Der polnische Verfassungsgerichtshof hat heute sein Urteil über die Rechtmäßigkeit der nationalen Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung bekannt gegeben. Das Ergebnis ist ambivalent. Das Gericht erkennt an, dass die derzeitige Ausgestaltung der im März gekippten europäischen Richtlinie nicht rechtmäßig ist. Aber es hat nicht festgestellt, dass Vorratsdatenspeicherung an sich grundrechtsverletzend ist. Stattdessen monierte man mangelnde unabhängige Kontrolle des Datenzugriffs und eine spezifischere Festlegung von Zugriffsrechten, Löschmechanismen und weiterer Datenverarbeitung.
Der Richter Marek Zubik argumentierte, dass jede Kommunikation zwischen Bürgern den gleichen Schutz verdiene. Dazu zählten nicht nur Inhalte, sondern auch die Metadaten des Kommunikationsvorgangs. Wenn der Staat darin eingreife müsse es wirksame Schutzmechanismen und unabhängige Aufsichtsmechanismen für Bürger geben, die bisher nicht bestünden.
Parlament und Regierung haben nun 18 Monate Zeit, das Gesetz zu ändern, damit es den Auflagen des Gerichtshofes entspricht. Es ist zu befürchten, dass durch Regierung und Parlament versucht werden wird, die verlangten Aufsichtsmechanismen so zu dehnen und zu interpretieren, bis letztlich nur noch wenig tatsächliche wirksame Kontrolle übrig bleibt. Auch die genaueren Anforderungen an die Liste der zulässigen Zwecke der Datenspeicherung und -verwendung und der zum Zugriff auf die Daten autorisierten Stellen bleiben vage und damit anfällig für Verwässerungen im Sinne der Überwachungsphantasien von Strafverfolgungsbehörden. Ob die Vorratsdatenspeicherung gegen die allgemeine Unschuldsvermutung verstößt, blieb in dem Verfahren vollständig unberücksichtigt ebenso wie die Betrachtung von weiterreichenden Maßnahmen wie der Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
In vielen anderen Ländern finden derzeit ähnliche Debatten statt. In Österreich wurde die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft und heute das zugehörige Urteil veröffentlicht. Ebenso gekippt ist die anlasslose Massenüberwachung von Telekommunikationsdaten in der Slowakei und Dänemark. In Großbritannien hingegen wurde kürzlich ein “Notstandsgesetz” verabschiedet, um die Vorratsdatenspeicherung fortsetzen zu können und gleichzeitig durch die Hintertür Überwachungskapazitäten weiter auszubauen. In Schweden klagt der Provider Tele2 dagegen, nach Außerkraftsetzung der EU-Richtlinie weiter speichern zu müssen, erlitt aber einen ersten Rückschlag in den Verhandlungen.
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