Großbritannien steigt heute wieder ins EU-Fahndungssystem SIS ein, die Technik kommt von CSC Solutions

Still aus einem Werbevideo (https://www.youtube.com/watch?v=h6Hhy_enZmU).
Still aus einem Werbevideo (https://www.youtube.com/watch?v=h6Hhy_enZmU).

Großbritannien ist seit heute wieder an das Schengener Informationssystem (SIS) angeschlossen. Dies teilte die EU-Kommission in einer Aussendung mit. Damit wird das elektronische Fahndungssystem in nunmehr 29 europäischen Ländern eingesetzt, darunter auch in der Schweiz. Auch die EU-Polizeiagentur Europol und die Kommission sind angebunden.

In dem Fahndungssystem sind Personen und Sachen gespeichert, die zur Fahndung ausgeschrieben sind oder vermisst werden. Erfasst werden Fahrzeuge, Ausweise, Banknoten oder auch Waffen. Möglich (und zunehmend) ist auch die sogenannte „verdeckte Fahndung“, wonach einer ausschreibenden Stelle unbemerkt Meldung gemacht wird wenn eine Person angetroffen oder kontrolliert wird. Nach dem Upgrade auf das SIS II werden auch Lichtbilder und Fingerabdruckdaten verarbeitet. Sogar die phonetische Suche nach dem Klang eines Namens ist möglich.

Fokus auf Strafverfolgung

Viel häufiger wird das SIS aber für Fahndungen nach Personen aus „Drittstaaten“ genutzt, die zur Einreiseverweigerung, Ausweisung oder Abschiebung ausgeschrieben sind (Fahndungen nach Drittausländern, die zur Einreiseverweigerung bzw. Ausweisung/Abschiebung bei Antreffen im Schengen-Raum ausgeschrieben sind; Artikel 96). Ursprünglich als System zur Verbrechensbekämpfung eingeführt stellen MigrantInnen mittlerweile das Gros der Einträge im SIS.

Die britischen Innenbehörden nahmen bereits am SIS teil, jedoch lediglich zur Strafverfolgung. Die Polizei hatte also keinen Zugriff auf Daten von ausreisepflichtigen MigrantInnen nach dem Artikel 96 SDÜ. Das war auch kaum nötig, denn aufgrund der rigiden Grenzüberwachung gelingt nur wenigen MigrantInnen die undokumentierte Einreise über den Ärmelkanal.

Wie Irland verfügte der EU-Mitgliedstaat Großbritannien über das Recht eines sogenannten „Opt-out“ vom Schengener Abkommen. Beide Länder können selbst entscheiden, an welchen Teilen der Schengen-Zusammenarbeit sie teilnehmen wollen. Anlässlich des Inkrafttreten Lissabon-Vertrages entschied Großbritannien den Ausstieg aus allen polizeilichen Zusammenformen mit der EU – allerdings nur um später in rund ein Drittel der Maßnahmen wieder einzusteigen. Das „Opt out“ war politisch motiviert und sollte die Unabhängigkeit der britischen Politik demonstrieren.

Einstieg nach Ausstieg

Genau genommen handelt es sich also um einen Wiedereinstieg. Wie zuvor nimmt Großbritannien auch jetzt lediglich am Bereich der Polizei- und Justizkooperation teil. Die Regierung kann das SIS nicht zur Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen nutzen.

Steve Peers von Statewatch weist darauf hin, dass Großbritannien bereits den Widereinstieg in einen ganzen Block von 35 weiteren EU-Maßnahmen ratifiziert hatte. Die Teilnahme am SIS II war aber fünf Wochen zuvor beschlossen worden. Hintergrund seien informelle Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission gewesen.

Dabei ging es auch um die Frage, ob die britische Polizei die in das SIS II eingestellten Europäischen Haftbefehle einsehen darf. Die Regierung in London hatte gefordert, dass die zuständigen britischen Stellen diese gesondert zugesandt bekämen. Viele Mitgliedstaaten, darunter Österreich, Frankreich, Spanien und Deutschland hatten dies kritisiert oder sogar angekündigt, sich nicht daran halten zu wollen. Die jetzige Mitteilung der Kommission erklärt nicht, wie die strittige Frage aufgelöst wurde.

Neue Auflagen für externe Dienstleister wie CSC

Die Mitglieder des SIS sind über ihre nationalen Schnittstellen (N-SIS) an das Fahndungssystem angebunden. Die konkrete Zusammenarbeit wird über die sogenannten „SIRENE-Büros“ abgewickelt. SIRENE Deutschland ist beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelt. Vergangene Woche hatte die Kommission auf Nachfrage der EU-Abgeordneten Cornelia Ernst erklärt, dass das „Betriebsmanagement“ des britischen N.SIS vom US-Konzern Computer Science Corporations (CSC) bzw. Computer Generated Solutions (CGS) installiert wurde. CSC ist durch Enthüllungen von Edward Snowden als Partner des Militärgeheimdienstes NSA entlarvt worden.

Der deutsche Ableger der Firma hat für das Bundesinnenministerium ebenfalls zahlreiche Aufgaben auch in sensiblen Bereichen übernommen. Auch in Dänemark ist CSC für den Betrieb des N.SIS verantwortlich. Das dortige System wurde 2011 gehackt, die Eindringlinge hatten daraufhin Zugriff auch auf Daten des BKA. Ein anderes Grenzkontrollsystem in Malta wird ebenfalls von CSC betrieben.

Im Januar hatte der SIS-Ausschuss des Rates „Empfehlungen und bewährten Verfahren“ gebilligt, wonach Dritten weder das Betriebsmanagement der N.SIS noch technische Kopien anvertraut werden dürfen. Auch die Kommission hatte sich zuvor entsprechend geäußert. Gemeint sind externe Dienstleister wie CSC. Werden sie dennoch in Anspruch genommen, müssen die Mitgliedstaaten Überprüfungen im Rahmen von Sicherheitsaudits und Inspektionen vornehmen. Dies wird nun von der Kommission bestätigt. Die nationalen Sicherheitsmaßnahmen würden demnach von Sachverständigen der Kommission überprüft. Auch die Europäische Agentur für IT-Großsysteme, die das Schengener Informationssystem SIS betreibt, kann diese Überprüfungen vornehmen.

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