere abzurechnen.
Auf Nachfrage bestätigte die Pressestelle des Wissenschaftsministeriums die Einigung. Verfasser des Schreibens ist Staatssekretär Thomas Grünewald. Er sitzt als Vertreter der Kultusministerkonferenz in der Arbeitsgruppe.
Die anderen beiden beteiligten Seiten, Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und VG Wort, wollten die Einigung gegenüber netzpolitik.org noch nicht bestätigen. Nachdem die Arbeitsgruppe sich zu einem Gespräch getroffen hätte, würde dieses nun in den Organisationen besprochen, sagte ein Sprecher der HRK. Es sieht so aus, als wäre Staatssekretär Thomas Grünewald etwas vorschnell mit dem Ergebnis an die Öffentlichkeit gegangen.
Update 16.12.2016, 12:00 Uhr: Informationen zu früheren Übergangslösungen und Petition eingefügt.
Der Flurschaden allerdings ist angerichtet.
Kurse aus Lernmanagementsystemen schon gelöscht oder verborgen und Lehrende verunsichert. Die meisten sind sich auf lange Sicht nicht sicher, was erlaubt ist und was nicht und werden ihre Kurse nicht weiterführen wie bisher.
Wenn ich das Problem richtig verstanden habe, dann haben die Unis in ihren Moodle Installationen massenhaft Arztromane und copyrightgeschützte Fiction-Erzählungen hinterlegt für die sie keine Beiträge an die VG Wort abführen, sich aber gleichzeitig als Opfer positionieren. Da kann man nur hoffen, dass sich das VG Wort nicht bieten lässt und da ein Exempel statuiert.
Genau! Auch Aristoteles hat Anspruch, dass jemand seine Rechte übernimmt, und Druckkosten für ihn einstreicht. Ein Hoch auf die Verlage! Hoch! Hoch! Hoch!
So witzig ist das gar nicht. Laut http://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-04/vg-wort-bgh-urteil-buchbranche-deutschland stehen kleine und mittlere Verlage vor dem Bankrott weil sie kein Geld von der VG Wort erhalten. Und der Gestalten Verlag und Weltbild sind bereits pleite.
Da bringst du aber zwei verschiedene Sachen durcheinander. Das eine ist die Auseinandersetzung um die Rückforderungen der VG Wort an die Verlage (dein Link). Hier geht es aber um die Art und Weise der Bezahlung von Digitalen Semesterapparaten. Diese wurden bislang immer mit Pauschalbeträgen bezahlt, jetzt sollen sie einzeln abgerechnet werden.
Und worauf beziehst du dich, wenn du behauptest, die Unis hätten „massenhaft Arztromane und copyrightgeschützte Fiction-Erzählungen hinterlegt für die sie keine Beiträge an die VG Wort abführen, sich aber gleichzeitig als Opfer positionieren“?
Er bezieht sich auf gar nichts.Das ist eine Standard-MINT-Antwort. Es ist in vielen Studiengängen unabdingbar, lange Originaltexte hochzuladen, um diese im Seminar zu diskutieren. 20-60 Seiten Text pro Seminar und Sitzung sind ganz normal.
Dann kommen aber viele MINT-Studenten daher und gehen sogar so weit, Dozenten „Faulheit“ vorzuwerfen, wenn diese kein Skript hochladen sondern Texte.
Die meisten sind sich auf lange Sicht nicht sicher, was erlaubt ist und was nicht und werden ihre Kurse nicht weiterführen wie bisher.
Genau das ist das Problem! Wir brauchen dringend eine Vereinfachung des Urheberrechts, am besten eine Allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke!
http://www.urheberrechtsbuendnis.de