Live-Blog aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss: Zeugenbefragung abgebrochen

Dr. Peter Bartodziej, ehem. Referatsleiter 611 im Bundeskanzleramt, Zeichnung: Stella Schiffczyk

Heute tagt wieder der Geheimdienst-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Die Zeugen diesmal sind Peter Bartodziej, ehemaliger Referatsleiter in der für die Geheimdienstkoordination zuständigen Abteilung des Kanzleramts, — Ernst Uhrlau, 2005 bis 2011 Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), wurde entgegen erster Ankündigungen heute nicht geladen. Wir sitzen wie immer drin und bloggen live.

Zusammenfassung

Peter Bartodziej, Bundeskanzleramt

Viel gab es nicht, denn schon nach etwas mehr als einer halben Stunde wurde die Zeugenbefragung abgebrochen. Auch die Vernehmung Uhrlaus wurde abgesagt. Bartodziejs Aussage belief sich primär auf Organisatorisches. Er schilderte seinen Werdegang. Im Bundeskanzleramt wechselte er seine Zuständigkeiten. Vom Referat 604 zu 611 bis zur Gruppenleitung von Abteilung 61. Während seiner Tätigkeit in 604 und 61 war der Jurist Bartodziej auch mit G-10-Fragen beschäftigt.

Er berichtete, dass es eine Zusammenarbeit von Bundeskanzleramt und BND gab, wenn es um G-10-Fragen ging. Die Vertreter beider Stellen haben sich ab und an getroffen und sich während der Sitzungen der G-10-Kommission gesehen. Das ist interessant, denn bisher war nicht bekannt, dass derart viele Personen bei den Sitzungen der G-10-Kommission dabeiwaren, die nicht selbst zur Kommission gehören. Laut Aussage seien es seit 2002/2003 immer mehr geworden.

Bei G-10-Anträgen zur Genehmigung von Überwachungsmaßnahmen habe man zusammengearbeitet und an Anträgen „gefeilt.“ Klar wird, dass der G-10-Bereich rechtlich schwieriges Gebiet ist und eine eindeutige Auslegung nicht existiert. Das hat den Verantwortlichen einiges an Handlungsspielraum geboten.

Bartodziej behauptet, während seiner Zeit in Abteilung 6 nie von Eikonal und Glo… gehört zu haben, wohl aber von einem mysteriösen dritten Begriff, der auch in vorigen Sitzungen zur Sprache kam. Eine Verbindung zu den ersten beiden zog er seiner Aussage nach nicht.

Datenaustausch mit ausländischen Nachrichtendiensten habe es auf Basis des BND– und des G-10-Gesetzes gegeben. Laut Bartodziej gab es „eine Fülle von Möglichkeiten“, Daten weiterzugeben. Es gab auch pauschale Genehmigungen und keine automatischen Berichtspflichten. Die Kommunikationswege zwischen Bundeskanzleramt und BND sind unklar.

Kurz nach dieser Stelle sieht man die hinteren Reihen nacheinander ihre Smartphones zücken. Wenige Minuten später wird die Sitzung zunächst unter- und dann abgebrochen. Nachträglich stellt sich heraus: Grund für die Unruhe war der Bericht des Spiegels, nach dem der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner globalen Überwachungsmaßnahmen Selektoren von der NSA bekam, nach denen er Informationen filterte. Die Zahl der Selektoren ist enorm. Laut dem Bericht richteten sich dabei bis zu 40.000 gegen deutsche und westeuropäische Interessen.

Pressestatements

Die Pressestatements bezogen sich nicht mehr auf die Vernehmung des Zeugen Bartodziej, sondern auf die Medienberichterstattung bezüglich der Selektoren. Quintessenz war, dass man mit der Bundesregierung gemeinsam daran arbeiten müsse, den Sachverhalt aufzuklären, neue Unterlagen zu sichten und geeignete Zeugen zu benennen. Es ist zu erwägen, Zeugen vorzuziehen.

Der Skandal der Enthüllung ist, dass der BND auf Anweisung der NSA Selektoren zur Filterung der Kommunikationsverkehre eingesetzt hat, die zum Teil gegen deutsche und europäische Interessen gerichtet waren. Dabei spielt auch Wirtschaftsspionage eine Rolle, die Linke sprach sogar von möglichem Landesverrat. Der BND steht im Verdacht, durch sein Wegschauen die NSA bei der Spionage gegen das eigene Land unterstützt zu haben.

Wie viele Selektoren genau genutzt wurden, konnten die Abgeordneten nicht sicher benennen, da auch sie noch am Beginn der Erkenntnisgewinnung stehen. Vermutlich richteten die Selektoren sich sowohl gegen die Wirtschaft als auch gegen Politiker. Flisek bezeichnete daher die Beteuerungen der USA, es gebe keine Wirtschaftsspionage, im Licht der heutigen Erkenntnisse als „starken Tobak.“

Die Enthüllungen zeigen auch, dass die Aufsicht durch das Bundeskanzleramt und die Organisation innerhalb des BND gescheitert sind. Lediglich Nina Warken von der Union beteuerte ihren Glauben daran, dass Schindler, Altmaier und Fritsche den BND im Griff hätten. Die Reaktion im Raum sprach jedoch deutlich davon, dass sie mit dieser Auffassung recht allein steht.

Fazit: Der Ausschuss wurde höchstwahrscheinlich belogen, Selektoren zur Spionage gegen Wirtschaft und eventuell sogar Politiker eingesetzt. Nun muss festgestellt werden, wer wie viel wusste und an welchen Stellen strategisch geschwiegen und gelogen wurde. Es ist zu hoffen, dass die Bundesregierung dem Ausschuss dabei keine Steine in den Weg legt oder gar Informationen verschwinden. Bisher verhielt sie sich nämlich leider wenig aufklärungsinteressiert.

Die Linken forderten, dass der Generalbundesanwalt nun endlich echte Ermittlungen aufnimmt, einen Anfangsverdacht der Spionage weiter nicht sehen zu wollen, dürfte zumindest schwierig werden.

Wie es weitergeht werden wir vermutlich bald erfahren, denn alle Abgeordneten kündigten an, den Themenkomplex zeitnah behandeln zu wollen.

Währenddessen macht sich die Bundesregierung in ihrer Presseerklärung lächerlich:

Im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht hat das Bundeskanzleramt technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert. Das Bundeskanzleramt hat unverzüglich Weisung erteilt, diese zu beheben. Nach wie vor gibt es keine Hinweise auf eine massenhafte Ausspähung deutscher und europäischer Staatsbürger.

Gliederung

Vorbemerkungen

Disclaimer: Dieses Protokoll ist nach bestem Wissen und Können erstellt, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder umfassende Korrektheit.

Dargestellte: Abgeordnete und Zeugen, gerne korrigieren und vervollständigen wir ihre Aussagen. Kontaktieren sie uns!

Wer uns unterstützen möchte, darf gerne spenden.

Update: Das offizielle stenografische Protokoll gibt es auf bundestag.de als PDF (Mirror bei uns).

Einleitung: Vorsitzender (12:03)

$Begrüßung

$Formalitäten

Zeuge 1: Peter Bartodziej, Bundeskanzleramt

Dr. Peter Bartodziej, ehem. Referatsleiter im Bundeskanzleramt, Zeichnung: Stella Schiffczyk
Dr. Peter Bartodziej, ehem. Referatsleiter im Bundeskanzleramt, Zeichnung: Stella Schiffczyk

[Zeuge hat keinen Rechtsbeistand dabei.]

Personalien: $Name, Ministerialdirigent im Bundeskanzleramt (Bundeskanzleramt), wohnhaft in Potsdam, geboren am 20.03.1963.

Will kein inhaltliches Eingangsstatement geben, sondern schildern, welche Zuständigkeiten er im Bundeskanzleramt etc hatte, diese haben gewechselt.

Seit Montag, 3. Juni 2002 in Bundeskanzleramt, Leiter Referat 604, dort zuständig für Information, Organisierte Kriminalität & G-10-Angelegenheiten. Abteilungsleiter war Ernst Uhrlau.

Vorgänger war ausgeschieden, B. hat 13 Monate das Referat geleitet. Dann wurde die Abteilung umstrukturiert.

Seit der Referatsleiter von Referat 601 ausgeschieden ist, hat er dieses Referat geleitet – Referat 611. Das war nicht zuständig für G-10, die Zuständigkeiten blieben in 612, das aus 603 und 604 zusammengeführt wurde.

In Referat 611 war er zuständig für Personal & Organisation, nicht aber fürs „operative G-10-Geschäft.“

Hatte diese Funktion bis 2007, danach wurde er Wenkelbach-Nachfolger und demnach Gruppenleiter für Referat 61.

Abteilung 61 war zuständig für die alten Referate 611 und 612, bis Wechsel in Gruppe 13, 2011.

AL 6 war Klaus-Dieter Fritsche, bis Wechsel 2009, danach Günter Heiß.

B. ist bis heute Gruppenleiter 13.

Frage 1: Vorsitzender

Sensburg: Ausbildung?

Bartodziej: Volljurist, Assistent in Tübingen, dann Justizministerium (BMJ) ab 1993, dann 9 Jahr im BMJ, von da aus ins Bundeskanzleramt. Kein technischer Hintergrund.

Sensburg: Bundeswehr?

Bartodziej: 15 Monate, ab 1982.

Sensburg: Bis 2002 im BMJ, welche Fragen dort bearbeitet?

Bartodziej: Wirtschaftsabteilung, hatte mehrere Verwendungen. Zwischendurch in Brüssel als Attaché. Drei Referenten in Wirtschaftsabt. Ab 1999 ?

Sensburg: War zuerst Leiter Referat 604, dann gab es eine Umstrukturierung. Proliferation, Informationsverwertung, G-10 – was war Schwerpunkt?

Bartodziej: Proliferation und G-10. Jeden Monat gab es eine Sitzung der G-10-Kommission. Proliferation deshalb, weil Zeit kurz vor Irakkrieg. Sehr viele Sitzungen im Auswärtigen Amt. Organisierte Kriminalität war weniger stark vertreten.

Sensburg: Nach der Umstrukturierung von Referat 211/212 zu Referat 611 – war G-10 da noch Thema?

Bartodziej: Nein, aber Gesetzgebung, die sich auf G-10 bezogen hat. Das „operative Geschäft“ lag bei Referat 612, genau wie die Betreuung der Kommission und Tagesgeschäft.

Sensburg: Später hatte er auch wieder Verantwortung für G-10?

Bartodziej: Ja. 2007 wurden die Zuständigkeiten nochmal neu geordnet, dann G-10 wieder in Referat 611. Umzug hatte mit neuem Referatsleiter zu tun, der die entsprechenden Kompetenzen mitgebracht hat.

Sensburg: Wenn beide Referate im Blick, war er dann wieder G-10 zuständig?

Bartodziej: Ja. Wer war wann in G-10-Kommission? Die ersten 13 Monate, dann 4 Jahre nicht, dann wieder regelmäßig.

Sensburg: Wie stark ist die Kommunikation von Bundeskanzleramt mit G-10-Juristen des BND? Bildet man ein Team?

Bartodziej: Gibt Kontakte, aber keine tägliche Zusammenarbeit. Abgegrenzte Aufgaben. Gibt großen Kreis, in dem auch Vertreter des Innenministeriums sind. Leute kamen nach Berlin oder fuhren nach Pullach.

Sensburg: G-10 ist ein sehr enger Bereich der Rechtswelt, eine Nische. Austausch scheint sinnvoll. Hat man sich einmal in großer Runde pro Jahr getroffen?

Bartodziej: Ja, ungefähr. War nicht für Anträge des Bundesamts für Verfassungsschutz und Militärischen Abschirmdienst zuständig, nur für BND. Man hat sich in den Kommissionssitzungen gesehen.

Sensburg: G-10-Juristen der Dienste waren in Kommissionssitzungen dabei?

Bartodziej: Geheimhaltung. Aber Anzahl der Leute in der Sitzung, die nicht zur Kommission gehören ist eher gewachsen (seit 2002/2003) (!)

Sensburg: Sind Leute in Kommission Einzelkämpfer oder haben sich regelmäßig zusammengesetzt? Haben G-10-Juristen über Probleme und Bedenken geredet?

Bartodziej: Ja, vor allem wenn ein Eilantrag kam, hat es telefonischen Kontakt gegeben. Oft tritt bei jedem Antrag ein neues Problem auf, dann gibt es Beratung. Vor Weiterleitung ins Innenministerium auch oft wieder zurückgekommen.

Sensburg: Kam das vor, dass Anträge zurückgewiesen werden?

Bartodziej: Kam vor.

Sensburg: Wie oft?

Bartodziej: Nicht im Kopf, man hat aber in diversen Fällen zusammen an Anträgen gefeilt.

Sensburg: Gibt es interne Handreichungen, Ausarbeitungen, Kommentierungen?

Bartodziej: Kommentar- und Literatursituation zu G-10 ist dünn. Gab einen alten Kommentar aus 90ern, aber Gesetz sieht mittlerweile deutlich anders aus. Was es gab war innerhalb des Dienstes eine G-10-Anweisung und G-10-Arbeitshilfe [erinnert sich nicht genau]. Wurde auch Bundeskanzleramt vorgelegt zur Stellungnahme. Ist sogar einmal nach Pullach gefahren, um Probleme zu diskutieren.

Sensburg: Wie ist die Kommentierungslage jetzt?

Bartodziej: Ist nicht mehr so in der Thematik. Arbeite selbst an Kommentierung eines verwandten Gesetzes.

Sensburg: Wie war es auf der Praktikerseite?

Bartodziej: G-10 war Rechtsbereich, wo man „noch Praxis prägen“ konnte.

Sensburg: Bereich Operationen? Eikonal und Glo… bekannt?

Bartodziej: Von beiden Namen erst nach Ausscheiden aus Abteilung 6 erfahren.

Sensburg: Eikonal und Glo… nie auf Tisch gehabt?

Bartodziej: Gibt einen dritten Begriff, den er gehört hat.

Sensburg: War der dritte Begriff ein Synonym für die beiden anderen?

Bartodziej: Schlussfolgert aus nachträglichem Wissen: Von drittem Begriff nur durch ein einziges Schriftstück erfahren und keine Verbindung zu den anderen Begriffen gezogen. Danach aufgrund der Arbeit des Ausschusses verfolgt.

Sensburg: Nicht zu dem Schluss gekommen, dass es nur ein anderer Name für diese Operationen war?

Bartodziej: Nein.

Sensburg: Ist bekannt, dass Daten vom BND an Ausländische Nachrichtendienste (AND) übermittelt worden sind?

Bartodziej: Gibt zwei Möglichkeiten, einmal durch BND-Gesetz und ab 2009 §7a G-10-Gesetz.

Sensburg: Ist bekannt, dass auch Daten an AND geflossen sind? Auf Grundlage der Gesetze oder sogar an Grundlage vorbei?

Bartodziej: BND-Gesetz-Bereich: Gibt eine Fülle von Möglichkeiten, Daten zu übermitteln. Für bestimmte Arten von Übermittlung gab es pauschale Genehmigung. Keine automatischen Berichtspflichen (!) – hat also nicht von allem Kenntnis erhalten.

Sensburg: Wie ist Informations- und Meldefluss aus Blickwinkel des Bundeskanzleramt. In BND passiert das auf Sachgebietsebene. Wird das gemeldet, dem Bundeskanzleramt mitgeteilt, gibt es eine Rechtsprüfung?

Bartodziej: In der Regel bei §7a Vorbehalt und Zustimmung des Bundeskanzleramt vorgesehen. Hat aber bis 2011 sowas nicht gesehen. Ab 2007 wäre das bei Referatsleiter aufgeschlagen, nach 2007 bei 612.

Sensburg: Sie sind also zeitlich drumherum gegangen?

Bartodziej: Phänomenbereich in Abteilung 6 teilweise auch Kollegen in Gruppe 62 zuständig.

Sensburg: Wie ist der Kommunikationsfluss? Im Sinne, dass der Berücksichtigung von G-10 möglichst Rechnung getragen wird? Findet ausreichende Zusammenarbeit für G-10 statt bei komplexeren Fällen? Läuft das so?

Bartodziej: Keine Anwendungsfälle bei §7a. Oft nimmt man Splitter aus G-10-Material, baut den ins Lagebild ein, tauscht dann personenbezogen Informationen aus. Das wäre Sache für Gruppe 62. Betrifft durchweg Übermittlungen im Einzelfall und nicht Rohdaten.

[Sitzungsunterbrechung (12:44), weil neue Erkenntnisse durch Spiegel-Bericht.]

[Zeugenbefragung für heute abgebrochen. Ab 16:00 Pressestatements der Abgeordneten angekündigt.]

[Noch was am Rande: Der BND hat für die heutige Sitzung die angeforderten Unterlagen nicht dem Ausschuss gegeben. Auf gruen-digital.de dazu:

Auch ist die Frage von großem Interesse, welche Operationen der NSA quasi als Kompensation für den abgebrochenen gemeinsamen Abgriff am Internetknotenpunkt in Frankfurt angeboten und was bis Ende 2011 konkret umgesetzt wurde. Weiter wollen wir den Spionageversuch der NSA mit Erfassungskriterien wie EADS, Eurocopter und französischen Behörden weiter aufklären. Zu diesem Komplex hat das Bundeskanzleramt, gerade noch fristgerecht, einige wenige Unterlagen geliefert. Der BND hat hierzu keine Akten geliefert, trotz Fristablaufs am 15. April.]

Pressestatements

Wir warten (16:22 Uhr).

Abgeordnete kommen raus (16:33).

Wir haben die Statements mitgeschnitten, MP3s je Abschnitt.

Pressestatement: Vorsitzender (MP3)

Sensburg: Man hat beschlossen, den Sachverhalt mit der Bundesregierung zu besprechen. Das Thema ist ernst zu nehmen, da es viele Fragen beinhaltet. Zusammenarbeit mit ANDs. Zur Aufklärung enger Kontakt mit Bundesregierung.

Es geht um das Bereitstellen von Selektoren. AND stellt deutschem Dienst Selektoren zur Verfügung. Es sind Selektoren eingestellt worden, die nicht übergeben werden hätten sollen. Details und Umfang müssen aufgeklärt werden.

Sachverhalt ist im Februar aufgekommen, in nächster Zeit wird man dem Aufmerksamkeit widmen.

Frage: Gibt Vorwurf, die Information sei nicht weitergeleitet worden. Kommentar dazu?

Sensburg: Kann so nicht bestätigen. Werden schauen, wie die Kommunikation in BND und Bundeskanzleramt gelaufen ist. Grundsachverhalt gestern bekannt gegeben worden. Heute weitere Details

Frage: Müssen nicht die Zeugen Steinmeier oder Fritsche vorgezogen werden?

Sensburg: Erstmal in die Akten gucken. Sicher auch Zeugen vernehmen, die damit beschäftigt waren. Manchmal wichtiger als Zeugen in der oberen Verantwortung.

Frage: Gibt es Zahlen [bzgl. Selektoren]?

Sensburg: Heute nicht, kennen noch nicht alle. Zahlen heute noch nicht bewertbar.

Frage: Wie kommt man zu dem Fazit, dass deutsche Interessen nicht betroffen seien?

Sensburg: Nicht gesagt – es gab nur kein bewusstes (!) Zusammenwirken der Nachrichtendienste gegen deutsche Interessen. Wollen wissen: Sind deutsche Firmen und Bürger betroffen?

Pressestatement: Grüne (MP3)

Notz: Verdacht bestätigt und konkretisiert sich. Anknüpfend an 2005, dass Daten über EADS, Eurocopter und Co. ausgeleitet worden sind ist eine neue Erkenntnislage entstanden. Skandal dabei ist: Nach 2005 waren Probleme dem Bundeskanzleramt in Hinblick auf Wahrung deutscher und europäischer Interessen bekannt. Muss man spätestens nach Snowden gewusst haben. Erstaunlich, dass das niemand gewusst haben will. Nach Snowden hat man Tausende Selektoren gefunden, die gegen Memorandum of Understanding verstoßen. Klares Problem bei Fachaufsicht des BND.

Arbeiten der Geheimdienste im Graubereich manifestiert sich hier. Wünschen uns zwei Dinge: Bundeskanzlerin muss sich erklären, auch zur zukünftigen Zusammenarbeit. Und Ausschuss muss Unterlagen bekommen. Mit Schlagworten, die gegen deutsche und EU-Interessen verstoßen, um den Datenabfluss zu verstehen.

Frage: Kommentar zur Forderung nach personellen Konsequenzen?

Notz: Das lenkt ab, man muss eigentlich verstehen, wer Verantwortung trägt. Schneller Rücktritt wird Verantwortlichkeiten nicht im Nebel auflösen.

Frage: Waren Selektoren wirklich im Einsatz?

Notz: Ja, zumindest bei den 2000 Selektoren.

Frage: Hat BND bei Industriespionage durch Wegschauen unterstützt?

Notz: Verdacht steht im Raum, obwohl man wusste, dass es ein Problem mit Interessen gibt. Ist ein erheblicher Vorgang. Was in Deutschland passiert, ist nur ein Punkt. Passiert auch außerhalb von Deutschland, da werden Interessen ausländischer Grundrechtsträger nicht ganz so genau genommen. Im internationalen Zusammenwirken werden deutsche Interessen strukturell verletzt.

Frage: Haben ANDs Verhältnis zu BND benutzt, damit der gegen eigenes Land späht?

Notz: Man hat Zugänge genutzt, wo man woanders nur schlecht abgreifen kann. Das hat sich NSA zu Nutze gemacht und Selektoren untergeschoben. Verdacht, dass Projekte wie ein trojanisches Pferd gewirkt haben und hochproblematische Informationen ausgeleitet haben.

Pressestatement: SPD (MP3)

Flisek: Was im Spiegel-Bericht steht ist ein gravierender Vorgang. Es sind Suchbegriffe verwendet worden, die nicht hätten verwendet werden dürfen, die gegen deutsche und EU-Interessen verstoßen. Man ist zusammen mit Bundesregierung in Sachverhaltsermittlung. Zu früh für einzelne Details.

Untersuchungsausschuss war Anlass für diese Aufklärung. Man steht am Anfang, will zeitnah Licht ins Dunkel bringen.

Es gibt zwei Komplexe: Wenn das wahr ist, gibt es ein Organisationsverschulden im BND. Die Frage: Wie effizient ist die Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht im Bundeskanzleramt?

Im Zeitablauf gab es erhebliche Zäsuren seit Snowden-Enthüllungen. Mitarbeiter des BND hätten wissen müssen, dass diese Themen sensibel sind.

Zweitens: Was haben wir davon zu halten, dass die USA beteuern, dass keine Wirtschaftsspionage passiert? Das muss in neuem Licht bewertet werden. Hatten schon öfters Vermutungen. Aber wenn wir jetzt Selektoren sehen, die genau der Zusage widersprechen, ist das ziemlich starker Tobak. Braucht politische Erörterung auf höchster Ebene. Konkretisiert sich erst, wenn Aufklärungsarbeit gemacht ist. Geht davon aus, dass in nächster Sitzungswoche Mitarbeiter genannt werden, die Zeugen sein sollen. Noch vor Sommerpause Ergebnisse erwartet.

Frage: Umfang der Spionage?

Flisek: Kann noch nichts Seriöses sagen. Aber gibt starke Indizien, dass wirklich Wirtschaftsspionage. Muss man am Ende bewerten und differenzierte Sicht entwickeln.

Frage: Welche Erkenntnisse gibt es, wer hat was gewusst und wieso hat das so lange gedauert?

Flisek: Wurden gestern informiert, heute nochmal Gespräch mit Fritsche. Eindruck: Intensive Ermittlungen bei Bundesregierung. Kann das nachvollziehen, weil es um komplexe Sachverhalte geht. Wenn Regierung ein Konsultationsverfahren einleitet, ist auch die US-Seite zu befragen. Das ändert nichts daran, dass Bundesregierung eigene Entscheidung treffen muss, welche Unterlagen dem Ausschuss vorgelegt werden.

Frage: Ist es das Versagen der Bundesregierung, dass nicht proaktiv aufgeklärt wird?

Flisek: Ausschuss ist immer wieder für Überraschungen gut. Punkt ist: Ist offensichtlich bei BND so gewesen, dass Themenkomplex auf unterer Ebene abgeschirmt wurde. Welche Ebenen sind informiert worden, wie viel? Organisationsverschulden ja oder nein? Gibt auch Aufklärungsinteresse bei der Bundesregierung. Prozess wird sehr zügig ablaufen.

Pressestatement: Linke (MP3)

Renner: Linke sieht den Vorgang als Spionageskandal, der seinesgleichen sucht. Fordern vier Konsequenzen:

  1. BND-Präsident Schindler soll zurücktreten. Möglicherweise wurde das Parlament unrichtig informiert. Zeugen haben evtl. nicht immer Wahrheit bzw. Alles gesagt.
  2. Bundeskanzleramt ist Recht- und Fachaufsicht. Man muss Organisationsversagen feststellen. Muss sämtliche Beweise sichern, auch für Generalbundesanwalt. Beweise dürfen nicht vernichtet werden
  3. Generalbundesanwalt-Prüfverfahren. Erwarten, dass Generalbundesanwalt das Prüfverfahren sofort in ein Ermittlungsverfahren umwandelt. Geht um den Bereich Spionage und Landesverrat.
  4. Der Untersuchungsausschuss ist gefordert. Muss in einer der nächsten Sitzungen den Vorgang parlamentarischer Aufklärung anfangen. Will Zeugenliste und Selektorenliste.

Zusammenfassung: Es ist klar geworden, dass es ein Problem mit Nachrichtendiensten im Land gibt. Die führen ein Eigenleben, entziehen sich der Kontrolle, laufen parlamentarischer Untersuchung zuwider.

Wenn man Gesetze anpasst, geht es nicht um Kosmetik oder darum, Auslandsüberwachung zu legalisieren. Es muss darum gehen, die Dienste zu begrenzen und zu kontrollieren.

Frage: Wurden die Selektoren alle eingesetzt?

Renner: Zumindest ein Teil sicher eingesetzt.

Frage: Warum geht es um Landesverrat und Spionage?

Renner: Es können auch deutsche Interessen vertreten sein. Zum Beispiel bei Rüstungs- und Militärindustrie.

Frage: Was macht plausibel, dass Bundesregierung nichts gewusst hat?

Renner: Die Frage, wer was wusste, ist genau das Thema, dass man bald aufklären muss. Haben jetzt eine Erzählung gehört. Müssen Vorgänge klären, durch Zeugeneinvernahme. Selbstrevision in BND wird nicht funktionieren.

Ströbele: [geht außer der Reihe zum Mikro (MP3)] Nicht nur die Glaubwürdigkeit von BND und Bundeskanzleramt ist in Frage gestellt. BND hat Parlament belogen. BND hat Spionage mitgemacht und nach außen erklärt, NSA hält sich an deutsche Gesetze. Kann niemandem mehr glauben. Hätte das so nicht für möglich gehalten. Dieses Verhalten ist „vor allem auch so dumm, weil es rauskommen kann.“

Immer wieder gesagt: Keine Wirtschaftsspionage, sondern Terrorismusbekämpfung ist Überwachungsgrund. Offenbar ist das alles so nicht wahr. Hoffe, dass Kanzleramt und BND-Spitze nun beim Sortieren der Informationen hilft.

Pressestatement: Union (MP3)

Nina Warken: Wir nehmen das sehr ernst, wollen Vorwürfe untersuchen. Vor allem, ob tatsächlich Schaden eingetreten ist. Man wird Plan der nächsten Wochen umwerfen und erforderliche Zeugen einladen. Zusage von Bundesregierung, dass Ausschuss zeitnah in Aufklärung eingebunden wird.

Frage: Glauben Sie, dass Schindler, Fritsche und Altmaier den BND im Griff haben?

Nina Warken: Den Eindruck habe ich gewonnen.

[Ende (17:01)]

[Wir fahren jetzt ins Büro. Zusammenfassen und Typos fixen.]

[Erstmal fertig für heute (21:10)]

Die Aquarelle der Zeugen stehen nicht unter einer Freien Lizenz. Wer die Bilder verwenden möchte, stimmt das bitte mit Stella direkt ab.

18 Ergänzungen

    1. Höhö, war wohl wieder mal der Zensor pinkeln… jaja, jetzt werden wieder fleissig Akten geschreddert, als gäbs kein Morgen. Hoffentlich hat Ed ein Backup von der Geschichte…

      1. Ausschuss abgestürzt und reboot nicht möglich, Abgeordnete starten jetzt erst mal im abgesicherten modus zum debuggen

  1. Da brat mir doch einer einen Uhlau! Ist die Serie immer noch nicht abgesetzt? Herr Prof. Sensburg, wenn die Zeugen nicht spuren, immer feste draufkloppen!

  2. Möchte mich an dieser Stelle mal bei Netzpolitik.org bedanken! Eure Arbeit ist spitze und einen Live Blog aus einem Geheimdienst UA hat man auch nicht alle Tage! Ich finde es spannend und bisweilen aus amüsant wie die Damen und Herren sich rausreden, bzw. ihre Erinnerung sie im stich lässt. Der Satz “ das war vor meiner Zeit“ oder “ hab ich auch erst aus der Presse erfahren“ entlarvt die Verlogenheit dieser Kaste! Ihr seid mit dem Spiegel zusammen die einzigen die am Ball bleiben! Danke hierfür!

  3. Ich kann – bei bestem Willen – den Artikel bei SPON nicht mehr finden, habe ihn aber vor ca. einer Stunde komplett gelesen. Noch jemand??

  4. Aber auf der ersten Seite ist er innerhalb kürzester Zeit nur noch gggaaaannnzzz klein!

    Weit unter „Deutsche Bank und Libor“, „VW und Winterkorn“ …

    1. Der Zensor, der pinkeln war begang einen bedauerlichen Selbstmord und wurde durch einen Zensor ersetzt, der seine Blase von der Staatsräson unterscheiden kann. Zur Not wird in den Becher oder in die Hose gemacht.

  5. Noch ein Beispiel manipulativer SPRINGER-Presse gefällig:

    Derzeit schreit einem auf der Welt.de als oberste Überschrift entgegen:

    „EILMELDUNG – US-Amerikaner bei Anti-Terror-Einsatz gegen al-Qaida getötet
    mehr…“

    Im Artikel erfährt man dann, dass Obama dazu sogar „noch am Donnerstag“, also heute eine Stellungnahme abgeben wird. Dass die Toten bereits im Januar umkamen … und das man das erstz jetzt eben mal so herausanalysiert habe etc. . Das ist dabei dann schon nebensächlich, wenn … ja, wenn man verhindern muss, dass ansonsten wirklich wichtige Sachen auf die erste Seite kämen, die gar nicht so im US-Interesse lägen, wie der „alltägliche Kampf gegen Al Quaida!!“.

    Aus den Grundsätzen der Springer-Presse:

    „3. Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Axel_Springer_SE#Grunds.C3.A4tze

  6. Wieso zweifelt man immer noch an Wirtschaftsspionage der USA?
    Die USA haben diese längst eingestanden, freilich dann blitzschnell gerechtfertigt, schön aussehen lassen:

    http://www.zeit.de/2000/14/200014.spionieren_.xml

    Aktueller:
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/nsa-fuehrt-deutschland-als-spionageziel-a-915871.html

    Und hier, ganz offen, von Rechtsaußen:
    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/nsa-und-cia-warum-wir-die-deutschen-ausspionieren-muessen-13039857.html

    Diese Belege sprechen eine andere Sprache.

  7. Bitte die verwendeten Selektoren veröffentlichen, um konkret über Betroffene Menschen und Firmen debattieren zu können. Sonst bleibt dies wieder nur eine Techie-Debatte, die im Nachrichtenstrom untergeht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.