Staatssekretär bestätigt: Auslandsgeheimdienst gibt Meta- und Inhaltsdaten an die Bundeswehr weiter

Die BND-Außenstelle in Schöningen bei Hannover. Hier werden die Daten gesammelt, die an die Bundeswehr weitergereicht werden. Das Bild knipste eine fliegende Kamera bei einem Zaunspaziergang von AktivistInnen.
Die BND-Außenstelle in Schöningen bei Hannover. Hier werden die Daten gesammelt, die an die Bundeswehr weitergereicht werden. Das Bild knipste eine fliegende Kamera bei einem Zaunspaziergang von AktivistInnen.

Ende Februar kam im NSA-Ausschuss heraus, was der Bundesnachrichtendienst noch so mit abgeschnorchelten Daten treibt. Die werden unter anderem an die Bundeswehr weitergegeben:

Der BND-Mann schwieg einen Moment, dann sagte er zur Überraschung aller: „Wir haben eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr.“

Dabei geht es sowohl um Meta- als auch Inhaltsdaten. Eigentlich unterliegen Letztere aber dem G10-Gesetz und damit der Kontrolle der parlamentarischen G10-Kommission. Die wurde hierüber offenbar nicht informiert. Wie das geht, hatte Kai Biermann in einem lesenswerten Artikel auf ZEIT Online nochmal erklärt.

Die ZEIT trieb auch einen anonymen Zeugen auf. Der beschrieb, was die Bundeswehr mit den vom Auslandsgeheimdienst geschickten abgehörten Telefonaten und abgefangenen Mails überhaupt macht:

Dort werden die Inhalte übersetzt und anschließend zurückgesandt, berichtet ein ehemaliger Soldat, der anonym bleiben will. „Der BND nutzt die Bundeswehr gerne für die Drecksarbeit, zum Beispiel zum Übersetzen“, sagt er, der eben diese „Drecksarbeit“ jahrelang gemacht hat. Ein zweiter ehemaliger Soldat bestätigte diese Form der „Amtshilfe“ durch Bundeswehr-Dolmetscher.

Die Bundesregierung behauptet, die Zusammenarbeit sei in den Paragrafen 9 BND-Gesetz und 19 Verfassungsschutzgesetz geregelt. Kai Biermann beschreibt jedoch eine genau hierzu anhängige Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht:

Denn es sei ein schwerer Eingriff in die Grundrechte, wenn ein verdeckt arbeitender Geheimdienst Informationen an eine Behörde wie die Polizei (und eben auch die Bundeswehr) gibt, die Zwang ausüben darf. Eine „niederschwellige Voraussetzung“ wie die „Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung oder die Wahrung der öffentlichen Sicherheit“ genüge keinesfalls, so die Richter.

In der Fragestunde des Bundestages hatte der zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche am Mittwoch Stellung zu der Zusammenarbeit von BND und Bundeswehr genommen und diese bestätigt:

Um der Bundeswehr insbesondere die zeitgerechte Bearbeitung von Warnhinweisen zu konkret bevorstehenden Anschlägen zu ermöglichen, erhält die Bundeswehr im Rahmen bestehender Vereinbarungen vom BND Metadaten und Inhaltsdaten, die der BND auftragskonform zu den Einsatzgebieten erhebt.

Jedoch stellt Fritsche den „Schutz von Leib und Leben deutscher Soldatinnen und Soldaten sowie sonstiger Bediensteter“ in den Mittelpunkt. Zu Dienstleistungen wie dem Übersetzen und Zurücksenden an den BND verliert er kein Wort.

Eine Nachfrage wert ist vielleicht auch die Formulierung „zu den Einsatzgebieten“ anstatt „in den Einsatzgebieten“ der Bundeswehr. Denn auf diese Weise könnte im Inland und im Weltenraum abgehörte Kommunikation ebenfalls an die Bundeswehr durchgereicht werden. An anderer Stelle ist von dem „Mittel der Fernmeldeaufklärung zum Einsatzland“ die Rede.

Was die Bundeswehr eigentlich mit den Daten anstellt, ist nicht wirklich klar. Es ist denkbar, dass Meta- oder Inhaltsdaten bzw. analysierte Kommunikationsverkehre im Rahmen von Zusammenarbeitsformen der NATO oder der ISAF ausgetauscht werden. Beispielsweise das „Afghan Mission Network“ (AMN):

The AMN is now the primary Coalition, Command, Control, Communications, Computers, Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance (C5ISR) network in the Afghanistan Combined Joint Operations Area (CJOA-A). By providing a common network over which to share critical information, the AMN enabled a shift in information-sharing posture from “need to know” to “need to share”, resulting in an increase in situational awareness (SA) among International Security Assistance Force (ISAF) partners.

Welche konkreten Bundeswehrdienststellen die Daten eigentlich erhalten, erfahren wir ebenfalls nicht. Der Militärische Abschirmdienst dürfte nicht gemeint sein, denn dessen Fähigkeiten zu Auswertung und Analyse gelten gemeinhin als dürftig. Aber wo werden die BND-Daten dann beim Militär bearbeitet und aufgehoben?

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