Russland ist nicht gerade bekannt für sein offenes Internet, zuletzt drohte es damit, den Zugang zur russischsprachigen Wikipedia aufgrund eines Artikels über illegale Drogen zu sperren. Das Gesetz zur Internet-Zensur, das 2012 in Kraft trat, führte zu allerlei Zensurbemühungen, sogar ein „Ausschalter für ausländisches Internet“ war im Gespräch. Dieser Wunsch nach Abschottung vom „CIA-Spezialprojekt“ Internet (so Putin 2014) scheint noch immer aktuell zu sein – ein aktueller Leak von Anonymous International legt laut Global Voices offen, dass in Russland über ein nationales, völlig abgeschottetes Internet nachgedacht wird.
Anonymous International (auch Shaltai Boltai oder Humpty Dumpty) ist für mehrere bedeutende Leaks in Russland bekannt: Details über das Referendum zur Abspaltung der Krim von der Ukraine, das Strategiepapier welches „Putins Propaganda-Trolle“ entlarvte, sowie private Nachrichten des Rebellenführers in der Ostukraine, Igor Strelkov, und des hochrangigen Kreml-Funktionärs Timur Prokopenko, der für russische Netzpolitik zuständig ist. Dies sind nur wenige Beispiele.
Der neue Leak (hier auf russisch) beinhalte Emails von Dmitry Panyukov, Direktor des Instituts für Demografie, Integration und regionale Entwicklung, und des IT-Direktors von RusHydro Garald Bandurin, so Aric Toler. Darin und in einem ebenfalls geleakten Dokument aus dem Juni 2015 gehe es um den Vorschlag einer „nationalen Informationsplattform“, die Russlands Abhängigkeit von westlichen Unternehmen und Technologien beenden soll. In dem Dokument wird die Notwendigkeit eines nationalen russischen Internets erläutert:
In the interests of the citizens of the Russian Federation, the Russian statehood, and the development of the economy, key enterprises and infrastructure, the creation of a national information platform is proposed. The creation of such a platform is designed to promote the establishment of an independent foundation of information technology for the country’s socio-economic development.
[…] Today there are no objective guarantees that, in the event of an escalation in the conflict with the West, their security services could not paralyze, or worse yet take direct control of elements of critical infrastructure—including railway points, valves and pumps of pipelines, not to mention the telecommunications infrastructure. After all, all of this works on Western platforms.
Die Autor_innen des Dokuments, darunter Bandurin und Sergey Ganzya von der Außenhandelsbank, weisen darauf hin, dass die Abhängigkeit Russlands von westlichen Technologien eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle. Sie führen unter anderem die Sperrung der Apple- und Google-Dienste auf der Krim im Zuge der US-amerikanischen Handelssanktionen an. Zudem könne der Ausschluss westlicher Dienste den nationalen IT-Sektor stärken – der russische Kommunikationsminister hatte im April diesen Jahres geäußert, den Anteil ‚ausländischer Software‘ bis 2025 auf unter 50 Prozent senken zu wollen. Das größte Problem für einen besser aufgestellten russischen IT-Sektor sei allerdings die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte:
Perhaps the main challenge of the current moment is the loss and „brain drain“ of the most promising cadres and best Russian minds. Without advanced human resources, competent and competitive ones in line with the global demands of tomorrow, Russia is doomed to being dependent and to following instead of leading.
Toler weist darauf hin, dass der Leak weder zeigt, wie weit es der Vorschlag in der Kreml-Hierarchie gebracht hat, noch wie ernst er genommen wird. Dennoch bietet er einen Einblick in die netzpolitischen Themen der russischen Elite, vor allem ihre ernsten Bedenken hinsichtlich der strategischen Schwachstellen Russlands im Falle einer weiteren Verschlechterung der Beziehung mit dem Westen.
Dass sich Russland Gedanken über ein nationales Netz macht, darf nicht verwundern:
1. machen sich seit dem Überwachungsskandal viele Staaten Gedanken dazu (auch in der EU ist das Thema angedacht worden)
2. steht Russland als regionale Großmacht in Konflikten, in denen es um die Meinungshoheit geht (Georgien, Ukraine, …) und in denen der Westen kräftig mitmischt.
Es gibt also das Interesse, (1) netztechnisch unabhängig zu sein und (2) das Netz für seine eigenen Zwecke nutzen zu können (Meinungsführerschaft; Überwachung).
Ersteres kann ich sehr gut nachvollziehen, für das zweite kann ich bis zur Hälfte Verständnis aufbringen.
Insofern wünsche ich Russland Erfolg – wär‘ ja in Punkt 1 nachahmenswert für Europa. :)
Auch die Themen technologisch weiter oben mitzumischen und Fachkräfte nicht zu verlieren waren/sind in Europa im Gespräch. Vielleicht lohnt sich mal ein Austausch oder gar Zusammenarbeit?!
Leider haben wir ja überall eine Regionalisierung des Internets. China, Russland, Iran, Europa. Erst gestern haben wir ganz doll gefeiert, dass in Europa der Datenschutz anders sein soll als in den USA. Besser wäre es gewesen, die UN zu stärken und für ein globales Medium eine globale Regulierung bei der UN zu beginnen. Aber dazu gibt es m.W. derzeit keine Bewegung international. Auch bei uns nicht, sodner wir kuscheln uns hinter dem Fake des deutschen Datenschutzes, der das Paier nicht wert ist, auf dem er geschrieben ist. Beim BKA-Trojaner haben wir doch bei den großmündigen grünen „Datenschützern“ eben keine Sourcecode-Inspektion statt fand, um die Ergebnisse des CCC zu bestätigen. Statt Aufklärung bekamen wir von Weichert und Schaar Geheimschutz (VS-NfD).
Für die Diktatur in Ägypten liefern wir Software, mit der ägyptische Bürger ins Gefängnis bringen, wenn die Demokratie wollen. Sollen wir dann bei Putin erwarten, dass er den Erzengel gibt und uns versichert: „Fürchtet Euch nicht!“.
Wenn wir nicht zur UN gehen sondern uns hinter nationalen und europäischen Mauern verbergen, ahmen andere uns nach.
Russland hat einen Veranstaltungskalender in der Ukraine veröffentlicht
Man will nicht Geld und Zeit zu solchen Müll ersparen
http://kovalg.blogspot.com/2015/10/poroschenkotur-ts-ch-ynow-awakow.html
Liebe Freunde,
diese latente und unehrliche unterstellung gegenueber russischen Institutionen geht mir tierisch auf den geist. Was tun den die Europaer, die Nordamerikaner? Genau das, was eure Andrea hier Russland vorwirft. Und es ist absolut notwendig, dass wir jede Form der technologischen Abhaengigkeit aufloesen.
Das Internet existiert nicht. Das, was existiert, ist kein netz. Es sind an zentralen punkten verbundene Stern-Strukturen. Ein Netz ist eine recursive Struktur, wo jeder Knoten sich mit seinen nachbarknoten verbindet. Nur so entsteht ein netz.
Aber eure Andrea redet nur unsinn, weil sie von dingen redet, von denen sie keine ahnung hat. Ueblich im deutschen jounalismus.
Ich wurde gerne mal bei euch meinen vorschlag fuer das InterNet, „the inter-connection of local net-works“, zur diskussion stellen. Dann koennen wir mal darueber reden, was ein InterNet wirklich ist.
Ich will euch auf die konferenz von IUF Internet Ungovernance Forum in Joao Pessoa in Brasilien im Novemeber hinweisen. Parallel zur konferenz von IGF Internet Governance Forum.
IUF 2015
http://iuf.partidopirata.org/en/
mit lieben gruessen, willi
Georgetown, (brit. Guiana) Guyana
willi.uebelherr@gmx.de
Ich erkenne jedenfalls an den zitierten Passagen nichts wirklich Kritikwürdiges. Im Gegenteil es ist immer wieder erschreckend, wieviel Steuerungssysteme für Infrastruktur und Industrie auch bei uns einfach ans Internet angeschlossen wurden und vollkommen ungesichert sind. Nichts spricht dagegen für bestimmte Bereiche separate Netze zu verwenden.
Moin, schoener Artikel!!! Jetzt rockt doch dieses tolle Web-Blog mich doch (endlich) vom Stuhl. :D
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Weiter so, Ihr leistet gute und wichtige journalistische Arbeit fuer ein freie,
demokratische und pluralistische Welt!!!
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Letztendlich betrachte ich (doch) netzpolitik.org (als unentbehrliche) Informationsquelle,
denn es ist wichtig auch den Fokus auf internationale Themen, abseits des Westens, zu
haben.