Mit „Democracy – im Rausch der Daten“ feierte in der vergangenen Woche ein ungewöhnlicher Film Premiere. Einen scheinbar trockenen und schmutzigen EU-Gesetzgebungsprozess in einen spannenden Dokumentarfilm zu verpacken, ist eine große Herausforderung. Dem Regisseur David Bernet ist dieses Kunststück gelungen. Wir haben den Film mit dem sperrigen Titel vorab gesehen und ihn bereits auf netzpolitik.org rezensiert. Zweieinhalb Jahre lang hat sich Bernet mit einem Filmteam ins Innere der EU-Institutionen vorgearbeitet und die Entstehung der neuen Datenschutzrichtlinie begleitet. Was er dabei vorgefunden hat, berichtet er im Interview mit Simon und Nikolai.
Du hast den Gesetzgebungsprozess aus vielen verschiedenen Blickwinkeln von Beginn an verfolgt, was versprichst du dir von der neuen Datenschutz-Grundverordnung?
David Bernet: Was auch immer da rauskommt, es ist natürlich ein Kompromiss. Der Parlamentsvorschlag war sehr bürgerrechtsorientiert. Zwischen Parlament und Rat laufen jetzt die sogenannten Trilog-Gespräche. Es werden Themen verhandelt, die die Verwendung unserer Daten zum Beispiel im Internet betreffen; wie wir darüber gewarnt und informiert werden, was mit unseren Daten geschieht. Letztlich aber wird es auch an uns selbst liegen, wie wir darauf eingehen wollen. Wir werden uns immer noch entscheiden müssen, ob wir den Datenschutzbedingungen eines Unternehmens zustimmen oder nicht, aber das Gesetz sollte uns das Verständnis darüber erleichtern. Firmen sollen gezwungen werden, Informationen auf eine einfache Art und Weise zu liefern, um eine mündige Entscheidung treffen zu können. Wir haben natürlich immer darauf gewartet, dass der Gesetzgebungsprozess fertig wird, aber wir wussten nicht, wann das sein würde. Der Film kommt jetzt heraus, weil wesentliche Punkte bereits geklärt sind und viele rechnen damit, dass das Gesetz bis Dezember durch ist.
Besteht nicht ein Problem darin, dass es erst einen solchen Film braucht um der breiten Öffentlichkeit das Gesetzgebungsverfahren und die Wichtigkeit des Themas verständlich zu machen?
David Bernet: Nur eine sehr kleine gesellschaftliche Gruppe hat verstanden, worum es bei dem Thema Datenschutz wirklich geht. Den meisten Leuten ist es egal, oder sie meinen, nichts zu verbergen zu haben. Das mag manchmal sogar der Fall sein, ist aber eine sehr selbstbezogene Aussage. Es geht nämlich auch um Solidarität gegenüber Leuten, die tatsächlich darauf angewiesen sind, Geheimnisse hüten zu können. Beispielsweise können das Minderheiten oder Journalisten sein. Die Pressefreiheit ist ohne einen Schutz gegenüber digitaler Überwachung undenkbar. Das muss auf verschiedene Weisen ins öffentliche Bewusstsein, der Film ist nur eine davon.
Wie bist Du zu ausgerechnet zu dem speziellen Thema Datenschutz für einen Dokumentarfilm über die EU gekommen?
David Bernet: Die Ursprungsidee hatte mit Datenschutz überhaupt nichts zu tun. Bereits vor zehn Jahren hatte ich die Idee, einen Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene filmisch zu verfolgen. Als ich dann in Brüssel war, um herauszufinden, ob es in irgendeiner Form möglich ist den Zugang dafür zu erhalten, habe ich erfahren, dass so etwas explizit gewollt ist. Die EU-Institutionen haben ein Imageproblem und sie haben große Schwierigkeiten, ihre Arbeits- und Funktionsweise zu vermitteln. Das Klischee ist, dass in Brüssel Bürokraten an ihren Schreibtischen sitzen, dort Gesetze schreiben und sie in die Welt rausschicken. Natürlich ist das nicht wahr, sondern es ist ein sehr dynamischer politischer Prozess. Deswegen teilten viele Leute in Brüssel das Anliegen, dass so ein Film entstehen kann.
Die eigentlichen Recherchen begannen mit der neuen Legislaturperiode 2009. Ich wollte herausfinden, welchen Gesetzgebungsprozess ich verfolgen könnte. Mir wurde schnell klar, dass die Zukunfsthemen mit der digitalen Gesellschaft zusammenhängen. Wie kann man Datenschutz und Privatsphäre, digitale Grundrechte, Pressefreiheit, Urheberrechtsfragen und all das in Zukunft lösen? In der Öffentlichkeit spielten diese Themen noch keine große Rolle, aber in der EU mussten Antworten gefunden werden. Als ich meinen Produzenten mitteilte, dass Datenschutz mein Thema sei, mussten wir erstmal mit den Zweifeln umgehen, ob das nicht zu komplex und zu abstrakt ist. Aber wir spekulierten darauf, dass dieses Thema noch richtig heiß werden wird. Viviane Reding und Jan Philipp Albrecht kannte ich schon aus der Recherche. Dass auch Letzterer eine wichtige Rolle spielen würde, war aber noch keinesfalls gegeben.
Wie hast du dich dann für diese ProtagonistInnen entschieden?
David Bernet: Verschiedene Personen im Parlament wollten den Posten des Berichterstatters des EU-Parlaments für die Datenschutzgrundverordnung. Jan Philipp Albrecht war einer davon, hatte aber zu dem Zeitpunkt keine Chance. Als der aussichtsreichste Kandidat der Sozialdemokraten plötzlich zurück nach Griechenland berufen wurde, haben die Bürgerlichen versucht, jemanden zu platzieren. Niemand wollte, dass dieses Thema in die Hände von kleinen Parteien gerät. Sozialdemokraten oder Konservative wollten dieses Dossier, haben es aber durch einen Verfahrensfehler nicht hingekriegt. Als Jan Philipp Albrecht im Februar 2012 den Posten bekam war das sehr überraschend. Für den Film aber war es eine hervorragende Ausgangslage, weil er zu diesem Zeitpunkt noch sehr neu auf der diplomatischen Bühne war. Allerdings war er sehr engagiert und, ich würde sagen, einer der wenigen, die sich in digitalen Themen auskannten.
Aber es war bestimmt keine Selbstverständlichkeit für PolitikerInnen über den gesamten Gesetzgebungsprozess hinweg begleitet zu werden?
David Bernet: Mir war klar, dass wir sehr viel Zeit brauchen und mit Momentaufnahmen nicht weit kommen würden. Deshalb brauchten wir eine sehr breite Unterstützung innerhalb der europäischen Institutionen und wir brauchten viel Geld. Ein anständiges Budget für diesen Film war notwendig. Weil niemand sagen konnte, was es bedeutet, sich so einem Gesetzgebungsprozess auszuliefern. Es hätte sein können, dass der Prozess innerhalb eines Jahres erledigt sein würde, oder aber erst in zehn Jahren. Hinzu kam, dass die wenigsten Leute innerhalb der Institutionen verstanden, wie ein Dokumentarfilm funktioniert. Die Menschen auf der politischen Bühne sind es gewohnt, ein Mikrophon unter die Nase gehalten zu bekommen und sie geben ein kurzes Statement ab. Genau daran war ich aber überhaupt nicht interessiert. Also hat es lange Erklärungen erfordert, meine Methode zu erläutern. Letztlich aber haben viele verstanden, welches Potenzial in einem Dokumentarfilm stecken kann, der sich dem Gesetzgebungsprozess als Ganzem widmet. Und schließlich wollen Politiker auch gesehen werden.
LobbyistInnen hingegen nicht…
David Bernet: Da war es schwieriger. Ich habe mich sehr bemüht, Vertreter der großen Industrie und Lobbyisten so weit einzubeziehen wie möglich. Aber nur wenige waren bereit dazu. Es liegt gewissermaßen im Interesse vor allem der großen Player, dass ihre Aktivitäten nicht mit Datenschutz in Verbindung gebracht werden. Vor allem dann, wenn gerade eine kritische Diskussion in Gang kommt. Lobbyismus ist ein komplexes Thema, es gibt sehr unterschiedliche Akteure aus Wirtschaft, Anwälten und Thinktanks. Oft ist es unklar, ob jemand eigene oder fremde Interessen vertritt. Einigen geht es auch nur darum, möglichst nah an den Gesetzgebungsprozess zu kommen, um sich mit diesem Wissen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Durch Paolo Balboni, der einen Thinktank gegründet hat, haben wir Zugang erhalten zu vielen Lobbyisten, die plötzlich bei der Arbeit im Privacy-Frühstück beisammen saßen. Das war ein Glücksfall, der einen Eindruck verschafft hat, wie dieser Austausch funktioniert. Aber es gab auch Dinge die wir nicht filmen konnten, zu denen wir keinen Zugang erhalten haben.
Die Aufmerksamkeit für solche Themen, die durch Snowden geschaffen wurde, ist langsam am verebben. Ist es möglich diese durch einen Film über einen Gesetzgebungsprozess wachzuhalten?
David Bernet: Erst dank Snowden haben viele Menschen erfahren, dass Datenschutz uns alle betrifft. Die Enthüllungen von Snowden sind im Film ein Einbruch ins Geschehen. Er überrascht alle. Die Verhandlungen im Ausschuss waren in einer Sackgasse. Snowden war ein Geschenk an die Zivilgesellschaft. Wir schulden ihm etwas. Unsere Regierungen schulden ihm etwas und ich hoffe, dass wir ihm eines Tages Danke sagen können. Der Film kann auch helfen, die Erinnerung an diese offene Rechnung wach zu halten. In der Post-Snowden Ära haben die Menschen nun ein anderes Bewusstsein zum Thema Datenschutz.
Es bleibt aber die Aufgabe der Medien, zu erklären, wie Data Mining funktioniert. Durch die permanente Überwachung durch digitale Vernetzung entstehen neue Machtstrukturen. Natürlich sehe ich auch die Vorteile, die Big Data uns verschafft. Das wird im Film auch sichtbar. Aber jetzt nach Snowden müssen wir in unserem Verständnis weiterkommen, welche Herausforderungen die digitale Welt mit sich bringt. Die Aufmerksamkeit um Snowden hat unter anderem deswegen funktioniert, weil es dabei um Geheimdienste ging. Das ist sexy. Die Aufgabe von uns Medienschaffenden ist nun, die Welt der Daten auch auf andere Art sexy machen. Denn wir alle sollten die Matrix kennen, in der wir stecken.
Der Executive Chairman von Google – heute Alphabet – Eric Schmidt hat in seinem Buch „The New Digital Age“ relativ unverblümt darstellt, wie er sich die Zukunft vorstellt. Seiner Meinung nach gibt es Gewinner und Verlierer in der Datengesellschaft. Die Bürger sind die Verlierer, weil wir nicht in der Lage sein werden, uns zu schützen. Denn Schutz ist eine Frage der Technologie, der Ressourcen und des Wissens. Datenschutz kann zum Luxusgut verkommen, das sich nur die werden leisten können, die die nötigen Ressourcen und das Wissen darüber haben – das sind vornehmlich große Unternehmen. Vielleicht auch noch größere Staaten, aber schon die kleineren werden große Mühen haben, das zu bewältigen. Die einzige Möglichkeit unsere Daten zu schützen, sind also Gesetze.
Hat der Film deine eigene Wahrnehmung von Datenschutz verändert? Schaust du jetzt mehr, wer deine Daten hat und wem du sie gibst?
David Bernet: Mein Verhalten hat sich stark verändert, seitdem ich mich damit befasse. Mir ist bewusst, dass alle meine Bewegungen Datenspuren hinterlassen. Ich bin aber kein Nerd und daher nicht geschult, Kryptoprogramme zu verwenden und habe auch nicht wirklich Lust darauf. Das einzige was ich mache, ist einen VPN zu verwenden. Aber mein Bewusstsein ist extrem gestiegen: Ich tue gewisse Dinge nicht mehr im Netz, die ich früher gemacht habe.
Du hast viel Zeit in Brüssel bei den europäischen Institutionen verbracht. Wie hat das dein Bild von der europäischen Demokratie verändert?
David Bernet: In Brüssel war ich extrem überrascht, weil ich selber vorher dieses Bild vom bürokratischen Apparat hatte, der Gesetze austüftelt. Ich habe festgestellt, dass dem nicht so ist. Ich habe unheimlich smarte, international aufgestellte Menschen getroffen, die mit beiden Füßen im europäischen Denken stehen und sehr offen sind. In Brüssel versammelt sich tatsächlich so etwas wie die europäische Crème de la Crème. Die Kommission selber ist ein relativ kleiner, sehr effizienter Apparat – übrigens kleiner als die Kölner Stadtverwaltung. Ich habe Brüssel auch nicht als Bürokratie erlebt, sondern als eine politische Plattform, auf der sich viele Leute versammeln – natürlich auch die Lobbyisten. Mir kommt Brüssel viel offenerer, dynamischerer und flexibler vor, als jede europäische Regierung. Für mich war das auch eine neue Erfahrung.
Das Statement von David Bernet zur Effizienz, Effektivität, Intellekt der EU-Politiker [Creme de la Creme] internationale Sichtweisen, Schnelligkeit usw. ist aus meiner Sicht voreingenommen und nicht objektiv. Er steht mit dem Anliegen, über die Arbeitsweise der „unersetzbar wichtigsten Menschen in der EU“ einen Film drehen zu wollen, in totaler Abhängigkeit vom Wohlwollen der Betreffenden. Das bedeutet, negative Äußerungen in welcher Hinsicht auch immer, verbieten sich von selbst. Wenn ich jetzt eine Aufzählung anfange über alles, was diese Halbgötter nicht gebacken bekommen oder wider besserem Wissen falsch machen, die vielen gezielten Gesetzesbrüche, dann platzt diese Webseite aus den Nähten. Der Film ist dem Datenschutz in keiner Weise dienlich, weil er gar nicht politisch gewollt wird, da er der Totalüberwachung und dem Datenklau der Wirtschaft zu 100% im Wege steht. Also wozu das ganze Theater?
mfg R.K.
Ich hab den Film bereits gesehen und finde, dass er gut die politischen Prozesse in der EU beschreibt, die ich auch beobachten konnte.
Gegen den Film an sich habe ich auch nichts einzuwenden. Wer sich für Bürokratie und Entscheidungsfindung interessiert, kann dem Ganzen sicherlich etwas abgewinnen. Unter dem Aspekt „viele Köche verderben den Brei“ hat wahrscheinlich jeder normale Mensch eine Vorstellung, wie schwierig es auf EU Ebene sein muss, so viele Ansichten, Meinungen und Wünsche unter einen Hut zu bekommen. Entscheidend ist doch aber immer, was letztlich dabei herauskommt.
Und wenn sich die überwiegende Mehrheit der Menschen nicht um Datenschutz kümmert oder diesen nur heuchelt, um nicht unangenehm auf zu fallen, dann verstehe ich nicht so ganz, was der Film hinsichtlich Snowden und Datenschutz bewegen soll. Wo sich doch Niemand unnötig mit unbequemen Dingen auseinander setzen möchte, wohl wissend, dass sich dann auch nichts ändern oder bessern kann.
mfg R.K.
Schon am ersten Satz erkennt man das Bernet ein Mitläufer ist denn ansonsten würde er nicht vom Datenschutz reden sondern davon das Netzwerke so sicher gemacht und demokratisch von öffentlichen Gremien kontrolliert werden so das man keinen Datenschutz mehr benötigt. Der Bürger muss dem Staat vertrauen können!!! Hinweis, Datenschutz braucht man nur in unsicheren Netzwerken und ist obendrein reine Augenwischerei weil wenn die Hardware von halbseidenen Personen also von Geheimdiensten oder Finanzmärkten also kommerziell orientierten Konzernen wie Google, Facebook, CSC etc, die sich nicht an die Gesetze halten, Zum Beispiel in Steueroasen sitzen, abgehört werden können weil die Zugriff auf die Hardware haben oder Betriebssysteme wie das neue windows 10 private Daten, Google, Facebook vom Bürger unkontrolliert auf Servern speichern können nützt kein Datenschutz mehr etwas. Das Internet könnte so sicher gemacht werden das kein Geheimdienst es abhören könnte wenn es wie ein sicheres Netwerk aufgebaut würde dazu gehören auch keine Direktleitungen mehr für Finanspekulationen mit den Schnittstellen oder wichtige Routingserver in den USA. Desweiteren auch keine Spitzeldienste wie Akamai oder Cloudflare oder Firmen wie csc mit NSA Verbindung die Beispielsweise den IT Service für die Arbeitsagentur oder dem Bundeskriminalamt leisten. IT Service oder Ausspähen der Bürger frage ich mich da? Also bewußt unsichere Netzwerke!!!! Wenn beispielsweise Deutschland ähnlich wie eine Grenze Borderouter hätte die mit Borderroutern der USA oder anderen Ländern verbunden wären und diese Router nur von Beamten und öffentlichen Gremien kontrolliert würden in Deutschland wäre ein ausspähen von Daten unmöglich und wenn wären die Verantwortlichen sofort ausgemacht. Weiterhin NSA Stützpunkte in Deutschland dicht machen auch die Rhein Main Airbase. Botschaften müssen überprüfbar sein auf Abhöranlangen ansonsten dicht machen weil dann von unseriösität augegangen werden muss.
Mir hat der Film sehr gut gefallen. An manchen Stellen ist er vielleicht etwas lang geraten aber er vermittelt einen guten Eindruck über den Prozess, wie die Grundverordnung zustande kommt.
Wenn man bedenkt wo die Gesellschaft herkommt und wo die Gesellschaft gerne hin möchte, ist es ein Schritt in die richtige Richtung.
Sicher – man kann immer etwas kritisieren..
..aber bei den Kommentaren von Rudolf K. und Hedonista habe ich das Gefühl das gerade hier bei Netzpolitik so viele extremismuskommunismusnazispasties herumhängen das ich mich manchmal echt frage warum ich die Kommentare überhaupt überfliege/lese.
-kleinkind