Intelexit weist den Weg aus dem Überwachungsmoloch: Erste Erfolge beim Ausstieg.

Intelexit verteilt Flyer vor dem GCHQ

Nach einem breiten Medienecho feiert die Aussteigerkampagne für GeheimdienstmitarbeiterInnen „Intelexit“ erste Erfolge. Laut den OrganisatorInnen gibt es erste Kontaktaufnahmen von Aussteigewilligen. Kurz zuvor wurden MitarbeiterInnen von NSA, GCHQ, BND und Verfassungsschutz an ihren Behördenstandorten mit Werbebannern und Flyern informiert. Eine weitreichende Berichterstattung der Medien begleitete die Kampagne. Die InitiatorInnen waren vom enormen öffentlichen Interesse überwältigt. Am Montag sprachen wir mit ihnen in einem Interview bereits über ihre Beweggründe. Vor der Kulisse des BND-Neubaus in Berlin, hatte Intelexit, ein Projekt des Peng! Collecitve, nun zu einer einer Pressekonferenz geladen.

Die Sprecherin von Intelexit, Sandra Baierl, ließ erkennen, dass es nicht einfach um eine Kritik weltweiter Massenüberwachung gehe. Stattdessen wurde betont, welcher Zusammenhang zwischen deutscher Geheimdienstarbeit und den beiden weiteren Konferenzsprechern Mitat Özdemir und Nighat Dad bestehe: Die Arbeit von NSA, GCHQ, BfV & Co gefährdet demokratische Gesellschaften auf grundlegende Art und Weise. Allgegenwärtige Drohnenangriffe, von denen Nighat aus ihrem Heimatland Pakistan berichtete, zersetzen das Zusammenleben, zerstören Sozialstrukturen, produzieren ein beständiges Leben in Angst und seien für die Tötung Tausender Zivilisten verantwortlich. Mitschuld daran trägt für Nighat auch die deutsche Bundesregierung, denn weiterhin steuern von Ramstein aus US-amerikanische DrohnenpilotInnen ihre Einsätze und identifizieren ihre Ziele auch anhand von BND-Informationen.

Mitat Özdemir, Sprecher der Initiative Keupstraße, hatte diese Erosion von demokratischen Grundprinzipien auch in Deutschland persönlich erfahren. Nach dem NSU-Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße, wurden die Betroffenen des Anschlages im Zuge der Ermittlungen selbst zu Tatverdächtigen. Özdemir verdeutlichte, wie sehr die Aufklärungsarbeit von Vorurteilen und Rassismus geprägt war. Statt den Aussagen der AnwohnerInnen zu glauben, schürten Zivilbeamte in den Wochen und Monaten nach dem Anschlag Misstrauen und Zweifel. Die Affäre um die NSU-Morde und ihre Aufklärung stellt für Özdemir infrage, ob der Verfassungsschutz noch irgendetwas mit dem Schutz der Demokratie zu tun habe.

Diese Frage stellten sich am Mittwochmorgen auch AktivistInnen, die im Rahmen der Intelexit-Kampagne das Grundgesetz an die Zentrale des Bundesamtes für Verfassungschutz in Köln plakatierten. An vielen anderen Dienststellen verteilte das Peng! Collective zu Beginn der Woche Flyer und mietete Werbetafeln. Vor dem Sitz des GCHQ und des BND behinderten Polizei und Sicherheitsdienste die Werbeaktionen.

Werbetafel vor dem Dagger Complex
Werbetafel vor dem Dagger Complex

Trotz der Behinderungen gelingt der Kampagne derzeit ein ungewöhnlicher Brückenschlag: Die Geheimdienste bekommen Gesichter, und Schlapphüte werden plötzlich zu Menschen, die nicht frei von Zweifeln an ihrer Arbeit sein müssen. Die sonst abstrakte Kritik an Überwachung und Geheimdienstarbeit wird von den AktivistInnen personalisiert. Neben der gesellschaftlichen Debatte über die Zustände und Auswirkungen von Überwachung spricht Intelexit das individuelle Verantwortungsbewusstsein der Menschen an, die sich an diesem System beteiligen. Ob sie damit breitere Auswirkungen auslösen, bleibt abzuwarten. Derzeit liegen keine Informationen über Kündigungswellen bei Verfassungsschutz und BND vor. Doch bewirkt die Kampagne schon jetzt, dass die Arbeit von GeheimdienstlerInnen in einen anrüchigen Kontext rückt. Dafür hat sich Intelexit viel Inspiration bei den Geheimdiensten selbst geholt, etwa beim Layout ihrer Infobroschüren. Diese erinnern in entlarvender Weise an die Optik der Aussteigerprogramme des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

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6 Ergänzungen

  1. Halb-OT:
    Die Broschüre des VS zum Rechtsextremismus-Aussteigerprogramm zeigt „Springerstiefel“, ein vermeintliches Erkennungsmerkmal von Rechtsextremisten. Tatsächlich werden nur unberechtigte Ängste und Vorurteile geschürt, denn die abgebildeten Schuhe sind die Boots der eigentlich unpolitischen – ursprünglich wie die verwandten Punks aus London stammenden – Skinhead-Kultur der Arbeiterklasse. Natürlich verkleideten sich Neonazis in der Vergangenheit unter anderem (!) als Skinheads, aber das gibt niemandem das Recht, eine ganze Jugend- und Subkultur mit der Nazikeule zu überziehen! Man stelle sich vor, das würde mit Gothics passieren.

    Neonazis müssen sich einfach als irgendwer verkleiden, um als hinreichend „böse“ zu erscheinen und wollen ein Zusammengehörigkeitsgefühl heucheln. Ich weiß nicht, ob der VS das nicht verstanden hat, oder ob sie schlicht Angst vor Nonkonfirmität schüren wollen.

  2. Trotz permanenter gegenseitiger Überwachung der Dienste und netzpolitik.org ist es diesen entgangen bzw. spielt in der gegenwärtigen politischen Diskussion überhaupt keine Rolle, dass eine gewisse „S36-Usch“ möglicherweise zwar nicht wissenschaftlich korrekt ihre Doktorarbeit bezüglich des Beginns oder Schutzes von Leben abgegeben hat, aber was noch viel gravierender ist, das Atomarsenal von Büchel „renoviert“ und so ziemlich ohne „Volksbefragung“ bereits im letzten Jahr einen Brigadegeneral namens Markus Laubenthal als historische Erstberufung seit dem WK !! zum Stabschef der U.S. Army Europe berufen hat. der über die atomare Teilhabe, die dieses Land so dringend braucht, damit zukünftig der „Wohlstand“ in diesem Land hierdurch gesichert wird ( http://www.luftpost-kl.de/luft-post-archiv/LP_13/LP11614_040814.pdf ).

    Die nichtvorhandene Opposition hat im Parlament weder diesen Umstand tehmatisiert, noch die Bevölkerung darüber aufgeklärt, was „atomaro Teilhabe“ eigentlich bedeutet. Nämlich gegen andere Staaten (vornehmlich Russland) ein Drohpotential aufzubauen, das im wie auch immer gearteten „Notfall“, in Europa Deutschland von Atomwaffen gebrauch machen soll. Solange diese gegenseitigen Vernichtungsstrategien und die Vorstellung mit Atomkriegen könnte man die Welt retten, wobei der wahre Krieg sich mittlerweile als Krieg gegen diesen Planeten darstellt, sollte früh genug die Ministerin zur Verantwortung ziehen, die ohne Diskussion diesen „Nato-Doppelbeschluss“ als verdeckte Polit-Operation herbeigeführt hat.

    Politisch gesehen scheinen wir uns sowieso in einer analogen Phase der Endzeitstimmung der DDR zu befinden, in der eine Ostdeutsche für einen elektronischen Spitzel- undÜberwachungsstaat der seinesgleichen sucht politisch verantwortlich ist. Solche Staaten haben historisch gesehen nicht lange überlebt. Und wenn man sich den Artikel über einen gewissen Herrn Maassen zu Gemüte führt, der von der Umwertung aller Werte faselt, darf man sich auf „bürgerkriegsähnliche Zustände“ gefasst machen, bei denen Volk und Regiernde nicht mehr deckungsgleich sind und das Volk möchte, das diese durch Snowden ins Bewusstsein gerückte Dimension von gegenseitigem Misstrauen (auch von Staaten) durch Massenüberwachung die kein „normales“ Zusammenleben mehr ermöglicht. Die „Spätrömische Dekadenz“ will bezahlt werden. Krieg ist kein Mittel der Politik, auch nicht das letzte.

  3. Insbesondere der letzte Absatz des Kommentars „der Wahnsinn kennt…“ bringt es auf den Punkt, was beim gegebenen Thema Sache ist. Nur liegt dieDeckungsungleichheit zwischen Volk und Regierenden nicht in einer Zukunft, auf die man sich gefasst machen sollte, sondern ist hierzulande längst alltägliche Realität. Aber solange eingeschläfert Massen der angeblich „mächtigsten Frau der Welt“ in Angie-Trance nachlaufen wie Lemminge, wird sich nichts zum besseren wenden. Die nächste Bundestagswahl ist lange bevor sie abgehalten wird, für die vormundschaftliche Diva doch schon zu deren vollster Zufriedenheit „gelaufen“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.