Die USA wollten sich Soziale Netzwerke zu Nutze machen, um in Kuba einen politischen Wandel zu Demokratie zu initiieren und errichteten dazu einen Twitter-artigen Dienst, der über Mobilfunk funktionierte. Das gab AP in einem ausführlichen Bericht bekannt, der sich auf über 1000 Seiten Dokumente bezieht.
Soziale Netzwerke haben immer wieder politische Prozesse ausgelöst. In den Protesten des Arabischen Frühlings spielte das Internet und vor allem Facebook und Twitter eine bedeutende Rolle für Aktivisten und Demonstranten, sich zu organisiseren und ihre Informationen in Echtzeit mit der restlichen Welt zu teilen. Auch bei den Protesten rund um den Gezi-Park, die letztes Jahr in Istanbul stattfanden spielten Tweets eine wichtige Rolle und die aktuellen Verwicklung um Youtube-Videos und die Twittersperre in der Türkei zeigen, welche Gefahr politische Führer in der Mobilisierungswirkung des Internets sehen.
Doch nicht nur zur Formierung der Zivilgesellschaft, auch für entgegengesetze Propagandainteressen lässt sich die Reichweite von Onlinemedien gezielt nutzen. Nicht nur in Deutschland ist Twitter ein beliebtes Wahlkampfmedium. In Afrika werden Blogs und Twitteraccounts aus dem Boden gestampft, sowie Massen-SMS versendet, um für die Regierungen zu werben. In Südkorea twittern Geheimdienstmitarbeiter verdeckt im Auftrag der Regierung und auch in der aktuellen Krim-Krise werden Meinungskampagnen nicht mehr nur in Fernsehen, Zeitung oder Radio geführt.
Politische Manipulation deklariert als Entwicklungshilfe zur freien Kommunikation
Für ihre eigenen politischen Interessen hatten amerikanische Regierungsvertreter der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) ab 2009 den Kurznachrichtendienst ZunZuneo – die auf Kuba übliche lautmalerische Bezeichnung für das Geräusch des Kolibris – auf der Insel etabliert. Das hinter zahlreichen ausländischen Strohfirmen und Banken versteckte Dienst sollte die kommunistische Regierung unter Castro zu destabilisieren. Vordergründig wurde der Dienst zwar genutzt, um Nachrichten über Alltagsthemen wie Sport, das Wetter oder Musik auszutauschen, aber durch gezieltes Absetzen politischer Nachrichten wollten die USA dazu beitragen, Jugendliche in der von ihnen gewünschten Richtung zu politisieren.
Nicht einmal alle an der Umsetzung des Projektes beteiligten Firmen waren darüber im Bilde, dass die US-Regierung hinter dem Angebot steckte, eine interne Notiz eines Auftragnehmers aus dem Jahr 2010 verrät:
There will be absolutely no mention of United States government involvement. This is absolutely crucial for the long-term success of the service and to ensure the success of the Mission.
Die Obama-Administration dementiert die Vorwürfe, die Operation sei im Verborgenen ausgeführt worden und betont, man habe schlichtweg für einen freien Informationsfluss in Kuba sorgen wollen und durch partielle Geheimhaltung lediglich involvierte Personen schützen wollen.
In Kuba hätten klassische Online-Netzwerke nicht funktioniert
Aber neben der Beeinflussung bot sich für die US-Behörde auch die Möglichkeit der Überwachung und eines umfassenden Einblicks in die sozialen Strukturen der vorrangig jüngeren kubanischen Bevölkerung sowie deren Interessen. Dabei setzte man nicht wie bei anderen sozialen Netzwerken auf das Internet, sondern auf das Mobilfunknetz. Über das Netz hätte der Dienst, der innerhalb seines Bestehens über 40.000 Nutzer anzog, mutmaßlich kaum Erfolg haben können, da Kubas Regierung eine überaus restriktive Internetpolitik verfolgt.
Das staatliche Telekommunikationsunternehmen ETECSA ist der einzige Internet-Provider Kubas, zusätzlich gab es bis 2013 ausschließlich eine Satellitenanbindung ans Netz. Mittlerweile hat man in Zusammenarbeit mit Venezuela und Jamaica Zugang zu Glasfaserverbindungen, aber durch die wenigen Zugangspunkte ist eine zentrale Kontrolle und auch Abschaltung des Internets immer noch verhältnismäßig leicht realisierbar.
Deshalb und weil die Kosten eines Internetzugangs für die Bevölkerung extrem hoch liegen, benutzten 2012 gerade einmal 25% der Bevölkerung das Internet, wobei das landeseigene Intranet, zu dem an vielen Arbeitsplätzen Zugang besteht in die Statistik eingerechnet ist. Dabei ist nicht von einer regelmäßigen Nutzung auszugehen, laut Regierungsstatistiken besäßen lediglich 2,9% einen Internetzugang. Zwar ist auch die Verbreitung von Mobiltelefonen nicht besonders groß, steigt aber vor allem innerhalb der jüngeren Bevölkerung stark an.
War die Aktion illegal?
Dass die USA in der Vergangenheit öfter Energie darin investierten, den Staaten in der Welt „die Demokratie zu bringen“ ist wohlbekannt. Die Operation ZunZuneo hat jedoch eine neue Dimension, da nun nicht mehr nur geheimdienstliche, diplomatische oder militärische Mittel genutzt wurden sondern die Intiative von der Entwicklungsbehörde ausgeführt wurde, die beinahe wie ein Geheimdienst agierte. Dieser Umstand wird auch von einigen Politikern innerhalb der USA kritisiert, wie beispielsweise dem demokratischen Senator Patrick Leahy, der die Aufsicht über das Budget der USAID führt und offensichtlich nicht über das Vorhaben informiert war. In einem Interview mit MSNBC beantwortete er die Frage, ob er über die Programm informiert gewesen sei mit deutlichen Worten:
Absolut nicht. Und wenn ich es gewesen wäre hätte ich gesagt: ‚Was in Gottes Namen denkt ihr euch. Das ist bescheuert. Bescheuert. Bescheuert.
Grund für die Desinformation lag vermutlich in der Zuständigkeit einer Sektion von USAID, des Office of Transition Initiatives. Diese Abteilung wurde 1994 gegründet und war seitdem vor allem in Ländern mit politischen Unruhen aktiv, in denen man die Möglichkeit sah, demokratisch aufgefasste Strukturen zu etablieren – etwa Afghanistan, Haiti und Kirgisistan. Die Abteilung war in der Vergangenheit aufgrund ihrer intransparenten, geheim durchgeführten Operationen bereits öfter Gegenstand von Kritik gewesen, beispielsweise in einem Bericht von US-Kongressmitarbeitern aus dem Jahr 2009. So war es auch möglich, ein Budget von 1,6 Millionen US-Dollar, das ursprünglich für Projekte in Pakistan vorgesehen war, unentdeckt für die Verwendung in Kuba zu transferieren.
Alles fing mit 500.000 Telefonnummern an
Bei ihrem Vorgehen half der USA ausgerechnet ein Kontakt zu dem staatlich geführten Mobilfunkbetreiber Cubacel, durch den USAID Zugang zu einer halben Million kubanischer Handynummern bekam. Danach waren es nur noch wenige Schritte: Eine ehemalige Mitarbeiterin von USAID hatte in der Zwischenzeit als Managerin bei Creative Associates International zu arbeiteten begonnen, einer Firma, die häufig im Auftrag der US-Regierung Entwicklungsprojekte ausführte. Sie wusste über die gesammelten Nummer und fragte daraufhin ihren technikaffinen Bruder, ob es möglich sei, massenhaft Textnachrichten an alle Telefonnummern eines Landes schicken zu können ohne dass die Regierung davon erfahren würde.
Dieser sagte, das sei zwar nicht möglich, schlug aber vor, die Nachrichten von verschiedenen Ländern ausgehend zu verschicken, womit man verbergen könne, wo die ursprüngliche Quelle läge. Er wurde dann von Creative Associates angeheuert und begann mit der Arbeit. Man erstellte eine Plattform, die durch die Platzierung von Werbung kommerziell erscheinen sollte um Fragen nach der Finanzierung zu vermeiden und begann, junge Kubaner anzuschreiben und ihnen kostenlose SMS zur Teilnahme anzubieten. Das ist besonders attraktiv, da die Kosten für Mobilfunk gemessen am monatlichen Durchschnittseinkommen in Kuba überproportional hoch liegen. Nach und nach wollte man dann die Politisierung vorantreiben und „das Risiko erhöhen“, wie aus einem Dokument von USAID hervorgehe.
Die kubanische Regierung blieb verständlicherweise nicht untätig als sie die aufkommende Aktivität des neuen Diensten bemerkte. USAID berichtete von Angriffen auf die eigenen Server, Versuche, Nachrichten zurückzuverfolgen, das Blockieren einzelner Nachrichten. Insgesamt stellten die kubanischen Versuche jedoch keine ernsthafte Gefährdung des Projekts dar. So stieg die Popularität des Dienstes Anfang 2010 sprunghaft. Es wurde schwieriger mit steigender Popularität die Involvierung der US-Behörde zu verbergen und so wollte man die Projektleitung 2011 gänzlich in private Hände übergeben, wobei man vorgab, das Projekt sei eine alleinige Initiative von Mobile Accord, einem Anbieter von Mobilplattformen unter anderem für NGOs, politische Gruppen und Universitäten. Dieser hatte das Projekt weitergeführt, nachdem Creative Associations ihnen die Leitung übertragen hatte.
Doch die Verselbstständigung der Plattform scheiterte, da sie ihre Kosten nicht eigenständig decken konnte. Kein Wunder, denn durch Werbeschaltungungen lässt sich in einer von Planwirtschaft dominierten Gesellschaft wenig Umsatz erzeugen. Die amerikanische Behörde war infolgedessen in einer Position, in der sie unfreiwillig große Mengen Geld in den kubanischen monopolitistischen Mobilfunkanbieter Cubacel investierte. Deswegen und da die kubanische Regierung in ihren Blockierungsversuchen Fortschritte machte, verschwand der Dienst 2012 komplett von der Bildfläche und ließ die kubanischen Nutzer ratlos zurück. Zurück blieb lediglich eine verwaiste Facebook-Seite.
Wie steht es um die Zukunft des Internets
Egal, wie man die undurchsichtige Aktion der US-Behörde bewerten mag, eine Frage bleibt: Wie sieht es aus mit der Zukunft des Internets in Kuba. Der Dienst konnte nur an Popularität gewinnen, weil er eine Lücke füllte. Und diese Lücke besteht immer noch. Mitte 2013 hat die kubanische Regierung damit begonnen, die Internetabdeckung zu verbessern. Es wurden rund 120 Internetcafes im Land geöffnet, die für rund 4,5 CUC (entspricht in etwa US-Dollar) eine Stunde Internetzugang anbieten. Will man im kubanischen Intranet bleiben, reduzieren sich die Kosten auf 1,5 CUC. Der Durchschnittslohn in Kuba liegt bei monatlich 20 US-Dollar. Von einer wirklichen Verfügbarkeit kann also keine Rede sein. Ganz abgesehen von der Meinungsfreiheit. Die Bloggerin Yoani Sánchez schaffte es, den ersten unzensierten Blog Kubas, Generación Y, zu betreiben. Aber sie und alle anderen bloggenden Kubaner sind Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt.
Der Weg ist also noch weit bis zu einem freien Internet auf der Insel Kuba. Aber eines ist klar – er führt nicht über amerikanische Dienste, die für deren eigenen politischen Interessen missbraucht werden.
»Dass die USA in der Vergangenheit öfter Energie darin investierten, den Staaten in der Welt “die Demokratie zu bringen” ist wohlbekannt.«
Das ist doch – gelinde gesagt – sehr diplomatisch ausgedrückt…
Davon ab stellt sich aber zu Recht vor allem die Frage, in wie weit Amerika bei vergangenen „Revolutionen“ die Finger im Spiel hatte und vor allem in welchem Ausmaß.
Deswegen steht das ja auch in Anführungszeichen.
Es ist ja offensichtlich, dass diese Maßnahme nicht erfolgt, weil man den Bürgern gegen ein autoritäres Regimen helfen möchte.
Man will einen Regierungswechsel initiieren, indem man der Bevölkerung die Mittel (und Gründe) in die Hand gibt, gegen die Führung aufzubegeheren.
Allerdings wird lediglich darauf abgezielt, dass durch den Umsturz eine ihnen wohlgesinnte Regierung an die Macht kommt.
Ob diese nun weniger autoritär ist als die vorige und es den Leuten weniger schlecht geht als vorher, spielt keine Rolle, weil das einfach nicht das Ziel war.
Es ist einfach nur widerlich, wie sich hier so typisch aktivistischer, subversiver Mittel bedient wird, um geostrategische Interessen durchzusetzen.
Ich habe mir schon gedacht, dass für die momentanen Protesten in Venzuella abendländische, politische Drahtzieher verantwortlich sind. Wie lässt sich sonst erklären, dass kurz nach dem Sturz in der Ukraine (mit anschließender Krimkrise) nun ausgerechnet wieder in einem weiteren Staat, das nicht gerade besonders befreundet mit der USA und der EU ist, gewaltsam protestiert wird?
Solche Aktionen, selbst wenn sie tatsächlich gut gemeint sein sollten, schaden letztendlich nur. Jetzt haben viele Diktatoren ein weiteres Argument, um hart gegen Kritik vorzugehen, in dem sie einfach behaupten die würden durch z.b. die USA gesteuert